Ob an der Primarschule weiterhin zwei Fremdsprachen
unterrichtet werden sollen, ist umstritten. Silvia Steiner, Zürcher
Bildungsdirektorin (CVP) und ab 2017 Präsidentin der
Erziehungsdirektorenkonferenz, spricht sich klar dafür aus.
Silvia Steiner bei einem Schulbesuch in Birmensdorf, Bild: Chris Iseli
Interview mit der Zürcher Bildungsdirektorin: "Es wäre eine Vergeudung", Limmattaler Zeitung, 15.11. von Matthias Scharrer
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Frau Steiner, die Zürcher Lehrer wollen
mehrheitlich nur noch eine Fremdsprache an der Primarschule. Warum
widersprechen Sie diesen Fachleuten?
Silvia Steiner: Es waren
vor allem die Verbände, die die Initiative für nur noch eine Fremdsprache an
der Primarschule lanciert haben. Ob das die Mehrheit der Lehrer so sieht, kann
ich nicht beurteilen.
In
einer Umfrage des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (ZLV) sprachen sich
drei Viertel der Lehrer für das Anliegen aus ...
Das waren drei
Viertel derer, die an der Umfrage teilnahmen. Wie viele von der Gesamtheit der
Lehrerschaft dafür sind, lässt sich daraus nicht ableiten. Mein Eindruck ist:
Die jungen Lehrer, die jetzt an der pädagogischen Hochschule gerade auch auf
den Französisch-Unterricht vorbereitet werden, unterrichten das gerne auf der
Primarstufe – und mit grossem Erfolg.
Die
Aussage vieler Praktiker, aber auch einer wissenschaftlichen Studie von Simone
Pfenninger, lautet: Es ist nicht wirklich nachhaltig, zwei Fremdsprachen in der
Primarschule zu unterrichten, weil zwei Lektionen pro Woche nicht ausreichen,
um eine Sprache zu verankern. Was sagen Sie dazu?
Ich will mich
nicht auf die Ebene begeben, verschiedene Studien gegeneinander auszuspielen.
Die Studie Pfenninger bezog sich auf Gymnasiasten. Andere Studien besagen, je
mehr, desto besser, was auch eine gewisse Logik hat. Wieder andere Studien
sagen, es ist sehr wichtig, welche Qualität der Unterricht hat. Das ist der
Punkt, bei dem ich ansetzen möchte. Wir müssen alles daransetzen, dass die
Qualität des Fremdsprachenunterrichts in der Primarschule gut ist, ausgerichtet
auf die Bedürfnisse, den Lernstand und die Kompetenzen der Schülerinnen und
Schüler.
Wie
lässt sich das mit den zwei Lektionen pro Woche, die es für eine Fremdsprache
gibt, erreichen?
Viele Lehrer
unterrichten sehr vernetzt. Wir können nicht nur eindimensional denken, sondern
müssen verschiedene Fächer und Themen miteinander verbinden. Das heisst, es
gibt nicht nur zwei Stunden Französisch pro Woche und sonst gar nichts. Da wird
auch mal in einem musischen Fach ein Lied auf Französisch gesungen. Das ist der
Anspruch, den ich an die Lehrerinnen und Lehrer habe: dass sie vernetzt und
fächerübergreifend denken und so eine sehr gute Qualität erzielen können. Und
viele unserer Lehrpersonen machen das auch in ihrem Unterricht, weil es
pädagogisch sinnvoll ist.
Sind
Sie als Bildungsdirektorin wirklich überzeugt, dass das Konzept mit zwei
Fremdsprachen in der Primarschule sinnvoll ist?
Ja. Ich finde es
nicht nur wegen des Harmonisierungsgedankens sinnvoll, sondern auch, weil sehr
viele Kinder sehr gut damit umgehen können und auch Freude daran haben. Sicher
gibt es auch Kinder, für die es schwierig ist, zwei Fremdsprachen in der
Primarschule zu erlernen. Für diese Kinder müssen wir andere Lösungen finden.
Aber: Es wäre
eine Vergeudung und eine Nivellierung gegen unten, wenn wir die Fähigkeiten
jener brachliegen lassen, die das können. Die grosse Mehrheit der Schülerinnen
und Schüler sind in der Lage, solche Leistungen zu erbringen. Es ist wichtig,
dass die Kinder sehen, dass sie etwas können, und dann richtig Freude daran
bekommen.
Sie
sagten, es gelte, den Fremdsprachenunterricht zu verbessern. Woran denken Sie
dabei primär?
Wir müssen bei
den Lehrmitteln ansetzen. Das neue Lehrmittel «Dis donc!» zum Beispiel geniesst
bei den Lehrern eine hohe Akzeptanz. Es ist sehr vernetzt aufgebaut, und man
kann auch elektronisch damit arbeiten.
Oft
wird argumentiert, aus Gründen des nationalen Zusammenhalts müsse man in der
Schule beim heutigen Modell mit Frühfranzösisch und Frühenglisch bleiben. Ist
das nicht zu sehr vom Staat und zu wenig vom Kind her gedacht?
Dort, wo man
sich dafür entschieden hat, hat man von den Kindern her gedacht. Zudem glaube
ich: Wir können uns nicht darum foutieren, wie die Befindlichkeit in der
Westschweiz ist. Wenn Zürich aufs Frühfranzösisch verzichten würde, wäre das
ein schlechtes Signal. Gerade die kulturelle Vielfalt ist eine Riesenchance.
Und das fängt schon in der Primarschule an.
Aber
die Initianten zielen ja nicht explizit aufs Frühfranzösisch ab, sondern sind
einfach gegen zwei Fremdsprachen in der Primarschule ...
Englisch ist so
stark im Alltag präsent, das lernen die Kinder relativ einfach. Und die letzte
Abstimmung zeigte: Die Eltern wollen beides. Frühfranzösisch zu streichen,
würde zudem aufgrund der Gesetzesvorgabe des Bundes nicht gehen.
Und
wenn man Englisch in der Primarschule streichen würde, was wäre das Problem?
Das
fände ich auch schade. Ich bin ein grosser Fan von beidem. Frühenglisch schafft
viele Verständigungsmöglichkeiten. Das sehen sicher nicht alle Kinder so. Aber
die, die es so sehen, denen muss man die Chance geben.
Die Zürcher Kommunikationsberater haben ganze Arbeit geleistet. Man lese nur mal diese geschliffene Antwort von Steiner:
AntwortenLöschen"Viele Lehrer unterrichten sehr vernetzt. Wir können nicht nur eindimensional denken, sondern müssen verschiedene Fächer und Themen miteinander verbinden. Das heisst, es gibt nicht nur zwei Stunden Französisch pro Woche und sonst gar nichts. Da wird auch mal in einem musischen Fach ein Lied auf Französisch gesungen. Das ist der Anspruch, den ich an die Lehrerinnen und Lehrer habe: dass sie vernetzt und fächerübergreifend denken und so eine sehr gute Qualität erzielen können."
In anderen Worten: Die Kritiker von zwei Primarfremdsprachen sind nicht nur rechtskonservativ, sondern neu auch noch eindimensional denkend, sprich: dumm.