Mit der Schulqualität der Basler Schulen steht es seit Jahren nicht zum
Besten. Das zeigt sich immer wieder dann, wenn sich deren Abgänger fürs
Medizinstudium anmelden. Gegenüber anderen Kantonen scheitern die Basler
Maturanden überdurchschnittlich an der Numerus-clausus-Hürde. 78 Prozent der
Basler rasselten im Jahr 2015 durch, andere Schweizer Studenten nur zu 66 Prozent.
Grossangriff auf die Schul-Checks, Basler Zeitung, 10.1. von Daniel Wahl
Um die Basler Misserfolgsquote zu senken, befahl Regierungsrat Christoph
Eymann nicht etwa, die Qualität der Volksschule und damit die Kompetenz der
Schüler zu verbessern. Der Regierungsrat riet in der Antwort auf den Vorstoss
von Grossrätin Katja Christ (GLP), den Eintrittstest an vorhandenen Originalen
zu üben. Ein Trick, welcher den Baslern einen Vorsprung verschaffen sollte –
aber nur so lange, bis alle anderen Kantonsschulen auch an «vorhandenen
Originalen» üben. Klüger wird dabei kein Schüler.
Test üben statt
Wissen büffeln
Eymanns Schummeltrick, um besser dazustehen, als man ist, macht Schule.
Genau dann, wenn es um die Checks in den Primar- und Sekundarschulen geht, die
im Rahmen des Lehrplans 21 in den vier Nordwestschweizer Kantonen
eingeführt werden. «Finden Vergleichstests statt, so trainieren viele
Lehrpersonen ihre Schützlinge gezielt darauf, um brillieren zu können und gut
dazustehen. Andere wichtige Lerninhalte werden dadurch vernachlässigt. Das war
bei den bisherigen Orientierungsarbeiten so und wird auch bei den neuen Checks
der Fall sein», sagt Landrat Jürg Wiedemann (Grüne-Unabhängige). Der Lehrer
weiss es: An einigen Schulen gab es sogar von Schulleitungen Aufforderungen,
die Vergleichstest im Vorfeld zu üben. «Schulleitungen haben ein Interesse
daran, dass ihre Schule im Kantonsvergleich gut abschneidet», sagt Wiedemann.
Es sind kostbare Unterrichtsstunden, die «zum Test-Üben» verloren gehen.
Auch Basler Schüler müssen glänzen, wenn sie verglichen werden. «Das
erwarten die Eltern förmlich von ihren Klassenlehrern. Die Tests sind
standardisiert, darum sollen ihre Kinder auf die Schul-Checks vorbereitet
werden», erklärt Georg Geiger, Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte am
Leonhardsgymnasium. Das Test-Trainingsverhalten akzentuiert sich im besonderen
Masse dann, wenn die Checks bei der Bewerbung für eine Lehrstelle eingefordert
werden. Darum ist Geiger auch zum Schluss gekommen: «Solche Tests schwächen die
Qualität und die Akzeptanz des Schulzeugnisses.» Während ein Check eine Momentaufnahme
ist, dokumentiert das Schulzeugnis eine von Pädagogen begleitete Leistungsperiode
und sollte deshalb aussagekräftiger sein.
«Mit dem Unsinn der Checks soll aufgehört werden», das finden alle drei,
Landrat Wiedemann, Grossrätin Christ und Lehrer Geiger. Alle haben Vorstösse
eingereicht und werden diese einreichen, die entweder die Abschaffung, die
Teilabschaffung der Checks oder Alternativen zum Ziel haben. «Die
Leistungschecks verschlingen enorme personelle Ressourcen und finanzielle
Mittel», argumentiert Wiedemann in seiner Motion, die auf dem Land
parteiübergreifend von Grünliberalen, CVP- und SVP-Landräten unterstützt wird.
Gemäss Auskunft der Baselbieter Verwaltung betragen die jährlich
wiederkehrenden Kosten über eine halbe Million Franken. Die Entwicklung der
Checks dürfte den Kanton mehrere Millionen Franken gekostet haben. Die im
Baselbiet eingereichte Motion fordert die Reduktion der Checks auf einen
einzigen standardisierten Leistungstest auf Sekundarstufe 1. Damit wollen
die Politiker immerhin noch am Versprechen festhalten, dass die Volksschule
einen Vergleichstest für die Wirtschaft liefert. Die Einführung solcher Tests
wurde unter anderem mit dem Argument begründet, der Staat solle die Wirtschaft
entlasten, damit diese bei der Anstellung von Lehrlingen auf Aufnahmeprüfungen
verzichten könne.
Schulsynode wird
befragt
Weiter geht aber Gymnasiallehrer Georg Geiger. «Wenn die Wirtschaft
Checks braucht, soll sie sie machen.» Das sei nicht Aufgabe der Volksschule.
Auf seinen Antrag hin wird die Abschaffung der Checks an der Jahresversammlung
der Lehrersynode in Basel am 22. März diskutiert. Seine Resolution ist
unterschrieben von Lehrern aller Schulstufen.
Die Haltung der Schulsynode könnte dann die Reaktion des Erziehungsdepartements
in Basel entscheidend beeinflussen, wenn sie den Anzug von Grossrätin Katja
Christ beantworten muss. Die Politikerin wird ihren Vorstoss demnächst
einreichen. Sie fordert die Regierung dazu auf, Alternativen zum Check zu
prüfen und darüber zu berichten. Den Ansatz der Checks im Sinne einer
Qualitätskontrolle für die Schule hält sie zwar für richtig. Aber so wie sie
aufgegleist seien, erreichten sie das Ziel nicht und verfälschten das Resultat.
Zudem: «Die Kosten und der personelle Aufwand stehen im Vergleich zum Ergebnis
im Ungleichgewicht», sagt die Juristin. Christ ist zuversichtlich, dass ihr
Anzug von Vertretern aller Parteien in Basel unterzeichnet werden kann.
Gemäss heutigem Stand sind im Laufe der obligatorischen Schulzeit in der
dritten und sechsten Primarklasse (P3 und P6) sowie in der zweiten und dritten
Sekundarklasse (S2 und S3) solche Test in den Fächern Deutsch, Mathematik,
Französisch, Englisch und Naturwissenschaften vorgesehen. Zu Letzteren zählen
Biologie, Chemie und Physik. Mit den Checks werden die Orientierungsarbeiten
abgelöst.
Die neuen Checks gelten als Instrument des Lehrplans 21, um zu
überprüfen, ob die Klassenlehrer die 2304 Kompetenzschritte mit ihren Schülern
überhaupt trainieren. Zu kontrollieren, ob die Schule ihre Ziele erreicht, sei
auch auf anderem Weg möglich, ist Georg Geiger überzeugt.
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