Zur
selben Zeit, wie das Thurgauer Kantonsparlament gestern in Frauenfeld das
Frühfranzösisch abschaffte, wurde vom Bundesgericht ebenfalls ein Entscheid zu
den Fremdsprachen gefällt: Es befand, dass die Bündner Fremdspracheninitiative
gültig ist und nicht offensichtlich übergeordnetem Recht widerspricht – es
kommt auf die Umsetzung an. Der Entscheid fiel so knapp wie möglich, mit drei
zu zwei Stimmen. Damit stützte es den Entscheid der Vorinstanz, dem Bündner
Verwaltungsgericht.
Auch die Bündner stimmen über die Fremdsprachen ab, Tages Anzeiger, 4.5. von Janine Hosp
In
Graubünden, wo mit Romanisch, Italienisch und Deutsch drei Nationalsprachen
gleichberechtigt nebeneinander gesprochen und geschrieben werden, ist die
Situation besonders anspruchsvoll. Heute lernen die Schülerinnen und Schüler ab
der dritten Klasse eine der drei Kantonssprachen. Englisch ist ab der fünften
Klasse Pflichtfach.
Die
Promotoren der Bündner Initiative indessen verlangen, dass Primarschüler nur
noch Deutsch oder Englisch als Fremdsprache lernen – Deutschsprachige Englisch,
Romanisch- und Italienischsprachige Deutsch. Die Vertreter der Minderheiten
wehrten sich jedoch vehement dagegen: Sie wollen nicht erst die Sprache der
Mehrheit lernen müssen, während diese dem Englisch den Vorzug gibt. So
gelangten sie schliesslich an das Bundesgericht.
Ihre
Vertreter reagierten gestern denn auch enttäuscht auf das Urteil aus Lausanne.
Johannes Flury, Präsident des rätoromanischen Sprachverbandes Lia Rumantscha,
sagte der Nachrichtenagentur SDA, sollte die Initiative angenommen werden,
werde die Umsetzung schwierig. Die Lia Rumantscha werde jedenfalls genau
hinschauen, dass keine zweisprachige Gemeinde diskriminiert würde. Giuseppe
Falbo, Generalsekretär der Pro Grigioni Italiano, sagte, es stimme ihn traurig,
dass der einzige dreisprachige Kanton der erste sein könnte, der auf den Unterricht
einer seiner Kantonssprachen in der Primarschule verzichte.
Kein
«Frengzöslisch» lernen
Die
Regierung des Kantons Graubünden hatte dem Parlament beantragt, die im Jahr
2013 eingereichte Initiative für ungültig zu erklären. Sie kritisierte, dass
sie Sprachminderheiten benachteilige und damit gegen Bundesrecht verstosse.
Nun, nach dem Entscheid des Bundesgerichts, befürchtet Erziehungsdirektor
Martin Jäger (SP), dass der Sprachfriede im Kanton gestört werden könnte.
Spätestens
nächstes Jahr wird das Kantonsparlament über eine neue Vorlage zum
Fremdsprachenunterricht in der Primarschule beraten. Danach können auch
Bündnerinnen und Bündner in absehbarer Zeit darüber abstimmen, ob in der
Primarschule nur noch eine Fremdsprache unterrichtet wird.
In einer
ganzen Reihe von Kantonen, etwa in Schaffhausen, Appenzell Innerrhoden oder im
Thurgau, konnte sich das Stimmvolk im Rahmen von Abstimmungen zum Lehrplan 21
bereits dazu äussern – und hat den Lehrplan stets bestätigt. In anderen
Kantonen steht eine Abstimmung noch bevor, etwa in Baselland oder Luzern. Im
Kanton Zürich entscheiden die Stimmberechtigten bereits am 21. Mai. Zürcher
Lehrerverbände fordern, dass in der Primarschule nur noch eine Fremdsprache
gelehrt wird – welche, lassen sie offen. Würden weiterhin zwei unterrichtet, so
legen sie auf ihren Plakaten nahe, sprächen die Schüler am Ende
«Frengzöslisch», also keine Sprache richtig.
Heute
werden in allen Kantonen zwei Fremdsprachen an der Primarschule unterrichtet –
dazu haben sie sich mit der interkantonalen Vereinbarung Harmos verpflichtet.
Nur Uri und Innerrhoden scheren aus. In den meisten Kantonen lernen die Kinder
erst eine Landessprache, etwa in der Romandie oder im Tessin. Insbesondere
Kantone in der Innerschweiz und der Ostschweiz geben aber dem Englischen den
Vorzug. Sitzung 1C_267/2016 vom 3. 5. 2017
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