3. November 2016

Gemeinde will Schulhaus privat bauen

Ganz freiwillig wagt der Gemeinderat von Reiden den ungewöhnlichen Schritt nicht. Weil der Ort überschuldet ist und kritische Bürger intervenierten, wurde eine für den 27. November angesetzte Volksabstimmung kurzfristig abgeblasen. Statt mit einem ordentlichen Kredit von 6,3 Millionen Franken will der Gemeinderat das neue Schulhaus Mitte durch einen privaten Investor finanzieren und bauen lassen. Die Gemeinde will sich in das Gebäude einmieten.
Baue Schulhaus - suche Investor, NZZ, 3.11. von Erich Aschwanden


Der Ort im Luzerner Hinterland betritt damit Neuland. Er testet aus, wie weit finanziell gebeutelte Kommunen staatliche Aufgaben in Zusammenarbeit mit Privaten erfüllen können. Eine Umfrage in den Kantonen ergibt, dass in der Schweiz noch nie ein kommunales Schulhaus von einem privaten Investor erstellt wurde. Auch beim Schweizer Gemeindeverband ist kein Fall einer sogenannten Public-Private-Partnership (PPP) bei der Volksschule bekannt.

«Privatisierung kein Thema»
Gute Erfahrungen mit dem PPP-Modell hat die Stadt Luzern gemacht. Zusammen mit einem Generalunternehmer hat sie die Sportarena Allmend errichtet, zu der das Stadion des FC Luzern gehört. Obwohl diese Kooperation für beide Seiten erfolgreich war, gibt es für die Stadtluzerner Baudirektorin Manuela Jost (glp.) eine klare Grenze, wenn es um Kernaufgaben der öffentlichen Hand geht. «Die Privatisierung der Grundschulen ist kein Thema. Wir müssen die Handlungsfreiheit für die Erfüllung unseres Grundauftrags behalten», erklärte sie gegenüber der «Luzerner Zeitung».

Auch im Kanton Solothurn will man vom PPP-Ansatz bei öffentlichen Schulen nichts wissen. «Formen der Miete oder des Leasings sind rechtlich volatiler, da hier bei mehreren – und oft wechselnden – Parteien Rechtsstreitigkeiten eher möglich sind als beim Alleineigentum», sagt Adriano Vella, Sekretär des Departements für Bildung und Kultur.
Längerfristig sei es ausserdem so, dass Finanzierungen durch private Investoren zu einer Mehrbelastung des Gemeinwesens führten. «Dies ergibt sich aus dem legitimen Gewinnstreben privater Investoren bei vorgegebenen Qualitätsanforderungen an Schulhäuser durch das Baurecht», ist Vella überzeugt. Lösungen mit Investoren ergäben nur in Ausnahmefällen Sinn, etwa für Container, die als zeitlich befristete Zusatz- oder Ersatzschulzimmer dienen.

Auch Heinz Gut, Geschäftsführer des Vereins PPP Schweiz, glaubt nicht, dass Gemeinden in finanziellen Engpässen mit einem privaten Investor besser fahren. Aufgrund der gegenwärtigen Zinssituation könnten Gemeinden am Kapitalmarkt günstiger Geld aufnehmen als Firmen. «Diese Differenz lässt sich nur bei komplexen Projekten hereinholen, die eine aufwendige Planung brauchen», sagt Gut.

Verwaltung kann es auch
Gemäss Gut kann eine öffentlich-private Partnerschaft unter bestimmten Voraussetzungen sehr wohl eine Alternative zu einer rein staatlichen Finanzierung sein. Das Schulhausprojekt in der 6800-Einwohner-Gemeinde Reiden falle jedoch nicht in diese Kategorie. «Wenn es um komplexe Projekte geht, in die mehrere Gemeinden oder ein Kanton involviert sind, kann der Beizug Privater einen Mehrwert bringen», betont der Experte. Bei einem normalen Schulhausbau sei dies nicht der Fall. «Die Verwaltung kann dies mindestens so gut wie Private», erklärt PPP-Geschäftsführer Gut. Er bezweifelt auch, dass angesichts des geringen Volumens von etwas über 6 Millionen Franken ein privater Investor einsteigt.
Nicht zuletzt das geringe Investionsvolumen war verantwortlich dafür, dass die Stadt Opfikon im Jahr 2008 die Suche nach einem Investor abblasen musste. Als PPP-Projekt wurde damals der Schultrakt Lättenwiesen geprüft, der auf 12 Millionen Franken veranschlagt wurde. Interessant wird es für private Investoren jedoch erst ab einem Investitionsvolumen rund 20 Millionen Franken.

Zwiespältige Erfahrungen hat man in Deutschland gemacht, wo Kommunen seit längerem öffentliche Schulen durch Private realisieren lassen. Während das Modell an einigen Orten funktioniert und finanzielle Vorteile bringt, endete es andernorts in langwierigen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beteiligten.


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