8. Januar 2017

Steigende Zahl von Handy-Delikten

Die Zahl der Handy-Delikte von Teenagern wächst. Jetzt zeigt eine Erhebung: Männliche Jugendliche verbreiten im Netz eher Pornografie, weibliche eher Beleidigungen.
Jugendliche machen sich kaum Gedanken über die Konsequenzen ihres Handelns. Bild: Getty Images
Sex-Filme im Klassen-Chat, NZZaS, 8.1.von Lukas Häuptli
 
Es war ein Klassen-Chat, wie es sie zu Tausenden gibt. Ein Chat, an dem Schüler und Schülerinnen einer Klasse via Handy mitmachen und in dem sie sich über Hausaufgaben und Prüfungen, aber auch über Partys und Konzerte austauschen. Im besagten Klassen-Chat tauchten allerdings plötzlich auch Fotos und Videos mit Pornografie und Gewaltdarstellungen auf. Manche waren harmlos, manche nicht: Auf einem Film trennte sich ein Mann vor laufender Kamera die Genitalien ab. Die Schüler und Schülerinnen des Chats waren noch nicht 16-jährig.

Gegen den Jugendlichen, der die Aufnahmen in den Klassen-Chat gestellt hatte, wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Es war und ist nicht das einzige: Die Jugendanwaltschaften führen mittlerweile gegen Dutzende Jugendliche Verfahren wegen verbotener Pornografie. Allein im Kanton Zürich waren es von 2013 bis 2015 deren 205; in den drei Jahren davor waren es erst 26 gewesen. Das geht aus einer Erhebung hervor, welche die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich in der zweiten Hälfte 2016 gemacht hat.

Die Lust am Provozieren
Ein ähnliches Bild zeigt sich im Kanton Aargau: Die dortige Jugendanwaltschaft hatte 2015 gegen 28 Jugendliche Strafverfahren wegen verbotener Pornografie geführt. Letztes Jahr waren es bereits 58. «Wir gehen davon aus, dass es daneben eine grosse Dunkelziffer gibt und dass diese Verfehlungen zunehmen», sagt Hans Melliger, Leiter der Aargauer Jugendanwaltschaft. Andere Jugendanwaltschaften bestätigen diese Entwicklung. Die meisten führen allerdings keine Statistiken zu einzelnen Delikten.

«Je mehr problematische Inhalte im Netz verfügbar sind, desto grösser dürfte die Gefahr der missbräuchlichen Nutzung sein», sagt dazu Patrik Killer, Leiter der Jugendanwaltschaft Zürich-Stadt. Er ist zusammen mit Sarah Reimann von der Oberjugendanwaltschaft für die Erhebung verantwortlich. «Viele Jugendliche begehen Pornografie-Delikte aus einer Mischung aus Langeweile, Mangel an Selbstkontrolle und Lust am Provozieren», erklärt er weiter. Oft spielten auch der Gruppendruck sowie das Heischen nach Aufmerksamkeit und Anerkennung eine Rolle. «Fast allen Fällen gemeinsam ist aber, dass sich die Jugendlichen kaum Gedanken über die Konsequenzen ihres Handelns machen.» Verena Schmid von der Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt ergänzt: «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Jugendlichen sehr gut vernetzt sind und entsprechende Videos sehr schnell im ganzen Bekanntenkreis zirkulieren. Das stellt für die Opfer eine grosse Belastung dar.»
Die Zürcher Erhebung zeigt nicht nur, welche Pornografie-Delikte die Jugendlichen auf ihren Handys begehen, sondern auch, wie sie sie begehen. In fast fünfzig Prozent der Fälle stellten die Jugendlichen Porno-Videos in Chats. In rund zwanzig Prozent wurden Sex-Fotos und -Videos gegen den Willen der Betroffenen veröffentlicht, und in weiteren rund zwanzig Prozent drehten Jugendliche selbst Videos mit sexuellen Handlungen. All das stellt das Schweizer Jugendstrafrecht unter Strafe.

Was die Erhebung auch zeigt: Mehr als drei Viertel der Pornografie-Delikte wurden von männlichen Jugendlichen begangen. Ganz anders verhält es sich bei Ehrverletzungs-Delikten; auch sie werden mehrheitlich per Handy und an Computern begangen. Hier waren mehr als fünfzig Prozent der Delinquierenden weibliche Jugendliche.
Die Jugendanwaltschaften des Kantons Zürich haben zwischen 2013 und 2015 total 171 Strafverfahren wegen Ehrverletzungs-Delikten geführt; bei mehr als hundert erfolgten sie per Handy oder am Computer, vor allem per Textnachrichten, in sozialen Netzwerken oder auf Internet-Seiten.

«Bin leicht zu haben»
«Die Beschimpfungen und Beleidigungen im Netz sind in manchen Fällen schon sehr heftig», sagt Patrik Killer dazu. So hätten Jugendliche in mehreren Fällen auf Dating-Plattformen falsche Profile von anderen Jugendlichen erstellt. Auf diesen Profilen fänden sich dann jeweils beleidigende oder anzügliche Aussagen wie «Bin leicht zu haben».
«Unter den Motiven dafür, dass weibliche Jugendliche Ehrverletzungen begehen, findet sich fast immer Eifersucht», erklärt Killer weiter. Die Verleumdungen und Beschimpfungen hätten weitreichende Folgen. «Den Jugendlichen ist oft nicht bewusst, dass das Internet kaum vergisst.»

In vielen Fällen von Handy-Delikten erstatten Eltern und Lehrer der geschädigten Jugendlichen Strafanzeige. Am Schluss der entsprechenden Verfahren steht oft eine sogenannt persönliche Leistung, wie sie das Jugendstrafgesetz vorsieht. Diese besteht häufig darin, dass Täter und Täterinnen an Medienkursen teilnehmen müssen, in denen sie im Umgang mit Medien geschult werden. In derartigen Fällen werden die Vergehen nicht ins Strafregister eingetragen. «Bei diesen Tätern handelt es sich in aller Regel um Einmal-Täter», sagt Killer. «Es geht darum, dass sie die Lehren aus den Delikten ziehen.»
Das Strafgesetz verbietet verschiedene Formen von Pornografie, unter anderem solche mit Minderjährigen, Gewalttätigkeiten und Tieren. Daneben wird bestraft, wer Pornografie Jugendlichen unter 16 Jahren zugänglich macht – was im eingangs erwähnten Fall der Sex-Filme und Sex-Fotos im Klassen-Chat geschah.


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