66 Jahre alt wird
Christoph Eymann in diesem Jahr, und ob er weise ist, weiss wohl niemand so
genau. Auf jeden Fall ist er ein beseelter Redner. Und da er den
staatsmännischen Auftritt souverän beherrscht, fragten sich viele Basler,
weshalb denn dieser gute Mann nicht dem Präsidialdepartement vorsteht. Zumal er
auch noch fantastisch aussieht – das behaupten zumindest seine Bewunderinnen
hartnäckig und verweisen dabei auf eine alte Umfrage, die ihn zum schönsten
Parlamentarier der Schweiz kürte.
Eymann prägte die Basler Bildungslandschaft, Bild: Franziska Laur
Der Meister des Wortes, Basler Zeitung, 7.1. von Franziska Laur
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Doch Eymann ist
Bildungsdirektor, und das mit Leib und Seele. Obendrein ist der Sohn eines
Reederei-Buchhalters ein Krampfer. Arbeitete er in jungen Jahren im Hotel
Krafft als Nachtportier, um sein Jus-Studium zu verdienen, hat er heute – in
einem Alter, wo andere sich auf das wohlverdiente Ruheteil zurückziehen – drei
Ämter inne: Im Herbst 2015 wurde der LDP-Politiker in den Nationalrat gewählt,
daneben blieb er Basler Erziehungsdirektor und ist seit drei Jahren Präsident
der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren.
Zum Sparen gezwungen
Vier Legislaturperioden
hat er als Regierungsrat abverdient, wenn er am 7. Februar zurücktritt. 16
Jahre, in denen er die Bildungsreform durchgezogen hat. 16 Jahre, in denen er
jedoch auch die zentrale Verwaltung des Erziehungsdepartements massiv
aufgestockt hat. Er dürfte daher einer der wenigen Regierungsräte gewesen sein,
die vom Parlament eine Budgetkürzung in ihrem Departement verpasst bekamen.
Das kam so: Im Jahr 2012
stellte der Grünliberale David Wüest Rudin den Antrag, in der
Bildungsverwaltung insgesamt 600 000 Franken zu sparen, da sich der
Nettoaufwand für Administration und Generalsekretariat innert acht Jahren
verdoppelt habe. Die Verwaltungsausgaben stiegen von neun auf 18 Millionen
Franken, während bei den Lehrern und Schülern nur drei Prozent mehr ausgegeben
wurden. Ein krasses Missverhältnis also und für die Parlamentarier ein Indiz,
dass der Verwaltungsapparat im Bildungswesen aufgebläht ist. Sie sprachen denn
auch von einem «Wasserkopf» und von «Zeichen setzen». Der Antrag zur
Budgetkürzung wurde auch von vielen Linken gestützt und angenommen.
Fast legendär ist Eymanns
Fähigkeit zur freien Rede. Doch häufig scheinen seine beseelten, einfühlsamen
Worte Schall und Rauch zu sein. Das hat BastA!-Grossrätin Heidi Mück erlebt,
die lange in Kleinklassen gearbeitet hat: «Sein erster Auftritt an einer
Schulsynode war ein Lehrstück. Er hat gesagt, er sehe, wie belastet die Lehrer
sind.» Er habe das Projekt HoT (Help our Teachers) vorgestellt und die Herzen
der Lehrer seien ihm zugeflogen. «Doch man hat von diesem Projekt nie mehr
etwas gehört.» Mück hat im Parlament viele Sträusse mit Eymann ausgefochten.
«Durch die konzeptlose und überstürzte Einführung der integrativen Schulung hat
er viel Geschirr zerschlagen.» So strich er die Einführungs- und Kleinklassen
sowie die Zusammenarbeit mit der Sprachheilschule und dem Verein Jugend und
Familie. Mück räumt jedoch ein, dass ihm zu verdanken ist, dass Harmos und die
Einführung des Lehrplans 21 in Basel unaufgeregt über die Bühne gegangen sind.
Das sagt auch FDP-Grossrat
Luca Urgese: «Er hat die Bildungslandschaft unseres Kantons in den letzten
Jahren sehr stark geprägt. Es ist sein Verdienst, dass die dringend nötige
Bildungsreform relativ geräuschlos und mit Unterstützung der Lehrerschaft über
die Bühne ging.» Allerdings hätte sich Urgese bei Themen wie der integrativen
Schule oder den Tagesstrukturen mehr Bereitschaft gewünscht, über
Alternativmodelle zu diskutieren.
