Mathematik: sehr gut
Naturwissenschaften: gut
Lesen: genügend
Naturwissenschaften: gut
Lesen: genügend
So haben die Schweizer Schüler im aktuellen Pisa-Test abgeschnitten.
Bildungspolitiker und -experten kritisieren, die Resultate seien nicht
aussagekräftig. Zu gross seien die methodischen Mängel der neu
computerbasierten Studie. Der Ärger über die Methodik sollte aber nicht darüber
hinwegtäuschen: Die Ergebnisse bestätigen die Tendenzen der letzten Pisa-Tests.
Schweizer Schulabgänger erzielen höchste Leistungen in der Mathematik; sie
können mit den stärksten Nationen der Welt mithalten. Doch die hiesigen 15-Jährigen
liegen gleichzeitig in den Naturwissenschaften nur im Mittelfeld – und fallen
beim Lesen sogar ab.
Die wirkliche Pisa-Lektion, Tages Anzeiger Polit-Blog, 9.12. von Raphaela Birrer
Warum sind die Schweizer Schüler Mathegenies, aber schlechte Leser und
nur durchschnittliche Naturwissenschaftler? Das hat mit dem Stellenwert der drei
Fachbereiche in der Schule zu tun – und sollte den Bildungsverantwortlichen
darum eben doch zu denken geben. Der Mathematikunterricht lässt sich über die
gesamte Schulzeit hinweg durchstrukturieren, weil die Lehrmittel einen exakten
Fahrplan vorgeben. In den Stundentafeln nimmt das Fach ausreichend Raum ein.
Und in den Diskussionen um das Frühfranzösisch war immer klar: Zusätzliche
Fremdsprachenlektionen dürfen sicher nicht auf Kosten der Mathematik gehen.
Denn es sind Mathefähigkeiten, die in den wichtigen Branchen der Schweizer
Wirtschaft gefragt sind. Das war früher die prosperierende Industrie, das sind
heute die Banken und Versicherungen.
In Lehrmittel investieren
Das Lesen dagegen ist eine Teilmenge des Fachs Deutsch. Und als solche
wird es in den Schulstuben stiefmütterlich behandelt. Grammatik gehört zu den
«hard skills» und ist einfacher abzufragen. Es gibt aber keine Lehrmittel, die
kontinuierlich und über die Schuljahre hinweg den systematischen Aufbau des
Textverständnisses garantieren. Die Stundentafeln sehen zudem keine separaten
Lektionen dafür vor. So bleibt es letztlich den Präferenzen der Lehrer
überlassen, wie stark die Lesekompetenz in den Schulstunden gewichtet wird.
Dass dies nach wie vor zu wenig geschieht, verdeutlichen die Pisa-Tests.
Anfang der 2000er-Jahre hatten die schlechten Leseresultate in der Schweiz
einen heilsamen Schock ausgelöst; mit einer bildungspolitischen Offensive
wurden fortan die Lesekompetenzen gefördert. Doch offensichtlich waren die
Massnahmen nicht nachhaltig und konsequent genug. Mehr noch: Heute wird just in
diesem Bereich gespart. Dabei würde sich gerade in Schulen mit hohem
Ausländeranteil eine Investition in die Lesekompetenz lohnen. Denn wo zu Hause
die Ressourcen fehlen, das Lesen zu fördern, muss die Schule mehr als nur den
Grundstock legen. Die Lehrer fordern deshalb zu Recht: Hört auf, in diesem
wichtigen Bereich zu sparen – oder wundert euch nicht über die Konsequenzen!
Und dann die Naturwissenschaften: Mantrahaft wird in der Schweiz über
den Fachkräftemangel in den MINT-Berufen geklagt. Doch anständige Lehrmittel
für diese Fachbereiche in den Schulen? Fehlanzeige. Die Kosten für deren
Entwicklung sind zu hoch. Dabei zeigen Studien, dass es ausschlaggebend für den
Lernerfolg ist, ob sich der Unterricht kontinuierlich an Lehrmitteln
orientiert. Stattdessen werden genau diese von der Wirtschaft stark gefragten
Inhalte in unscharf gelabelte Sammelfächer wie Realien, Mensch und Umwelt oder
Natur und Technik integriert. Wirtschaftlicher Anspruch und schulische Realität
klaffen hier weit auseinander. Will die Schweiz diesen Widerspruch lösen, muss
ihr das etwas wert sein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen