Ein neuer Leitfaden zeigt den Schulen auf, wo im
Umgang mit religiös begründeten Anliegen verbindliche Regelungen bestehen.
Auslöser dafür war ein Vorstoss der CVP-Fraktion im Grossen Rat.
Kopftuch, Handschlag, Schwimmen: Diese Regeln empfiehlt der Aargau den Schulen, Aargauer Zeitung, 5.4. von Jörg Meier
Die öffentlichen Schulen werden politisch und
konfessionell neutral geführt. Es gibt deshalb grundsätzlich kein Schulangebot,
an dem Schülerinnen und Schüler nicht teilnehmen können. Trotzdem kommt es im
schulischen Alltag immer wieder vor, dass es im Umgang mit religiösen
Bedürfnissen und Traditionen zu Konflikten kommt: Eltern weigern sich aus
religiösen Gründen, ihre Kinder ins Klassenlager reisen zu lassen; Kopftücher
im Unterricht sind immer wieder ein Thema oder auch die Dispensation vom
Schwimmunterricht.
Lehrpersonen, Schulleitung und Schulbehörden vor
Ort sind es gewohnt, in solchen Fällen pragmatische Lösungen zu finden. Immer
wieder aber geschieht es, dass Eltern die Entscheide von Schulpflege oder
Schulleitung nicht akzeptieren und für ihre Anliegen bis vor Bundesgericht
gehen.
Eher ein Anliegen der Politik
Die Abteilung Volksschule des Departements Bildung.
Kultur und Sport (BKS) hat nun einen Leitfaden verfasst, der die Schulen
unterstützen und mögliche Unsicherheiten klären soll. «Der Leitfaden zeigt auf,
bei welchen Fragen es verbindliche Regelungen und konkrete Gerichtsentscheide
gibt», erklärte Simone Strub, Sprecherin des BKS. Dadurch definiere der
Leitfaden auch den Ermessensspielraum, aber auch die Grenzen für die
individuellen Lösungen im Einzelfall.
Auslöser für die Verfassung des Leitfadens durch
die Abteilung Volksschule war ein Vorstoss der CVP-Fraktion im Mai 2016 zum
Thema «gutes Zusammenleben der Menschen im Kanton Aargau». Unter anderem hatte
die Fraktion dabei angeregt, einen Leitfaden zum Umgang mit religiösen
Bedürfnissen und religiösen Fragestellungen zuhanden der Volksschule zu
erarbeiten. Mit der 11 Seiten umfassenden Handreichung «Umgang mit religiösen
Fragen an der Volksschule» hat die Regierung das Anliegen erfüllt.
Die Handreichung zeigt auf, dass es im schulischen
Alltag Praktiken und Gewohnheiten gibt, die nicht auf rechtlichen Grundlagen
beruhen. Es gibt vielfältige kulturelle Werte, die nicht gesetzlich geregelt
sind. Zum Beispiel bestehen weder im Bundesrecht noch im aargauischen Recht
Normen, in denen der Umgang mit der Verweigerung des Händedrucks geregelt ist.
Als oberster Leitsatz bei allen Entscheidungen gilt: Das Kindeswohl sollte
grundsätzlich im Zentrum der Abwägung stehen.
Als durchaus hilfreich und sinnvoll bezeichnet
Philipp Grolimund, Co-Präsident des Verbandes Aargauer Schulleiter, den neuen
Leitfaden, schränkt aber ein: «Die Thematik beschäftigt die Politik mehr als
die Schule.»
Die Handreichung vermittelt eine Reihe von
konkreten Lösungsansätzen aus dem Schulalltag: Schülerinnen und Schüler anderer
Religionen sollen auf Gesuch hin an den hohen Feiertagen ihrer Religion vom
Unterrichtsbesuch beurlaubt werden. Sie macht Vorschläge, wie mit den
christlichen Festen und Bräuchen im Unterricht umgegangen werden kann und dass
es den Schulen überlassen bleibt, ob sie Kruzifixe in den Schulzimmern erlauben
möchten. Klar hält der Leitfaden auch fest, dass das Fach Ethik und Religionen
auf jeden Fall obligatorisch ist; das Verhalten der Lehrpersonen aber muss
jedoch im Einklang stehen mit der weltanschaulichen Neutralität der öffentlichen
Schule, wie sie das Schulgesetz vorsieht.
UMFRAGE
Kopftücher im Unterricht
Heisst das, dass nur noch leidenschaftslose
Stoffvermittler gefragt sind? «Überhaupt nicht», sagt Philipp Grolimund. «Die
Lehrpersonen sollen und können sich weiterhin für ihre Anliegen engagieren; sei
es der Biologe, der für den Umweltschutz sensibilisiert, sei es die
Primarlehrerin, die den Klassenhund in ihrer Klasse einführt.» Was aber nicht
gehe, sei, dass Lehrpersonen die Schüler beeinflussen, oder dass sie gar
missionieren. Da greife die Schulleitung sofort ein, wenn sie entsprechende
Signale erhalte.
Klar auch die Position der Regierung, was
den Schwimmunterricht betrifft: Da gibt es keine Dispensationen aus religiösen
Gründen. Gleichzeitig will man aber auch kein Verbot von Burkinis beim
Schwimmunterricht an Aargauer Schulen.
Kopftücher im Schulunterricht sind erlaubt;
der Grosse Rat hat im März 2014 diese Haltung nochmals bestätigt und die
Einführung eines Kopftuchverbots an den öffentlichen Schulen abgelehnt.
Lehrerinnen hingegen dürfen während des Unterrichts keine Kopftücher aus
religiösen Gründen tragen.
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