Der Kanton Zürich will die Tagesschulen fördern – und gibt ihnen
erstmals eine Gesetzesgrundlage.
Betreuung und Unterricht aus einer Hand, NZZ, 4.3. von Walter Bernet
Es ist keineswegs so, dass es im Kanton ausserhalb der Hauptstadt noch
keine Tagesschulen gäbe. Aber sie sind noch dünn gesät, sehr dünn angesichts
der Tatsache, dass nicht wenige in ihr das Schulmodell der Zukunft sehen, weil
es einen wesentlichen Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie
leisten kann. Zu ihnen gehört auch der Zürcher Regierungsrat, der die Förderung
der Einführung von Tagesschulen zum Legislaturziel erklärt hat. Die Sache hat
bis heute allerdings einen Haken: Im Volksschulgesetz kommt die Tagesschule gar
nicht vor. Bildungsdirektorin Silvia Steiner hat diesen Makel jetzt behoben.
Der Regierungsrat hat die von ihr beantragten Änderungen des Volksschulgesetzes
genehmigt. Vorausgegangen war ein Vernehmlassungsverfahren, in welchem das
Grundanliegen auf viel Zustimmung gestossen war. Das nächste Wort hat der
Kantonsrat.
Schlankes Gesetz
Am Freitag hat Silvia Steiner das neue Gesetz den Medien präsentiert.
Man reagiere damit auf eine gesellschaftliche Entwicklung, die in den letzten
zehn Jahren zur Verdoppelung der Betreuungsplätze im Kanton auf 30 000 geführt
habe. Tagesschulen anzubieten, habe sowohl aus volkswirtschaftlichen wie aus
pädagogischen Gründen Sinn, sagte Steiner. Im Volksschulgesetz werden jetzt die
Rahmenbedingungen festgelegt, innerhalb deren die Gemeinden ihre Tagesschulen
aufbauen und betreiben können. Und: Erstmals werden im Gesetz Begriffe wie
Tagesschule und Tagesstrukturen definiert.
Leitender Gedanke war es, den Gemeinden möglichst viel
Handlungsspielraum einzuräumen. Vorausgegangen war die Stadt Zürich,
die im Rahmen eines Pilotprojektes seit Sommer ihr Modell mit verkürzten
Mittagszeiten testet. Es erhält jetzt eine gesetzliche Grundlage. Ein
Weinländer Dorf oder eine rasch wachsende Agglomerationsgemeinde muss die
Möglichkeit haben, ihr eigenes Modell zu entwickeln. Das für alle Formen
geltende Kriterium ist die Verbindung von Unterricht und
Betreuung. An einigen Grundprinzipien wird nicht gerüttelt. So
bleiben Tagesschulen ein freiwilliges Angebot. Es soll vermieden werden, dass
mit der Schulform die Familien- und Lebensmodelle vorgegeben werden. Die
Schulen können zwar gewisse Betreuungsangebote für obligatorisch erklären, zum
Beispiel die Mittagsbetreuung an Tagen mit Unterricht am Nachmittag. Eltern
haben aber das Recht, ihre Kinder abzumelden, wenn keine Schule ohne diese
Verpflichtung angeboten wird.
Euphorisch sei sie gestimmt, sagte Steiner, und zwar nicht nur, weil sie
von der Tagesschule überzeugt sei. Es sei das erste Gesetzesvorhaben aus ihrer
Direktion, das ganz in ihrer Amtszeit entstanden sei. Es überzeuge dank seiner
Schlichtheit und seiner Schlankheit; es beschränke sich auf wenige Eingriffe
ins bestehende Volksschulgesetz.
Auf Vorbilder bauen
Fünf Gründe nannte Steiner für die Einführung von Tagesschulen. Erstens
führe die Vernetzung von Betreuung und Unterricht zu besseren Schulleistungen.
Zweitens führe der Verzicht auf den Wechsel zwischen Hort und Schule zu mehr
Ruhe im Alltag der Kinder. Drittens profitierten alle Kinder, besonders aber
solche aus benachteiligten Familien, von der Betreuung bei den Hausaufgaben.
Diese sind fertig, wenn die Kinder nach Hause gehen. Viertens böten sich mehr
Gelegenheiten, aus dem Alltag zu lernen, zum Beispiel Tischsitten. Und
schliesslich profitierten die Gemeinden von neuen Möglichkeiten, ohne dass
etwas erzwungen werde.
Marion Völger, Chefin des Volksschulamts, stellte eine Reihe von
Instrumenten vor, die den Schulen als Hilfsmittel bei der Umsetzung eigener
Projekte zur Verfügung stehen. Dazu gehört ein Leitfaden, welcher Orientierung
bei der Planung und Führung einer Tagesschule gibt. Ausserdem findet sich auf
der Website des Amts ein Berechnungstool für den Personalbedarf, die
Betreuungskosten usw. Und schliesslich ist ein Netz von Kontaktschulen, das
bisher aus fünf Schulen besteht, im Aufbau. Eine von ihnen, die Tagesschule Bubental in Wallisellen, die
seit letztem Sommer stufenweise in der bestehenden Infrastruktur aufgebaut
wird, präsentierte ihre Lösung. Dank dem seit Jahren eingespielten Team, das
ganz hinter dem Versuch steht, scheint das Projekt besser gestartet zu sein,
als man erwarten konnte.
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