Obligatorischer Schwimmunterricht
verletzt die Religionsfreiheit nicht: Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte gibt der Schweiz im Fall von zwei Schülerinnen aus Basel recht.
Eltern aus Basel wehrten sich dagegen, ihre Töchter zum gemischten Schwimmunterricht zu schicken, Bild: Rolf Haid
Musliminnen müssen in Schwimmunterricht, Bund, 10.1.
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Indem die Schweizer Behörden den Besuch des gemischtgeschlechtlichen
Schwimmunterrichts für zwei muslimische Mädchen für obligatorisch erklärten,
haben sie die Religionsfreiheit der Betroffenen nicht verletzt. Dies hat der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)
betrifft den Fall einer in Basel wohnhaften Familie. Die sieben und neun Jahre
alten Mädchen besuchten dort im August 2008 eine Primarschule. Dem
obligatorischen Schwimmunterricht blieben sie jedoch fern. Gespräche mit den
Eltern, welche die Schweizer und die türkische Staatsbürgerschaft haben,
fruchteten nicht.
Eltern gebüsst
Das Erziehungsdepartement büsste die Eltern deshalb im Juli 2010 mit je
700 Franken – pro Tochter mit 350 Franken. Die schweizerischen Rekurs- und
Beschwerdeinstanzen wiesen die dagegen eingelegten Rechtsmittel ab. So
gelangten die Eltern an den EGMR.
Dieser hält in seinem am Dienstag publizierten Urteil fest, dass das
Interesse an der Integration der beiden Kinder und damit am Besuch sämtlicher
schulischer Fächer höher zu gewichten sei als die privaten Interessen der
Eltern, die eine Dispens aus religiösen Gründen gewünscht hatten.
Gemäss Gerichtshof geht es beim Schwimmunterricht nicht nur um das
Erlernen des Schwimmens, sondern auch um das gemeinsame Lernen im
Klassenverband und damit um die soziale Komponente. Zudem sei es den Mädchen
erlaubt worden, Burkinis zu tragen.
Strenge Glaubensregel
Die Eltern hatten sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Glaubens-
und Gewissensfreiheit ihnen ein Recht auf Dispensation ihrer beiden Töchter vom
gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht gewähre.
Sie seien deshalb nicht verpflichtet gewesen, ihre Kinder in diesen
Unterricht zu schicken. Somit hätten sie auch ihre Pflicht als Eltern nicht
verletzt, und die Ordnungsbusse hätte deshalb nicht ausgesprochen werden
dürfen.
Die Eltern machten geltend, dass sie sich zu einem strengen muslimischen
Glauben bekennen würden. Dieser verbiete einen gemeinsamen Schwimmunterricht
von Knaben und Mädchen.
Zwar verlange der Koran die Bedeckung des weiblichen Körpers erst ab der
Zeit der Geschlechtsreife. Jedoch untersage eine islamisch orientierte
Schamerziehung einen gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht schon vorher.
Rechtsprechung 2008 geändert
Das Bundesgericht hielt in seinem Urteil im März 2012 fest, die
Befolgung der besagten Glaubensregel falle unter den Schutz der Glaubens- und
Gewissensfreiheit. Allerdings berühre das Obligatorium nicht den Kernbereich
des Grundrechts.
Es führte aus, dass aufgrund des vorliegenden Falls kein Anlass bestehe,
die im Oktober 2008 festgelegte Rechtsprechung zu ändern. Das Bundesgericht hielt
damals fest, dass die multikulturelle Schulrealität verlange, dass Kinder aus
allen Kulturen in die in der Schweiz geltenden gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen eingebunden würden.
Dies sei eine Bedingung, um später am wirtschaftlichen und kulturellen
Leben teilzunehmen, um die Chancengleichheit zu garantieren und den sozialen
Frieden zu sichern. Diese Sicht stützt der EGMR.
Von Ausländern dürfe und müsse erwartet werden, dass sie zum
Zusammenleben mit der einheimischen Bevölkerung bereit seien und die hiesigen
sozialen und gesellschaftlichen Gegebenheiten akzeptierten.
Integration durch Schule
Das Bundesgericht hielt in seinem publizierten Entscheid zudem fest,
dass der Schule eine wichtige Funktion bei der sozialen Integration zukomme.
Die Schüler und Schülerinnen müssten deshalb die obligatorischen Fächer
besuchen.
Im Gegenzug müsse die Schule weltanschaulich neutral und laizistisch
sein. Im Rahmen der Bedeutung der Pflichtlektionen müsse eine Schule nicht für
alle persönlichen Wünsche eine abweichende Sonderregelung vorsehen oder
zulassen.
Basel-Stadt mit Urteil zufrieden
Der Kanton Basel-Stadt zeigt sich mit dem EGMR-Urteil zufrieden. Es
bestätige die Haltung, die der Kanton sehr sorgfältig bei Kindern aller
Religionszugehörigkeiten anwende, sagte der Basler Erziehungsdirektor Christoph
Eymann auf Anfrage. Basel-Stadt sehe die Volksschule als «Klammer um die
gesamte Bevölkerung».
Erfreut zeigte sich Eymann im Weiteren, dass der EGMR explizit gelobt
hat, dass den Kindern als Alternative das Tragen von Burkinis angeboten wurde.
Zu Diskussionen komme es zudem nur in Einzelfällen. (Verfahrensnummer 29086/12)
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