9. Januar 2017

Behördenpropaganda im Aargau

Am 12. Februar 2017 gelangt unsere Initiative „Ja zu einer guten Bildung – Nein zum Lehrplan 21“ zur Abstimmung. Im Vorfeld der Abstimmung zeigt sich nun immer mehr, dass die Gegnerschaft der Initiative – anstatt eine sachliche Diskussion zu führen – in unzulässiger Weise Abstimmungspropaganda betreibt, wie sie einer demokratischen Debatte unwürdig ist.
Behördenpropaganda und Falschinformationen des BKS, 9.1., Medienmitteilung Komitee "Ja zu einer guten Bildung - Nein zum Lehrplan 21"


Konkret wehren wir uns als Komitee entschieden gegen eine kurz vor Weihnachten gestartete Top-down-Aktion des Verbandes Schulleiterinnen und Schulleiter Kanton Aargau (VSLAG). Dieser Verband versucht die Stimmbevölkerung des Kantons Aargau manipulativ zu beeinflussen, indem er via Schulleitungen und Lehrerschaft einen einseitigen mit unwahren Behauptungen gespickten „Musterbrief“ streuen will, der mit offiziellem Schullogo im Namen von Schulpflege und Schullei-tung offensichtlich an alle Eltern gelangen soll. Die Botschaft ist klar: die Bildungsinitiative sei „dringend“ abzulehnen.

Wir haben nun mit einer Mitteilung die Schulpflegen und die Gemeinderäte des Kantons aufgefordert, diese Aktion umgehend zu stoppen. Hier werden nämlich offizielle Informationskanäle der Schule krass missbraucht und die behördliche Pflicht zu objektiver Information missachtet. Würde eine Schulbehörde gemäss diesem Muster agieren, so wäre dies eine nicht tolerierbare Abstimmungspropaganda und eine klare Verletzung von Art. 34f. der Bundesverfassung (Schutz der freien Willensbildung und Wahrnehmung staatlicher Aufgaben).

Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an eine Schüleraktion Anfang November 2016. Damals verbot Regierungsrat Alex Hürzeler Kantonsschülern, Plakate gegen den geplanten Bildungsabbau auf dem Schulgelände aufzuhängen und hat dies als unzulässige politische Propaganda bezeichnet. Das BKS gab damals zu Protokoll: „Gemäss Schulgesetz sind die Schulen im Aargau politisch und konfessionell neutral. Das BKS vertritt deshalb die Auffassung, dass politische Aktionen ausserhalb des Schulareals stattzufinden haben.“
Hinzu kommt, dass der VSLAG-Musterbrief an die Eltern ausgerechnet von einem kantonalen Beamten, nämlich von Tobias Obrist (im BKS mitverantwortlich für die Einführung des neuen Lehr-plans), stammt. Das ist skandalös und müsste Konsequenzen haben. Es ist ein weiteres Beispiel für die Aktivität und Verflechtung der Bildungsverwaltung mit der Schulverwaltung, welche sich an das Gebot der Ausgewogenheit zu halten hätten und sich gerade im Vorfeld einer Volksabstim-mung in Zurückhaltung üben sollten.
Abgesehen von dieser manipulativen Abstimmungspropaganda müssen wir noch auf ein falsches Argument der Initiativgegner eingehen. Ein Hauptargument des Departements BKS war von Anfang an, dass die Aufzählung der Fächer im vorgeschlagenen neuen Paragraphen 13 des Schul-gesetzes „abschliessend“ sei. Bis heute bringt die Gegnerschaft der Initiative dieses Argument immer wieder ein und behauptet, der vorgeschlagene Fächerkanon sei ein starres Korsett und schränke das Bildungsangebot ein.
Zu dieser Frage haben wir den renommierten Staatsrechtsprofessor Dr. Rainer J. Schweizer (Universität St. Gallen) um eine juristische Stellungnahme gebeten. Zusammenfassend hält er fest, „dass die neue Bestimmung im Blick auf allfällige Ergänzungen des Fächerkanons keine abschliessende Regelung enthält“. Er begründet dies unter anderem mit den folgenden vier Argumenten:

1. „Nach dem Wortlaut der Initiative ‚enthält‘ der Fächerkanon gewisse Fächer; ‚enthalten‘ bedeutet gemäss Duden ‚zum Inhalt haben, umfassen; in sich haben, tragen‘. Diese Bedeutung von ‚enthält‘ schliesst nicht aus, dass auch noch weitere Fächer in den Lehrplan aufgenommen werden könnten. § 13 Abs. 3 stellt bloss eine Auflistung der grundlegenden Fächer auf, was keineswegs heisst, dass keine zusätzlichen Fächer angeboten werden könnten; es wird kein explizites Verbot statuiert.“

2. Mindestens vor der Annahme einer Initiative müsse auch „auf den Willen der Initianten abgestellt werden, wobei diesen unterstellt werden darf, dass sie dem Gemeinwohl dienen wollen“. Und weiter: „Durch die Auflistung wollte das Initiativkomitee sicherstellen, dass die wesentlichen Fächer auch tatsächlich unterrichtet werden. Die Initianten scheinen jedoch nicht explizit eine abschlies-sende Aufzählung gewollt zu haben und nicht andere Fächer (wie z.B. ein fakultatives Zusatzangebot) verhindern zu wollen.“

3. Des Weiteren habe der Regierungsrat nach wie vor die Kompetenz, den Fächerkanon auf Verordnungsebene zu gestalten, denn der „vorgeschlagene Artikel äussert sich nicht explizit zur Rolle des Regierungsrates und ob dieser allenfalls Konkretisierungen auf Verordnungsstufe vornehmen könnte“ (vgl. dazu § 91 Abs. 2 KV Aargau). Auf diese Weise könnte der Regierungsrat den Fächerkanon zwar schneller abändern, aber damit gehe auch „ein Teil der demokratischen Legitimationsbasis verloren“.

4. „Da jeder Anspruch auf Bildung hat und ein hohes allgemeines Interesse der Bevölkerung besteht, mitzuentscheiden, was und in welcher Form den Kindern und Jugendlichen in den Schulen auf den Lebensweg mitgegeben wird, bestehen achtbare Gründe dafür, dass die zentralen Fächer auf Gesetzesstufe geregelt werden können. […] Nur weil es bis anhin entbehrlich war, den konkreten Lehrplaninhalt, wie die Aufzählung der Fächer, im formellen Gesetz zu verankern, heisst dies allerdings nicht, dass eine Verankerung auf Gesetzesstufe nicht möglich, ja sogar nötig sei.“

Mit der deutlichen Stellungnahme von Prof. Schweizer ist ein Hauptargument der Initiativgegner, nämlich die Aufzählung der Fächer sei „abschliessend“, klar widerlegt. Das BKS hat damit von Anfang an falsch informiert und versucht, die Initiative zu verunglimpfen.
Fazit: Anstelle einer sachlichen Diskussion über die Grundlagen unserer Volksschule versucht das BKS seit Einreichung der Bildungsinitiative diese mit Falschinformationen in ein schiefes Licht zu rücken, um damit den Grossen Rat sowie die Parteien und Verbände auf seine Seite zu ziehen. Und kurz vor dem Abstimmungstermin lanciert das BKS nun mit dem Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Kanton Aargau eine massive Behördenpropaganda, um eine Annahme der Volks-initiative „Ja zu einer guten Bildung – Nein zum Lehrplan 21“ zu verhindern. Diesen Eingriffen in die freie Meinungsbildung treten wir entschieden entgegen.

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