Am 27. November stimmen die Thurgauer Stimmberechtigten ab über die Volksinitiative «Ja zu einer guten Volksschule – ohne Lehrplan 21». Der Name der Initiative ist verfänglich. Denn wer wollte nicht die bestmögliche Volksschule? Ein Leitartikel von David Angst, Chefredaktor der Thurgauer Zeitung.z
Für eine zeitgenössische Volksschule mit Lehrplan 21, Thurgauer Zeitung, 12.11. von David Angst
Die Initianten versprechen vordergründig, mehr Demokratie in die Bildungspolitik zu bringen. Dagegen wäre ja nichts einzuwenden. Da die Schule eine Institution von hohem öffentlichem Interesse ist, darf die Politik bei deren Gestaltung wohl auch ein Wörtchen mitreden. Aber das reicht bei weitem nicht für ein Ja. Die Initiative will nämlich im Grunde einzig und allein den Lehrplan 21 verhindern – so wie es ihr Zusatz aussagt.
Die Initiative verlangt, der Thurgau solle innert zweier Jahre einen eigenen
Lehrplan entwickeln und diesen dem Grossen Rat vorlegen. Die Initianten spielen
dabei gekonnt auf der Klaviatur der kantonalen Bildungshoheit. Unabhängigkeit
hat ja durchaus ihren Reiz, und sie scheint auch gerade international in Mode
zu sein. In diesem Fall aber wäre es fahrlässig, aus der Gruppe der
Lehrplan-21-Kantone auszuscheren. Denn das könnte teuer werden. Der Thurgau
müsste seine eigenen Lehrmittel, Computerprogramme und Lern-Apps entwickeln.
Das Ziel der interkantonalen Harmonisierung – das selbst von den Initianten
gefordert wird – wäre unter diesen Umständen kaum zu erreichen. Die Nachteile
für Schüler, die in einen anderen Kanton umziehen, wären absehbar.
Es ist nicht verboten, kritisch zu sein. Und es ist legitim, einen Prozess, der
zentral gesteuert ist, zu hinterfragen. Aber man muss sich bei aller Kritik
auch überlegen, was die Alternative wäre. Und die wäre, so ist zu befürchten,
ein Scherbenhaufen. Denn gerade weil der Lehrplan 21 nach mehrjähriger
Entwicklung schon bald als «Jahrhundertwerk» bezeichnet werden darf, so ist es
umso nötiger, dass er bald in Kraft tritt. Denn der heute geltende Lehrplan
stammt aus der informationstechnischen Steinzeit.
Er wurde zwischen 1984 und 1991 entwickelt. Wer damals mit einem «Natel»
herumlief, galt entweder als extrem wichtig oder als extravagant. Durchs
Internet surften nur ein paar intellektuelle «Nerds». Und noch niemand wagte
von Smartphones, Tablets und dergleichen überhaupt nur zu träumen. Noch im Jahr
1997 lehnte der Thurgauer Regierungsrat es ab, die Thurgauer Schulen ans
Internet zu bringen. Er fürchtete die hohen Folgekosten. In unseren
Nachbarländern wurde das damals von den zentralistischen Regierungen einfach
verordnet. Der Kantönligeist hat eben auch seine Nachteile.
Noch nie zuvor hatte sich die Informationstechnologie in einem
Vierteljahrhundert so stark verändert wie in den letzten 25 Jahren. Es wäre
eine Dummheit sondergleichen, wenn das Bildungssystem der Schweiz das nicht
berücksichtigte. Der neue Lehrplan schafft mit «Medien und Informatik» und der
«Beruflichen Orientierung» neue Fachbereiche, welche den Anforderungen der Zeit
nachkommen. Namhafte Wirtschaftsorganisationen wie der Gewerbeverband, der
Arbeitgeberverband und Swissmem unterstützen ihn denn auch.
Auch die vielgescholtene Orientierung an Kompetenzen ist eben eine Konsequenz
der technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Natürlich
verändert die Technologie auch die Art und Weise, wie wir leben – und wie wir
lernen. Wenn jemand früher eine Arbeit schreiben musste, so ging er dafür in
eine Bibliothek. Heute geht er ins Internet. Dass die Lehrer dadurch zu
Hilfsarbeitern degradiert werden, das ist damit noch lange nicht gesagt.
