Die Einführungsklassen werden schmerzlich
vermisst. In der Region laufen Bemühungen zur Wiedereinführung.
Bildungsdirektor Christoph Eymann jedoch schaltet auf stur.
Eltern wünschen sich Sonderschulen für behinderte Kinder, Bild: Bettina Matthiessen
Die Schule wird zum Hürdenlauf für Kinder und Eltern, Basler Zeitung, 14.11. von Franziska Laur
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Eltern mit behinderten Kindern müssen sich mit Zuständigkeiten
verschiedenster Ämter herumschlagen. Häufig wird ihr Kind dann in eine normale
Klasse eingeschult und muss sie später aufgrund von Schwierigkeiten wieder verlassen.
Die IG Besondere Kinder und Schule befasst sich seit einigen Jahren mit den
Nöten von Eltern, die von Behörden nicht ernst genommen und nicht in
Entscheidungsprozesse einbezogen werden. In Integrationsklassen würden Kinder
mitgenommen, solange es gut gehe, sagt IG-Vizepräsidentin Eveline Plattner
Gürtler. «Doch wenn es kompliziert wird, müssen sie gehen.»
Alle sind Verlierer
Plattner Gürtler spricht aus Erfahrung, denn sie und ihr Mann haben
einen Sohn mit einer geistigen Behinderung und haben darum gekämpft, ihn in
eine Sonderschule auf dem Gempen einschulen zu können. Ihnen war Konstanz für
ihr Kind wichtiger als Integration um jeden Preis. Doch in dieser Sonderschule
stellen sich wieder Probleme besonderer Art. «Dort befinden sich mittlerweile viele
Kinder, die lediglich verhaltensauffällig sind. Das Problem ist, dass so auch
in der Sonderschule eine problematische Mischung von geistig normalen und
behinderten Kindern entsteht.» Früher bekamen diese verhaltensauffälligen
Kinder in Kleinklassen die geeignete Zuwendung. Dort konnte sich ein Lehrer im
kleinen Rahmen um sie kümmern. Hatten sie lediglich Entwicklungsdefizite, so
konnten sie in Einführungsklassen die erste Klasse in zwei Jahren absolvieren.
Indem man diese nun in Sonderschulen steckt, schaffen die Schulbehörden wieder
ein Getto und benachteiligen die wirklich behinderten Kinder, die den
geschützten Rahmen nötig hätten.
Während Baselland noch einzelne Klein- und Einführungsklassen führt und
aufgrund von zahlreichen Protesten wieder einige neu installiert hat, schaltet
Basel-Stadt auf stur. Bildungsdirektor Christoph Eymann argumentierte im
vergangenen Frühling im Grossen Rat, dass das Modell der Einführungsklassen
dem im Behindertengleichstellungsgesetz verankerten Prinzip der integrativen
Schule widerspreche. Allerdings beschloss das Parlament trotzdem, einen Anzug
von Thomas Grossenbacher (Grüne) stehen zu lassen, aufgrund dessen sich die
Regierung mit der Wiedereinführung von Einführungsklassen beschäftigen muss.
Die Gemeinde Riehen überlegt sich gar, Einführungsklassen auf eigene
Kosten wieder einzuführen. Allerdings gibt es vonseiten des Gemeinderates noch
Widerstand, weil Basel-Stadt argumentiert, es sei rechtlich unmöglich, solche
Klassen zu führen. Nun fordert Einwohnerrats-Mitglied Thomas Widmer- Huber
(EVP) mittels Interpellation, diese Behauptung seitens Basel nochmals genau zu
prüfen. Da im Kanton ja noch ein politischer Prozess zum Thema im Gange ist,
sei es forsch, zu behaupten, Einführungs- und Kleinklassen seien rechtlich
nicht mehr vertretbar. Widmer stellt sich auf den Standpunkt, dass
Einführungsklassen nötig sind, um die Schwächeren gezielt zu fördern und die
heutigen Pädagogen zu entlasten. «Momentan sind Lehrer in Regelklassen eher
Manager eines Heers therapeutischer Hilfskräfte als Pädagogen.» Die Belastung
sei enorm und häufig sei den Schwächeren so nicht geholfen.
Keine Stellungnahme von Eymann
Der frühere Basler SP-Präsident und langjährige Kleinklassenlehrer
Roland Stark ärgert sich, dass durch den Reformprozess ein erfolgreiches
Integrations- und Fördermodell mit Klein- und Einführungsklassen gekippt worden
ist. Die Reformen seien von der Bildungsverwaltung über die Köpfe der
Betroffenen hinweg von oben nach unten durchgesetzt worden. Doch ausgereifte
pädagogische Konzepte und die nötigen finanziellen Ressourcen würden fehlen.
Doch Basel-Stadt bleibt stur: «Mit dem Bekenntnis zur Integrativen Schule
hat man sich vom Konzept der damals bestehenden Einführungsklassen
verabschiedet», ist die trockene Antwort aus dem Bildungsdepartement auf
Anfrage. Die Mittel seien in die schulische Heilpädagogik geflossen, die nun
diese Aufgaben übernehme. Für eine Stellungnahme war Bildungsdirektor Christoph
Eymann die vergangenen Tage nicht zu erreichen. Für Eveline Plattner Gürtler
stellt sich auch die Frage, ob man diese absolute Inklusion wirklich will: «Die
Kinder gehören ja nicht wirklich dazu, nur weil sie in den Klassen sitzen.»
Häufig würde ihnen gerade in einer normalen Klasse ihre Andersartigkeit umso
bewusster. Das sieht sie auch an den zahlreichen Hilferufen von Eltern, die an
die IG Besondere Kinder und Schule gelangen. So schreiben ihr unter anderem Eltern,
die für ihr Kind lieber eine Sonderbeschulung hätten, es jedoch in einen
Normalbetrieb schicken müssen.
«Eigentlich wären wir ja für die Inklusion der Kinder – schulisch und
gesellschaftlich. Doch dafür müsste das Konzept viel besser durchdacht sein und
finanziell auf besseren Beinen stehen», sagt Eveline Plattner Gürtler.
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