Als
frischgebackener Junglehrer trat ich nicht – wie damals üblich - dem bernischen
Lehrerverein bei. Es musste eine richtige Gewerkschaft sein. Ich wurde Mitglied
des VPOD und weil es dort keine Lehrer gab, gründeten wir die
VPOD-Lehrergruppe. Mit „wir“ meine ich Jean-Michel, Barbara, Markus, Ruedi,
Marianne, Sylvianne und wie sie noch alle hiessen. Alles junge, linke
Lehrkräfte.
Die Begegnung mit der 4. Dimension, Bieler Tagblatt, 6.12. von Alain Pichard
Die
Mitgliedschaft im VPOD hatte für uns einen gewissen Vorteil. Wir trafen dort
auf Mario, Walter, Werner, Hasso und wie sie sonst noch alle hiessen. Und das
waren richtige Proletarier. Die waren in unseren Organisationen nämlich seltener
als der Apollo-Falter auf unseren Wiesen.
An der
grossen jährlichen Mitgliederversammlung konnten wir vor über 200 echten Arbeitern
auftreten. Jean-Michel wollte von der Sektion Biel ein Solidaritätstelegramm
für die iranische Revolution verabschiedet sehen. Mario und Werner schauten
sich zuerst verdutzt an und kugelten sich nachher vor Lachen. Und als ich einmal
verlangte, dass man die Überstunden verbieten solle, erklärte mir Hasso, dass
diese Überstunden bei Ihnen gerade den Unterschied zwischen einer 3-Zimmer zu
einer 4-Zimmerwohnung ausmachen würden oder auch den begehrten Urlaub an der
Costa Brava ermöglichten.
Auch Barbara
erging es nicht besser. Als sie die Gewerkschaft bat, uns zu helfen, dass man
in der Schule die Noten abschaffe, lachte Walter und meinte: „Ihr seid gut, uns
hier gebt ihr ständig Noten und in der Schule wollt ihr sie abschaffen.“
Viele von uns
waren etwas enttäuscht, weil sie das revolutionäre Potential der Bieler
Gewerkschafter nicht richtig eingeschätzt hatten.
Ich fühlte
mich bei diesen Leuten eigentlich immer recht wohl, und ging auch dann noch mit
ihnen ein Bier trinken, als sie sich dagegen wehrten, dass auch Frauen
Trolleybusse lenken durften.
Die Zeit
verging. Jean-Michel wurde Gewerkschaftssekretär. Hasso, Max, Walter und die
anderen hingegen traten aus dem VPOD aus.
Einige von
Ihnen schlossen sich der Autopartei an,
die bald einmal mehr Mitglieder zählte als die einst mächtige Trolleybusgruppe
des Bieler VPOD.
Den Werner
sah ich einmal auf einer Velotour am Sonntag. Er kam gerade von einem
Puurezmorge der SVP und freute sich, mich wiederzusehen. "Es waren schöne
Zeiten damals", meinte er! "Ja, antwortete ich, "ich habe viel
gelernt!" Er fragte mich, wie es der Barbara ginge, das war doch damals
eine ganz „Gescheite“. Ich sagte ihm, dass sie letzte Woche im Hotel National
in Bern eine Kunstauktion für die SP mitorganisierte und Mitglied der
Genderkommission der SP sei. Ausserdem arbeite sie bei der Food-Waste-League!
Aha, meinte
Walter und grinste: "Kenne ich nicht, ich kenne nur die Champions League!"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen