Nachhilfe
ist ein boomender Geschäftszweig. Anbieter, die im Internet Lehrer für
Privatlektionen vermitteln, gibt es von Jahr zu Jahr mehr. Und auch die
Anfragen der Schüler steigen – so etwa beim Nachhilfeportal Tutor24.ch, einem
der schweizweit führenden Vermittlungsangebote für Schüler und Lehrer. Innert
einem Jahr sei die Nachfrage nach Privatlektionen um mehr als die Hälfte auf
rund 7500 Anfragen gestiegen, sagt Christoph Seitz, Marketing-Verantwortlicher
bei der Lemonfrog AG, die Tutor24.ch betreibt.
Kaum Bedarf nach Privatlehrern in Ob- und Nidwalden sowie in Uri, Bild: Manuela Jans-Koch
Schlechte Noten sind ein gutes Geschäft, Luzerner Zeitung, 8.1. von Christian Hodel
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Auch
andere in der Zentralschweiz tätige Online-Anbieter bestätigen: Angebot und
Nachfrage sind markant gestiegen. Doch wofür suchen Schüler und Studenten
Nachhilfe? Um die Frage zu beantworten, hat Seitz 20000 Datensätze – Anfragen von Schülern und Profile von
Tutoren – ausgewertet und kommt zu erstaunlichen Schlüssen.
Die
teuersten Lehrer kommen aus Zug
Während
der Kanton Zürich, proportional zur Bevölkerungsgrösse, die meisten
Nachhilfeschüler hat, die online nach Tutoren suchen, scheinen in Obwalden,
Nidwalden und Uri kaum Privatlehrer übers Internet gesucht zu werden. Ganz
anders in den übrigen Zentralschweizer Kantonen. «Beim Gebrauch des Internets
zur Nachhilfesuche liegt der Kanton Schwyz im schweizerischen Durchschnitt,
Luzern und Zug klar darüber – schon fast auf dem Niveau von Zürich», sagt
Seitz. Der Kanton Zug sticht auch anderswo hervor. In keinem anderen Kanton in
der Schweiz bezahlen Schüler bei Tutor24.ch mehr für einen Nachhilfelehrer – im
Durchschnitt 37 Franken pro Stunde, wie die Zeitung «Blick am Abend» jüngst
schrieb. Der schweizerische Durchschnitt liegt bei 33 Franken pro Stunde, in Luzern
und Nidwalden sind es 32 Franken. In den Zentralschweizer Kantonen erwarten
Tutoren aus Obwalden am wenigsten Lohn – 29 Franken pro Lektion beträgt dieser
im Durchschnitt. Für den Kanton Uri liegen keine Erkenntnisse vor, da zu wenige
Daten vorhanden sind.
Bezüglich
den Fächern reiht sich unsere Region in den Schweizer Durchschnitt ein, wie
eine Auswertung zeigt, die Seitz für unsere Zeitung vornahm. Über 52 Prozent
der Anfragen aus der Zentralschweiz beziehen sich auf Nachhilfe in Mathematik –
26 Prozent auf Deutsch. Mit deutscher Grammatik und Rechtschreibung scheinen
insbesondere Zuger und Schwyzer Probleme zu haben. In diesen Kantonen liegen
die Anfragen gut 8 Prozent über dem Durchschnitt, der bei 24 Prozent liegt.
Hingegen nehmen Schwyzer und Zuger deutlich weniger Nachhilfe in Französisch in
Anspruch. Woher diese Unterschiede? Seitz sagt: «In Kantonen, die wohl aus
wirtschaftlichen Gründen viele ausländische Zuzüger haben, etwa
Englischsprachige, ist es den Eltern wichtig, dass ihre Kinder als Erstes die
lokale Sprache beherrschen.» Allgemein sei der Boom nach Nachhilfelehrern wohl
damit zu erklären, «dass der Druck für die Schüler und die Erwartungshaltung
der Eltern an ihre Kinder zugenommen hat».
Schüler
können Erwartungen nicht erfüllen
Man
stelle fest, dass «die Erwartungen einiger Eltern an den Bildungserfolg ihrer
Kinder zu hoch sind», sagt Charles Vincent, Leiter der Dienststelle
Volksschulbildung des Kantons Luzern. Deshalb würden Eltern für ihre Kinder
zunehmend solche Nachhilfeprogramme suchen. Doch stehen nicht auch die
Volksschulen in der Pflicht, wenn Schüler nur noch mittels privater Nachhilfe
Schritt halten können? «Ich denke, dass diese Zunahme nur bedingt eine
Rückmeldung an die Schule ist», sagt Vincent. «Es zeigt eher, dass die Eltern eine
andere Erwartung an die Schulen haben, als die Kinder erfüllen können.» Es sei
klar, dass die Volksschule alle Kinder fördern müsse. «Mit der zunehmenden
individuellen Förderung versucht die Schule dieser Zielsetzung auch gerecht zu
werden.»
Längst
nicht alle Eltern können sich einen Nachhilfelehrer leisten. Eine Studie der
schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung kam bereits 2012 zum
Schluss, dass durch private Nachhilfe die Chancengleichheit verletzt wird. Auch
deshalb würden viele Schulen als Teil der Tagesstrukturen oder auch unabhängig
davon Hausaufgabenhilfe anbieten, sagt dazu Vincent. «Es ist sinnvoll, wenn
Lernende bei den Hausaufgaben unterstützt werden. Denn die
Erziehungsberechtigten können und wollen dies häufig nicht wahrnehmen.» Zudem
seien diese Angebote kostengünstig oder unentgeltlich, womit auch Kinder aus
bildungsfernen Familien diese beanspruchen können.
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