8. Januar 2017

Beseelter Redner geht

66 Jahre alt wird Christoph Eymann in diesem Jahr, und ob er weise ist, weiss wohl niemand so genau. Auf jeden Fall ist er ein beseelter Redner. Und da er den staatsmännischen Auftritt souverän beherrscht, fragten sich viele Basler, weshalb denn dieser gute Mann nicht dem Präsidialdepartement vorsteht. Zumal er auch noch fantastisch aussieht – das behaupten zumindest seine Bewunderinnen hartnäckig und verweisen dabei auf eine alte Umfrage, die ihn zum schönsten Parlamentarier der Schweiz kürte.
Eymann prägte die Basler Bildungslandschaft, Bild: Franziska Laur
Der Meister des Wortes, Basler Zeitung, 7.1. von Franziska Laur

Doch Eymann ist Bildungsdirektor, und das mit Leib und Seele. Obendrein ist der Sohn eines Reederei-Buchhalters ein Krampfer. Arbeitete er in jungen Jahren im Hotel Krafft als Nachtportier, um sein Jus-Studium zu verdienen, hat er heute – in einem Alter, wo andere sich auf das wohlverdiente Ruheteil zurückziehen – drei Ämter inne: Im Herbst 2015 wurde der LDP-Politiker in den Nationalrat gewählt, daneben blieb er Basler Erziehungsdirektor und ist seit drei Jahren Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren.
Zum Sparen gezwungen
Vier Legislaturperioden hat er als Regierungsrat abverdient, wenn er am 7. Februar zurücktritt. 16 Jahre, in denen er die Bildungsreform durchgezogen hat. 16 Jahre, in denen er jedoch auch die zentrale Verwaltung des Erziehungsdepartements massiv aufgestockt hat. Er dürfte daher einer der wenigen Regierungsräte gewesen sein, die vom Parlament eine Budgetkürzung in ihrem Departement verpasst bekamen.

Das kam so: Im Jahr 2012 stellte der Grünliberale David Wüest Rudin den Antrag, in der Bildungsverwaltung insgesamt 600 000 Franken zu sparen, da sich der Nettoaufwand für Administration und Generalsekretariat innert acht Jahren verdoppelt habe. Die Verwaltungsausgaben stiegen von neun auf 18 Millionen Franken, während bei den Lehrern und Schülern nur drei Prozent mehr ausgegeben wurden. Ein krasses Missverhältnis also und für die Parlamentarier ein Indiz, dass der Verwaltungsapparat im Bildungswesen aufgebläht ist. Sie sprachen denn auch von einem «Wasserkopf» und von «Zeichen setzen». Der Antrag zur Budgetkürzung wurde auch von vielen Linken gestützt und angenommen.

Fast legendär ist Eymanns Fähigkeit zur freien Rede. Doch häufig scheinen seine beseelten, einfühlsamen Worte Schall und Rauch zu sein. Das hat ­BastA!-Grossrätin Heidi Mück erlebt, die lange in Kleinklassen gearbeitet hat: «Sein erster Auftritt an einer Schulsynode war ein Lehrstück. Er hat gesagt, er sehe, wie belastet die Lehrer sind.» Er habe das Projekt HoT (Help our Teachers) vorgestellt und die Herzen der Lehrer seien ihm zugeflogen. «Doch man hat von diesem Projekt nie mehr etwas gehört.» Mück hat im Parlament viele Sträusse mit Eymann ausgefochten. «Durch die konzeptlose und überstürzte Einführung der integrativen Schulung hat er viel Geschirr zerschlagen.» So strich er die Einführungs- und Kleinklassen sowie die Zusammenarbeit mit der Sprachheilschule und dem Verein Jugend und Familie. Mück räumt jedoch ein, dass ihm zu verdanken ist, dass Harmos und die Einführung des Lehrplans 21 in Basel unaufgeregt über die Bühne gegangen sind.

