8. Januar 2017

Boomendes Nachhilfegeschäft

Nachhilfe ist ein boomender Geschäftszweig. Anbieter, die im Internet Lehrer für Privatlektionen vermitteln, gibt es von Jahr zu Jahr mehr. Und auch die Anfragen der Schüler steigen – so etwa beim Nachhilfeportal Tutor24.ch, einem der schweizweit führenden Vermittlungsangebote für Schüler und Lehrer. Innert einem Jahr sei die Nachfrage nach Privatlektionen um mehr als die Hälfte auf rund 7500 Anfragen gestiegen, sagt Christoph Seitz, Marketing-Verantwortlicher bei der Lemonfrog AG, die Tutor24.ch betreibt.
Kaum Bedarf nach Privatlehrern in Ob- und Nidwalden sowie in Uri, Bild: Manuela Jans-Koch
Schlechte Noten sind ein gutes Geschäft, Luzerner Zeitung, 8.1. von Christian Hodel

Auch andere in der Zentralschweiz tätige Online-Anbieter bestätigen: Angebot und Nachfrage sind markant gestiegen. Doch wofür suchen Schüler und Studenten Nachhilfe? Um die Frage zu beantworten, hat Seitz 20000 Datensätze – Anfragen von Schülern und Profile von Tutoren – ausgewertet und kommt zu erstaunlichen Schlüssen.

Die teuersten Lehrer kommen aus Zug

Während der Kanton Zürich, proportional zur Bevölkerungsgrösse, die meisten Nachhilfeschüler hat, die online nach Tutoren suchen, scheinen in Obwalden, Nidwalden und Uri kaum Privatlehrer übers Internet gesucht zu werden. Ganz anders in den übrigen Zentralschweizer Kantonen. «Beim Gebrauch des Internets zur Nachhilfesuche liegt der Kanton Schwyz im schweizerischen Durchschnitt, Luzern und Zug klar darüber – schon fast auf dem Niveau von Zürich», sagt Seitz. Der Kanton Zug sticht auch anderswo hervor. In keinem anderen Kanton in der Schweiz bezahlen Schüler bei Tutor24.ch mehr für einen Nachhilfelehrer – im Durchschnitt 37 Franken pro Stunde, wie die Zeitung «Blick am Abend» jüngst schrieb. Der schweizerische Durchschnitt liegt bei 33 Franken pro Stunde, in Luzern und Nidwalden sind es 32 Franken. In den Zentralschweizer Kantonen erwarten Tutoren aus Obwalden am wenigsten Lohn – 29 Franken pro Lektion beträgt dieser im Durchschnitt. Für den Kanton Uri liegen keine Erkenntnisse vor, da zu wenige Daten vorhanden sind.

Bezüglich den Fächern reiht sich unsere Region in den Schweizer Durchschnitt ein, wie eine Auswertung zeigt, die Seitz für unsere Zeitung vornahm. Über 52 Prozent der Anfragen aus der Zentralschweiz beziehen sich auf Nachhilfe in Mathematik – 26 Prozent auf Deutsch. Mit deutscher Grammatik und Rechtschreibung scheinen insbesondere Zuger und Schwyzer Probleme zu haben. In diesen Kantonen liegen die Anfragen gut 8 Prozent über dem Durchschnitt, der bei 24 Prozent liegt. Hingegen nehmen Schwyzer und Zuger deutlich weniger Nachhilfe in Französisch in Anspruch. Woher diese Unterschiede? Seitz sagt: «In Kantonen, die wohl aus wirtschaftlichen Gründen viele ausländische Zuzüger haben, etwa Englischsprachige, ist es den Eltern wichtig, dass ihre Kinder als Erstes die lokale Sprache beherrschen.» Allgemein sei der Boom nach Nachhilfelehrern wohl damit zu erklären, «dass der Druck für die Schüler und die Erwartungshaltung der Eltern an ihre Kinder zugenommen hat».

Schüler können Erwartungen nicht erfüllen

Man stelle fest, dass «die Erwartungen einiger Eltern an den Bildungserfolg ihrer Kinder zu hoch sind», sagt Charles Vincent, Leiter der Dienststelle Volksschulbildung des Kantons Luzern. Deshalb würden Eltern für ihre Kinder zunehmend solche Nachhilfeprogramme suchen. Doch stehen nicht auch die Volksschulen in der Pflicht, wenn Schüler nur noch mittels privater Nachhilfe Schritt halten können? «Ich denke, dass diese Zunahme nur bedingt eine Rückmeldung an die Schule ist», sagt Vincent. «Es zeigt eher, dass die Eltern eine andere Erwartung an die Schulen haben, als die Kinder erfüllen können.» Es sei klar, dass die Volksschule alle Kinder fördern müsse. «Mit der zunehmenden individuellen Förderung versucht die Schule dieser Zielsetzung auch gerecht zu werden.»

Längst nicht alle Eltern können sich einen Nachhilfelehrer leisten. Eine Studie der schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung kam bereits 2012 zum Schluss, dass durch private Nachhilfe die Chancengleichheit verletzt wird. Auch deshalb würden viele Schulen als Teil der Tagesstrukturen oder auch unabhängig davon Hausaufgabenhilfe anbieten, sagt dazu Vincent. «Es ist sinnvoll, wenn Lernende bei den Hausaufgaben unterstützt werden. Denn die Erziehungsberechtigten können und wollen dies häufig nicht wahrnehmen.» Zudem seien diese Angebote kostengünstig oder unentgeltlich, womit auch Kinder aus bildungsfernen Familien diese beanspruchen können.


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