4. März 2017

Wohl der Kinder geht vor EDK-Richtlinien

Fremdsprachenunterricht an der Primarschule provoziert immer noch Widerstand. So nannte ihn der bekannte Kinderarzt Remo Largo einen «pädagogischen Irrweg». Für den analytischen Spracherwerb seien Primarschüler zu jung. Und «ein bisschen Englisch lernen» (spielerisch, Fehler erlaubt) sei für das Endergebnis eher kontraproduktiv. Aus Lehrer- und Elternkreisen hört man zudem, schwächere Schüler seien überfordert und lernten dafür nicht mehr richtig Deutsch.

Frühenglisch hilft - aber nicht allen, Aargauer Zeitung, 4.3. von Hans Fahrländer
 
Das Fremdsprachenkonzept der Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK) verlangt zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe, eine ab der 3. und eine ab der 5. Klasse. Im Aargau wird seit 2008 ab der 3. Klasse Englisch unterrichtet. Französisch folgt ab der 6. Klasse, mit dem Lehrplan 21 soll es auf die 5. vorverlegt werden. Tut man damit auch pädagogisch das Richtige? Auf vielseitiges Drängen hat das Bildungsdepartement den Erfolg des Frühenglisch durch das Institut für Bildungsevaluation der Uni Zürich untersuchen lassen. Die Medienmitteilung zu den Ergebnissen tönt erfreulich: Das Primarschul-Englisch zeige «Wirkung», die Lernziele würden «weitgehend erreicht», der Lernzuwachs sei überdurchschnittlich gross», Zufriedenheit und Motivation der Lehrpersonen seien «hoch».

Wer genauer liest, findet aber auch weniger euphorische Befunde. So gibt es in den Oberstufentypen immer noch beträchtliche Unterschiede beim Englisch-Erfolg: In der Bezirksschule erfüllen praktisch alle Jugendlichen die Lernziele, in der Sekundarschule sind es um die 90 Prozent, in der Realschule aber nur 50 bis 70 Prozent. Offenbar vermag Frühenglisch die Leistungsunterschiede nicht auszugleichen. Entsprechend monieren Lehrpersonen, die Anforderungen des Lehrmittels seien für die Realschule «eher zu hoch», für die Bezirksschule «eher zu tief». In einer ersten Reaktion auf das Papier moniert überdies die FDP, nicht untersucht worden seien die Auswirkungen des frühen Fremdsprachenunterrichts auf den Deutschunterricht. Diesem sei «dringend mehr Gewicht zu geben».

Fazit: Frühenglisch hilft. Aber nicht allen. Frühenglisch ist etabliert, Wieder-Abschaffung kein Thema mehr. Aber statt sich auf einem euphorischen Papier auszuruhen, tun die Verantwortlichen gut daran, das Thema zu vertiefen. Soll Primarschul-Englisch allenfalls fakultativ werden? Soll man wieder zu grösseren Unterschieden in den Lernzielen der Oberstufenzüge stehen? Das Wohl der Kinder (auch der schwächeren) ist jedenfalls höher zu gewichten als EDK-Richtlinien.


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