Die
Ergebnisse sind alarmierend. 97,3 Prozent der befragten Baselbieter
Sekundarlehrer finden, dass ihre Schüler in der 7.Klasse einen «schlechten»
oder «nicht so guten» Französisch-Wortschatz hätten. Bei der Umfrage, die der
Lehrerverein Baselland (LVB) diese Woche in seiner Vereinspublikation «LVB
inform» veröffentlicht hat, wurde zudem nach den Fähigkeiten im «Sprechen», in
der «Grammatik» sowie im «Verstehen» gefragt – mit ähnlich erschreckenden
Einschätzungen. Dies im Gegensatz zur anderen Fremdsprache, die bereits in der
Primarschule unterrichtet wird: In Englisch attestieren die meisten Baselbieter
Lehrer ihren Schülern mittelmässige bis gute Fähigkeiten.
Auch nach vier Jahren Primarfranzösisch verstehen die Schüler meist nur Bahnhof, Bild: Schweiz am Wochende, Ausgabe Basel
Der Französisch-Schock, Schweiz am Wochenende Basel, 4.3. von Leif Simonsen
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Die
Umfrage, die unter 55 Lehrern im Landkanton durchgeführt wurde, birgt
politische Brisanz. 2012 führte Baselland als einer von sechs Kantonen der
Schweiz Französisch bereits in der dritten Klasse ein. Neben Solothurn, Bern,
Fribourg und dem Wallis gehört auch der Nachbarkanton Basel-Stadt zum sogenannten
Passepartout-Konkordat. Dieses eint neben der Einführung von Französisch als
erster Fremdsprache auch das pädagogische Modell. Die Schüler sollen nicht mehr
korrigiert, sondern langsam an die neue Sprache herangeführt werden. Die
Passepartout-Kantone preisen das «Erfolgsmodell» auf einer gemeinsamen
Homepage: «Im Vordergrund steht das Handeln und Kommunizieren: Die Schülerinnen
und Schüler lernen so Wortschatz und Grammatik nicht isoliert, sondern im
Zusammenhang mit spannenden Inhalten und Aktivitäten.» Dereinst, so die Idee,
sollen die Fehler automatisch verschwinden. Aus dem «Schö» wird «Je», aus «Lö
Woatür» wird im Verlauf der Jahre «la voiture».
Motiviert in den Englischunterricht
Vier
Jahre sind seit der Einführung dieses Modells im Baselbiet verstrichen. Statt
der erhofften Freude, sich unbehelligt in einer neuen Sprache auszutoben, ist
gemäss der ersten Umfrage auch bei den Schülern Resignation eingekehrt. «Sie
wissen nie, woran sie sind», sagt ein Primarlehrer, der vergangenes Jahr
pensioniert wurde. «Das frustriert sie. Sie ahnen ja, dass sie vieles falsch
machen. Und auf diese Fehler wollen sie aufmerksam gemacht werden.»
Die
Umfrage belegt den Frust. 78 Prozent der Lehrer erleben ihre Schüler im Franzö-
sisch-Unterricht als «wenig motiviert» oder sogar «abgelöscht». Zum Vergleich:
94 Prozent der Schüler gehen «motiviert» oder «hoch motiviert» in den
Englisch-Unterricht. Zwar räumt der LVB ein, dass Englisch allgemein als
«cooler» gelte und deswegen besser abschneide. Nachdem aber in Solothurn ähnliche
Umfrageergebnisse erzielt wurden, prognostiziert LVB-Präsident Roger von
Wartburg in den nächsten Monaten trotzdem eine politische Debatte über
Passepartout. Eine erste Sitzung mit der Bildungsdirektorin Monica Gschwind
fand schon vergangene Woche statt. Von Wartburg sagt: «Methodik und Aufbau der
Lehrmittel sowie die Stundenverteilung müssen diskutiert werden.» Mit den
maximal drei Lektionen in der Woche, die der heutige Stundenplan vorsehe, kämen
die Schüler offensichtlich insbesondere in Französisch nicht weit. Eine
«Patentlösung« hat von Wartburg in der «verfahrenen Situation» aber nicht.
Besonnene Pädagogen reagieren
Den
lautstarken Passepartout-Gegner Jürg Wiedemann (Grüne-Unabhängige) und Paul
Hofer (FDP) kommen die schlechten Französisch-Kenntnisse der Schüler entgegen.
Denn mittlerweile regt sich auch unter den besonneneren Pädagogen Widerstand.
Der frühere Sekundarlehrer Felix Schmutz, der sich intensiv mit der neuen
Lernmethode sowie den neuen Lehrmitteln auseinandergesetzt hat, kommt zum
Schluss: «Offensichtlich ergibt es keinen Sinn, schon in der dritten Klasse mit
Französisch anzufangen.» Die Kinder seien in diesem Alter zu jung für
«kursorischen» Unterricht in einer Fremdsprache. Stattdessen sollten sich die
Kinder in den ersten drei Jahren darauf konzentrieren können, die deutsche
Sprache korrekt zu erlernen. Er legt nahe, den Französisch-Unterricht erst in
der vierten Klasse einzuführen und mit Englisch bis zur sechsten zu warten.
Ein
Ausstieg wäre im nächsten Jahr möglich. Die sechs Passepartout-Kantone haben
sich verpflichtet, mindestens bis 2018 am Lehrplan festzuhalten.
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