Die Schweiz schneidet in der Pisa-Studie passabel bis sehr gut ab.
Kritisiert wird aber, wie die OECD den Test durchführte. Vergleiche mit
früheren Jahren seien nicht mehr möglich, beanstandet der Lehrerverband.
Querelen um die Pisa-Studie, NZZ, 7.12. von Camilla Alabor und Simon Hehli
Auf den
ersten Blick birgt die Pisa-Studie nicht viel Zündstoff. Die Ergebnisse der
Tests zeigen in dieselbe Richtung wie vor drei Jahren: Die 15-jährigen
Schweizer belegen im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz in der
Mathematik, schneiden bei den Naturwissenschaften gut ab und sind beim Lesen
Durchschnitt. Dennoch gibt die Studie dieses Jahr Anlass zu heftigen
Diskussionen. Der Grund: Seit der letzten Erhebung hat die Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die den Test durchführt,
die Methodik angepasst. So füllten die Schüler den Test am Computer aus,
während früher Papier und Bleistift zum Einsatz kamen. Zudem weist die
Schweizer Stichprobe einen um zehn Prozentpunkte höheren Anteil von
Fremdsprachigen auf als beim letzten Mal, womit diese übervertreten sind.
«Wieder bei null»
Wegen solcher Änderungen seien die Ergebnisse nicht mehr direkt
vergleichbar mit früheren Studien, kritisiert der Dachverband der Schweizer
Lehrer. Unklar sei auch, wie aussagekräftig die Vergleiche zwischen den Ländern
seien. Dies sei «ärgerlich und unprofessionell», sagt Jürg Brühlmann, Leiter
Pädagogik beim Lehrerverband. «Jetzt fängt man wieder bei null an.»
Auch die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren spricht von
einem «massiven Qualitätsproblem». Eine Interpretation der Ergebnisse sei
momentan nicht möglich. Die Kantone stören sich insbesondere daran, dass die
OECD im Vorfeld der Erhebung nicht auf die Einwände der Schweiz eingegangen
sei. Die zahlenden Länder müssten ein Wörtchen mitzureden haben, heisst es in
einem Communiqué sinngemäss.
Die Erziehungsdirektoren und der Lehrerverband fordern von der
OECD Antworten auf ihre Fragen. So will der Lehrerverband wissen, wie sich die
veränderte Testmethode auf die Ergebnisse ausgewirkt hat. Sonst wollen die
Lehrer darauf drängen, die 3,3 Millionen Franken in das nationale
Bildungsmonitoring zu investieren statt in die Pisa-Studie. Für Jürg Brühlmann
vom Lehrerverband ist deshalb klar: «Die Diskussionen um die Methodik gehen
jetzt erst los.»
Gleichzeitig kann die Schweiz auf die OECD nur begrenzt Einfluss
nehmen – gerade vor dem Hintergrund, dass diese die Anzahl der teilnehmenden
Länder ausweiten möchte. Schon heute beteiligen sich neben den 35
Mitgliedstaaten 37 weitere Länder an der Pisa-Studie. Am Ende bleibt der
Schweiz wohl nur die Wahl, bei der Studie mitzumachen und dabei gewisse
Unzulänglichkeiten zu akzeptieren oder ganz auszusteigen.
Allerdings hätte es die Schweiz in der Hand gehabt, zumindest
einen Fehler aufzufangen: die Übervertretung von Fremdsprachigen in der
Stichprobe. «Eine Verzerrung ist leichter möglich, wenn – wie bei der aktuellen
Studie – deutlich weniger Schüler getestet werden», sagt Stefan Wolter von der
Schweizer Koordinationsstelle für Bildungsforschung. Bei etwas über hundert
teilnehmenden Schulen falle es schnell ins Gewicht, wenn bei einigen der Anteil
Fremdsprachiger überdurchschnittlich hoch sei. «Das hätte man verhindern
können, indem man vor der Datenerhebung abgeklärt hätte, wie repräsentativ das
Total der gewählten Schulen ist.»
Politiker geteilter Meinung
Mit der Grundsatzkritik des Lehrerverbands an der Pisa-Studie kann
FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen wenig anfangen. Er findet es gut, dass
sich die Schweizer Schüler im internationalen Wettbewerb messen. «Es braucht
eine Vergleichbarkeit der Leistungen sowohl im In- wie auch im Ausland.» Die
Resultate zeigten, dass die Schweiz auf dem richtigen Weg sei. SP-Nationalrat
Matthias Aebischer hält die Studie wegen Mängeln in der Methodik dagegen nur für
«halb relevant». Wichtiger seien ohnehin die reellen Leistungen des
Schulsystems: «Statt wie andere Länder die Bildung voll auf Rankings
auszurichten, bringen wir unseren Kindern die Kompetenzen bei, die sie im
Alltag und später im Beruf auch wirklich brauchen.»
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