Selbstverständlich ist Wissen auch in Zukunft nicht überflüssig. Wer die
Volksschule durchlaufen hat, sollte wissen, von wann bis wann der Zweite
Weltkrieg dauerte, wie viele Bundesräte es gibt – oder wie der amerikanische
Präsident heisst. Aber er muss nicht sämtliche Hauptstädte der Welt auswendig
aufsagen können. Dafür gibt es «Google». Viel wichtiger ist, dass er weiss, wie
man sich Informationen beschafft. Oder dass er fähig ist, neue Programme zu
lernen und anzuwenden. Gewusst wie, sagt man dem. Und das ist nichts anderes
als eine Kompetenz.
Die Thurgauer Stimmbevölkerung steht also vor der Entscheidung, einen neuen
Lehrplan anzunehmen, der die heutigen Ansprüche erfüllt – oder einen
kostspieligen Alleingang zu wagen. Unter diesen Umständen ist es besser, das erste
zu wählen und die Initiative «Ja zu einer guten Volksschule – ohne Lehrplan 21»
abzulehnen.
Die Initiative verlangt, der Thurgau solle innert zweier Jahre einen eigenen Lehrplan entwickeln und diesen dem Grossen Rat vorlegen. Die Initianten spielen dabei gekonnt auf der Klaviatur der kantonalen Bildungshoheit. Unabhängigkeit hat ja durchaus ihren Reiz, und sie scheint auch gerade international in Mode zu sein. In diesem Fall aber wäre es fahrlässig, aus der Gruppe der Lehrplan-21-Kantone auszuscheren. Denn das könnte teuer werden. Der Thurgau müsste seine eigenen Lehrmittel, Computerprogramme und Lern-Apps entwickeln. Das Ziel der interkantonalen Harmonisierung – das selbst von den Initianten gefordert wird – wäre unter diesen Umständen kaum zu erreichen. Die Nachteile für Schüler, die in einen anderen Kanton umziehen, wären absehbar.
Es ist nicht verboten, kritisch zu sein. Und es ist legitim, einen Prozess, der zentral gesteuert ist, zu hinterfragen. Aber man muss sich bei aller Kritik auch überlegen, was die Alternative wäre. Und die wäre, so ist zu befürchten, ein Scherbenhaufen. Denn gerade weil der Lehrplan 21 nach mehrjähriger Entwicklung schon bald als «Jahrhundertwerk» bezeichnet werden darf, so ist es umso nötiger, dass er bald in Kraft tritt. Denn der heute geltende Lehrplan stammt aus der informationstechnischen Steinzeit.
Er wurde zwischen 1984 und 1991 entwickelt. Wer damals mit einem «Natel» herumlief, galt entweder als extrem wichtig oder als extravagant. Durchs Internet surften nur ein paar intellektuelle «Nerds». Und noch niemand wagte von Smartphones, Tablets und dergleichen überhaupt nur zu träumen. Noch im Jahr 1997 lehnte der Thurgauer Regierungsrat es ab, die Thurgauer Schulen ans Internet zu bringen. Er fürchtete die hohen Folgekosten. In unseren Nachbarländern wurde das damals von den zentralistischen Regierungen einfach verordnet. Der Kantönligeist hat eben auch seine Nachteile.
Noch nie zuvor hatte sich die Informationstechnologie in einem Vierteljahrhundert so stark verändert wie in den letzten 25 Jahren. Es wäre eine Dummheit sondergleichen, wenn das Bildungssystem der Schweiz das nicht berücksichtigte. Der neue Lehrplan schafft mit «Medien und Informatik» und der «Beruflichen Orientierung» neue Fachbereiche, welche den Anforderungen der Zeit nachkommen. Namhafte Wirtschaftsorganisationen wie der Gewerbeverband, der Arbeitgeberverband und Swissmem unterstützen ihn denn auch.
Auch die vielgescholtene Orientierung an Kompetenzen ist eben eine Konsequenz der technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Natürlich verändert die Technologie auch die Art und Weise, wie wir leben – und wie wir lernen. Wenn jemand früher eine Arbeit schreiben musste, so ging er dafür in eine Bibliothek. Heute geht er ins Internet. Dass die Lehrer dadurch zu Hilfsarbeitern degradiert werden, das ist damit noch lange nicht gesagt.
