Der Lehrplan 21 verstosse gegen die aargauische Verfassung, monieren
Gegner der Vorlage. Sollte die Initiative am 12. Februar 2017 abgelehnt werden, erwägen die Lehrplangegner einen Weiterzug ans Aargauer
Verwaltungsgericht.
Verstösst der Lehrplan 21 gegen die Verfassung? Oberrichter droht mit juristischen Schritten, Aargauer Zeitung, 18.11. von Jörg Meier
Das weisse Zelt steht vor dem Eingang des Campus in Windisch.
Aufgestellt haben es die Initianten vom Komitee «Ja zu einer guten Bildung –
Nein zum Lehrplan 21». In ihrem «Bildungszelt» offerieren sie Glühwein,
Lebkuchen und vor allem Statements gegen den Lehrplan 21 und für ihre
Initiative, die den Lehrplan verhindern will.
Ort und Zeit für die Zeltaktion sind gut
gewählt; denn praktisch gleichzeitig findet nur wenige Meter neben dem
«Bildungszelt» der Lehrplangegner die kantonale Lehrerkonferenz statt – und
zwar zum Thema «Lehrplan 21 – Gefahr oder Chance?».
Im Unterschied zum zügigen Zelt, das
zumindest vor dem Nieselregen schützt, tagen die Lehrerinnen und Lehrer im
komfortablen Campussaal. Wobei angefügt werden muss, dass die Technik im
improvisierten Zelt deutlich besser funktioniert als im gut ausgerüsteten
Campussaal.
Das Zelt wird nicht besonders intensiv
frequentiert; was die umtriebigen Mitglieder des Komitees, ein gutes Dutzend
ist anwesend, keineswegs in ihrem heiligen Eifer stört.
Geballte
Kritik am Lehrplan 21
Mitinitiantin Elfy Roca erklärt, was sie
vom Lehrplan 21 hält; nämlich nichts, dass er deshalb durch die Annahme der
Initiative verhindert werden müsse. «Der Lehrplan 21 behandelt die Kinder nur
als mess- und überprüfbares Humankapital», kritisiert sie.
Und es sei auch falsch, was Regierungsrat
Alex Hürzeler schon mehrmals behauptet habe: Entgegen der Behauptung des
Erziehungsdirektors sei die Einführung des Lehrplans 21 bei Annahme der
Initiative nicht mehr möglich. Roca ist erfreut, dass jetzt die Diskussion doch
endlich begonnen habe, beklagt sich aber über die Diffamierung, die das Komitee
vonseiten der Gegner erfahre.
Dann hat alt Grossrat und Bildungskritiker
Bruno Nüsperli das Wort. Er hat eine Broschüre verfasst, welche die seiner
Meinung absurdesten der 363 Kompetenzen, die der neue Lehrplan 21 vorsieht,
auflistet; und er liest isolierte Passagen genüsslich vor.
Für Nüsperli verhindert ein
kompetenzorientiertes Bildungssystem gute Bildung im Sinne Pestalozzis. Und er
sieht da auch einen Zusammenhang mit der amerikanischen Präsidentenwahl. Man
wisse inzwischen, dass vor allem schlecht gebildete Amerikaner Trump gewählt
hätten. Und die USA hätten vor einigen Jahren schon das kompetenzorientierte
Bildungssystem eingeführt.
Muss das
Gericht entscheiden?
Einen ganz neuen Aspekt bringt schliesslich
alt Oberrichter Ruedi Weber, auch er ist Mitglied des Komitees, in die
Diskussion. Denn seiner Meinung nach verstösst der Lehrplan 21 gegen die
aargauische Verfassung. «Ein rein kompetenzorientierter Lehrplan, der Wissen
und Können nur bruchstückhaft vermittelt, widerspricht dem ganzheitlichen
Bildungsansatz, wie ihn das aargauische Recht fordert», sagt Weber und bezieht
sich dabei auf Paragraf 28, Absatz 1 der Kantonsverfassung sowie auf Paragraf
10 des Schulgesetzes.
Was bedeutet das, falls am 12. Februar die
Initiative abgelehnt wird? Webers überraschende Antwort: «Dann werden wir wohl
verlangen, dass das Verwaltungsgericht überprüft, ob der Lehrplan 21 im Aargau
überhaupt zulässig ist.»
Das Komitee gibt sich kämpferisch; geplant
sind Stand- und Plakataktionen, man hat einen neuen Facebook-Aufritt; eine
Reihe von Podien quer durch den Aargau sind angesagt. «Es ist erfreulich, wie
viele Leute sich täglich melden und uns im Kampf für eine gute Bildung für
unsere Kinder unterstützen wollen», sagt Elfy Roca.
Als die rund 200 Lehrerinnen und Lehrer
nach dem Apéro riche den Campussaal verlassen, ist das weisse «Bildungszelt»
bereits wieder verschwunden.
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