Das sagt auch FDP-Grossrat Luca Urgese: «Er hat die Bildungslandschaft unseres Kantons in den letzten Jahren sehr stark geprägt. Es ist sein Verdienst, dass die dringend nötige Bildungsreform relativ geräuschlos und mit Unterstützung der Lehrerschaft über die Bühne ging.» Allerdings hätte sich Urgese bei Themen wie der integrativen Schule oder den Tagesstrukturen mehr Bereitschaft gewünscht, über Alternativmodelle zu diskutieren.
David Wüest Rudin zieht eine ähnliche Bilanz. Er attestiert Eymann viel Herzblut und kompetenten Einsatz als Erziehungsdirektor. Doch neben dem Augenmerk auf eine bessere Verteilung der Gelder im Bildungsdepartement hätte er sich eine liberalere Haltung in Bezug auf Vielfalt und Wahl der Schulen gewünscht.
Die Mimose
Auf Kritik reagiert Christoph Eymann äusserst empfindlich. Da verliert der Herr über 5000 Mitarbeiter schon mal die Fassung und schreibt in aller Herrgottsfrühe seitenlange E-Mails mit Belehrungen oder erteilt vor versammeltem Parlament Rüffel. Doch manchmal scheint auch ihn die Ahnung zu beschleichen, dass nicht alle Entscheide der Bildungsbürokratie, die Lehrer und Kinder in den Schulstuben auszubaden haben, weise sind. So bezeichnete er vor über zwei Jahren in der NZZ am Sonntag die integrative Förderung als grosse Baustelle und äusserte den Verdacht, dass man sich mehr vorgenommen habe, als das System leisten könne. Doch geändert hat er daran gar nichts. Gar Linken und gemässigten Bürgerlichen wurde jedoch die übereifrige Bildungspolitik des Christoph Eymann manchmal zu viel. So hat CVP-Grossrätin Helen Schai-Zigerlig, einst Religionslehrerin, manches Mal erlebt, wie viel Energie die Lehrer die Integration von verhaltensauffälligen und behinderten Kindern in die Normalklassen kostet. Auch dem Frühfranzösisch, das Eymann stets verteidigt hat, steht sie skeptisch gegenüber. «Viele Kinder müssten zuerst Deutsch lernen, bevor sie eine zusätzlich Fremdsprache in Angriff nehmen müssen.»
Unbequeme Studie verunglimpft
Doch gerade beim Thema Frühsprachen kennt Eymann kein Pardon. Als eine viel beachtete Studie der Zürcher Linguistin Simone Pfenninger im Jahr 2014 nachwies, dass der frühe Fremdsprachenunterricht sogar kontraproduktiv sein kann, da gute Kenntnisse der Muttersprache die entscheidende Basis für weiteres Sprachlernen sind, erklärte er die Studie kurzerhand als qualitativ ungenügend und berief sich auf Hypothesen, die sich später als unhaltbar erwiesen.

Gar unter den Lehrern, die ihm grundsätzlich wohlgesinnt sind, schwand die Bewunderung, als Eymann durchsetzte, dass in Basel als einem der ersten Kantone der umstrittene Lehrplan 21 eingeführt werde. Trotzdem, die meisten Pädagogen stehen hinter ihm: «Er hat sich stets stark für die Lehrer und die Bildung eingesetzt und durch geschickte Kommunikation und seine vermittelnde Art viel erreicht», sagt CVP-Grossrat Oswald Inglin. Daher sei in Basel auch die Diskussion um den Lehrplan 21 oder das Frühfranzösisch weit weniger heftig entbrannt als in anderen Kantonen. Er, als Konrektor am Holbein- und Leonhard-Gymnasium, habe Eymann stets als fair, dossiersicher und humorvoll erlebt.

Auch privat hat sich Eymann viele Freunde und noch mehr Freundinnen schaffen können. Zumindest in jungen Jahren fehlte ihm kaum je eine Frau an der Seite. Und dabei setzte der Gentleman häufig auf blond und blauäugig: Die Millionenerbin Daniela Spillmann gehörte zu seinen Freundinnen, wie auch die Vollblut-Politikerin und heutige LDP-Grossrätin Patricia von Falkenstein, mit der er zwei Kinder hat. Auch Corinne Eymann-Baier, mit der er verheiratet ist und eine Tochter hat, gehört ins Muster blond. Doch beim Äusseren hört das Klischee auf, denn er umgibt sich vorzugsweise mit smarten, taffen Frauen, die durchaus eigenständig handeln und denken.


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