7. Dezember 2016

"Massives Qualitätsproblem"

Die Schweiz schneidet in der Pisa-Studie passabel bis sehr gut ab. Kritisiert wird aber, wie die OECD den Test durchführte. Vergleiche mit früheren Jahren seien nicht mehr möglich, beanstandet der Lehrerverband.
Querelen um die Pisa-Studie, NZZ, 7.12. von Camilla Alabor und Simon Hehli

Auf den ersten Blick birgt die Pisa-Studie nicht viel Zündstoff. Die Ergebnisse der Tests zeigen in dieselbe Richtung wie vor drei Jahren: Die 15-jährigen Schweizer belegen im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz in der Mathematik, schneiden bei den Naturwissenschaften gut ab und sind beim Lesen Durchschnitt. Dennoch gibt die Studie dieses Jahr Anlass zu heftigen Diskussionen. Der Grund: Seit der letzten Erhebung hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die den Test durchführt, die Methodik angepasst. So füllten die Schüler den Test am Computer aus, während früher Papier und Bleistift zum Einsatz kamen. Zudem weist die Schweizer Stichprobe einen um zehn Prozentpunkte höheren Anteil von Fremdsprachigen auf als beim letzten Mal, womit diese übervertreten sind.

«Wieder bei null»
Wegen solcher Änderungen seien die Ergebnisse nicht mehr direkt vergleichbar mit früheren Studien, kritisiert der Dachverband der Schweizer Lehrer. Unklar sei auch, wie aussagekräftig die Vergleiche zwischen den Ländern seien. Dies sei «ärgerlich und unprofessionell», sagt Jürg Brühlmann, Leiter Pädagogik beim Lehrerverband. «Jetzt fängt man wieder bei null an.»

Auch die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren spricht von einem «massiven Qualitätsproblem». Eine Interpretation der Ergebnisse sei momentan nicht möglich. Die Kantone stören sich insbesondere daran, dass die OECD im Vorfeld der Erhebung nicht auf die Einwände der Schweiz eingegangen sei. Die zahlenden Länder müssten ein Wörtchen mitzureden haben, heisst es in einem Communiqué sinngemäss.

Die Erziehungsdirektoren und der Lehrerverband fordern von der OECD Antworten auf ihre Fragen. So will der Lehrerverband wissen, wie sich die veränderte Testmethode auf die Ergebnisse ausgewirkt hat. Sonst wollen die Lehrer darauf drängen, die 3,3 Millionen Franken in das nationale Bildungsmonitoring zu investieren statt in die Pisa-Studie. Für Jürg Brühlmann vom Lehrerverband ist deshalb klar: «Die Diskussionen um die Methodik gehen jetzt erst los.»

Gleichzeitig kann die Schweiz auf die OECD nur begrenzt Einfluss nehmen – gerade vor dem Hintergrund, dass diese die Anzahl der teilnehmenden Länder ausweiten möchte. Schon heute beteiligen sich neben den 35 Mitgliedstaaten 37 weitere Länder an der Pisa-Studie. Am Ende bleibt der Schweiz wohl nur die Wahl, bei der Studie mitzumachen und dabei gewisse Unzulänglichkeiten zu akzeptieren oder ganz auszusteigen.

Allerdings hätte es die Schweiz in der Hand gehabt, zumindest einen Fehler aufzufangen: die Übervertretung von Fremdsprachigen in der Stichprobe. «Eine Verzerrung ist leichter möglich, wenn – wie bei der aktuellen Studie – deutlich weniger Schüler getestet werden», sagt Stefan Wolter von der Schweizer Koordinationsstelle für Bildungsforschung. Bei etwas über hundert teilnehmenden Schulen falle es schnell ins Gewicht, wenn bei einigen der Anteil Fremdsprachiger überdurchschnittlich hoch sei. «Das hätte man verhindern können, indem man vor der Datenerhebung abgeklärt hätte, wie repräsentativ das Total der gewählten Schulen ist.»

Politiker geteilter Meinung
Mit der Grundsatzkritik des Lehrerverbands an der Pisa-Studie kann FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen wenig anfangen. Er findet es gut, dass sich die Schweizer Schüler im internationalen Wettbewerb messen. «Es braucht eine Vergleichbarkeit der Leistungen sowohl im In- wie auch im Ausland.» Die Resultate zeigten, dass die Schweiz auf dem richtigen Weg sei. SP-Nationalrat Matthias Aebischer hält die Studie wegen Mängeln in der Methodik dagegen nur für «halb relevant». Wichtiger seien ohnehin die reellen Leistungen des Schulsystems: «Statt wie andere Länder die Bildung voll auf Rankings auszurichten, bringen wir unseren Kindern die Kompetenzen bei, die sie im Alltag und später im Beruf auch wirklich brauchen.»



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