David Wüest Rudin zieht
eine ähnliche Bilanz. Er attestiert Eymann viel Herzblut und kompetenten
Einsatz als Erziehungsdirektor. Doch neben dem Augenmerk auf eine bessere
Verteilung der Gelder im Bildungsdepartement hätte er sich eine liberalere
Haltung in Bezug auf Vielfalt und Wahl der Schulen gewünscht.
Die Mimose
Auf Kritik reagiert
Christoph Eymann äusserst empfindlich. Da verliert der Herr über 5000
Mitarbeiter schon mal die Fassung und schreibt in aller Herrgottsfrühe
seitenlange E-Mails mit Belehrungen oder erteilt vor versammeltem Parlament
Rüffel. Doch manchmal scheint auch ihn die Ahnung zu beschleichen, dass nicht
alle Entscheide der Bildungsbürokratie, die Lehrer und Kinder in den
Schulstuben auszubaden haben, weise sind. So bezeichnete er vor über zwei
Jahren in der NZZ am Sonntag die integrative Förderung als grosse
Baustelle und äusserte den Verdacht, dass man sich mehr vorgenommen habe, als
das System leisten könne. Doch geändert hat er daran gar nichts. Gar Linken und
gemässigten Bürgerlichen wurde jedoch die übereifrige Bildungspolitik des
Christoph Eymann manchmal zu viel. So hat CVP-Grossrätin Helen Schai-Zigerlig,
einst Religionslehrerin, manches Mal erlebt, wie viel Energie die Lehrer die
Integration von verhaltensauffälligen und behinderten Kindern in die
Normalklassen kostet. Auch dem Frühfranzösisch, das Eymann stets verteidigt
hat, steht sie skeptisch gegenüber. «Viele Kinder müssten zuerst Deutsch
lernen, bevor sie eine zusätzlich Fremdsprache in Angriff nehmen müssen.»
Unbequeme Studie verunglimpft
Doch gerade beim Thema
Frühsprachen kennt Eymann kein Pardon. Als eine viel beachtete Studie der
Zürcher Linguistin Simone Pfenninger im Jahr 2014 nachwies, dass der frühe
Fremdsprachenunterricht sogar kontraproduktiv sein kann, da gute Kenntnisse der
Muttersprache die entscheidende Basis für weiteres Sprachlernen sind, erklärte
er die Studie kurzerhand als qualitativ ungenügend und berief sich auf
Hypothesen, die sich später als unhaltbar erwiesen.
Gar unter den Lehrern, die
ihm grundsätzlich wohlgesinnt sind, schwand die Bewunderung, als Eymann
durchsetzte, dass in Basel als einem der ersten Kantone der umstrittene
Lehrplan 21 eingeführt werde. Trotzdem, die meisten Pädagogen stehen hinter
ihm: «Er hat sich stets stark für die Lehrer und die Bildung eingesetzt und
durch geschickte Kommunikation und seine vermittelnde Art viel erreicht», sagt
CVP-Grossrat Oswald Inglin. Daher sei in Basel auch die Diskussion um den
Lehrplan 21 oder das Frühfranzösisch weit weniger heftig entbrannt als in
anderen Kantonen. Er, als Konrektor am Holbein- und Leonhard-Gymnasium, habe
Eymann stets als fair, dossiersicher und humorvoll erlebt.
Auch privat hat sich
Eymann viele Freunde und noch mehr Freundinnen schaffen können. Zumindest in
jungen Jahren fehlte ihm kaum je eine Frau an der Seite. Und dabei setzte der
Gentleman häufig auf blond und blauäugig: Die Millionenerbin Daniela Spillmann
gehörte zu seinen Freundinnen, wie auch die Vollblut-Politikerin und heutige
LDP-Grossrätin Patricia von Falkenstein, mit der er zwei Kinder hat. Auch
Corinne Eymann-Baier, mit der er verheiratet ist und eine Tochter hat, gehört
ins Muster blond. Doch beim Äusseren hört das Klischee auf, denn er umgibt sich
vorzugsweise mit smarten, taffen Frauen, die durchaus eigenständig handeln und
denken.
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