Selbstverständlich ist Wissen auch in Zukunft nicht überflüssig. Wer die Volksschule durchlaufen hat, sollte wissen, von wann bis wann der Zweite Weltkrieg dauerte, wie viele Bundesräte es gibt – oder wie der amerikanische Präsident heisst. Aber er muss nicht sämtliche Hauptstädte der Welt auswendig aufsagen können. Dafür gibt es «Google». Viel wichtiger ist, dass er weiss, wie man sich Informationen beschafft. Oder dass er fähig ist, neue Programme zu lernen und anzuwenden. Gewusst wie, sagt man dem. Und das ist nichts anderes als eine Kompetenz.
Die Thurgauer Stimmbevölkerung steht also vor der Entscheidung, einen neuen Lehrplan anzunehmen, der die heutigen Ansprüche erfüllt – oder einen kostspieligen Alleingang zu wagen. Unter diesen Umständen ist es besser, das erste zu wählen und die Initiative «Ja zu einer guten Volksschule – ohne Lehrplan 21» abzulehnen.
Eine typische Auftragsarbeit des Herrn Chefredaktors. Doch wem will er damit einen Gefallen erweisen? Er versucht den Stimmbürgern weis zu machen, dass ohne LP21 alles viel teurer würde. Ist dies Argumentationsnot oder bereits Panik? Und falls es Probleme gibt, einfach googeln :-)
AntwortenLöschenDas Thurgauer Komitee reagiert folgendermassen auf den Artikel von Herrn Angst:
AntwortenLöschenAm 27. November stimmen die Thurgauer Stimmberechtigten ab über die Volksinitiative «Ja zu einer guten Volksschule – ohne Lehrplan 21». Der Name der Initiative ist verfänglich. Denn wer wollte nicht die bestmögliche Volksschule? So beginnt der Leitartikel des Chefredaktors, David Angst der Thurgauer Zeitung.
Darin wird ein Szenario des Untergangs herauf beschwört, wenn die Initiative angenommen werden sollte. Dass unreflektiert Gesetze der OECD und der EU in den Schweizer Gesetzeswald eindringen, ist bekannt. Wenn die Bevölkerung davon erfährt, staunt sie immer wieder aufs Neue. Und die Politik reagiert parteienübergreifend mit den Worten. „Wenn wir das gewusst hätten, dann hätten wir anders entschieden!“ Das Bauchgefühl des Volkes hat die Schweiz seit 1848 mehrmals vor grossen Dummheiten geschützt.
Die Volksschule ist ein Volksgut. Wenn dieses ohne Grund geopfert wird, dann ist es wieder an der Zeit, dass die Bevölkerung sich auf ihr Bauchgefühl besinnt.
Ist die Schule heut so schlecht unterwegs, dass grundlegende Erneuerungen von Nöten sind? Nein! Die Schweizer Schule hat als Grundlage ihres Erfolgs das Dreigestirn „Mit Kopf, Hand und Herz“ ausgewählt. Bei dieser Initiative ist mal wieder das Bauchgefühl an der Reihe. Einige Fragen sollten dazu beantwortet werden: Ist die Thurgauer Schule so in Schieflage, dass sie durch OECD-Standards gerettet werden muss? Welches sind die Gründe, weshalb Eltern ihre Kinder bei Schulfragen immer weniger unterstützen können? Weshalb benötigen immer mehr Kinder Nachhilfeunterricht? Weshalb warnen renommierte Kinderärzte und Psychiater vor den Folgen des kompetenzorientierten Unterrichtes? Gibt es ein neueres Lehrmittel, welches eine klare Struktur aufweist und wo genügend Spielraum für Vertiefungsphasen vorhanden sind? Weshalb stellt sich die „Classe Politique“ quer und verweigert den Dialog? Weshalb wird der Schweizerische Bildungsweg ohne Grund verlassen?
Pestalozzi legte mit seinem Dreiklang „Mit Kopf, Herz und Hand“ die Grundlage für eine ganzheitliche humanistische Bildung. Dafür wurde und wird die Schweiz international bewundert. Mit der Annahme der Initiative bleibt ein Stück Schweizer Schule erhalten.