Die FDP-Regierungsrätin
geht immer mehr auf Abstand zum Komitee Starke Schule Baselland, weil dieses
keine Kompromisse zulässt. Den endgültigen Bruch mit ihren Wahlhelfern will sie
aber nicht riskieren – noch nicht.
Die Starke Schule hievte Gschwind ins Amt, Bild: zvg
Die Bildungsdirektorin im Clinch mit ihren Wahlhelfern, bz Basel, 2.11. von Michael Nittnaus
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Als
Monica Gschwind am 8. Februar 2015 einen Blumenstrauss in die Hand
gedrückt bekam, jubelten nicht nur die Baselbieter Bürgerlichen. Auch beim
Komitee Starke Schule Baselland kannte die Euphorie über die Wahl der
Freisinnigen in die Regierung keine Grenzen. Schliesslich hatte das Komitee mit
einer eigenen Plakat-Kampagne für Gschwind als neue Bildungsdirektorin
geworben.
Starke-Schule-Kopf
Jürg Wiedemann nahm für die Unterstützung Gschwinds sogar den Bruch mit seiner
Partei, den Grünen, in Kauf. Die Erwartungshaltung war klar: Dank Gschwind auf
dem Thron und dem Ende der Regentschaft des Sozialdemokraten und Harmos-Befürworters
Urs Wüthrich sollte Baselland das Feinbild Nummer eins der Starken Schule
beseitigen: den Lehrplan 21. Noch am Wahlsonntag sagte
Komitee-Geschäftsleiterin Saskia Olsson: «Wir hoffen, dass nicht mehr so viele
Initiativen nötig sein werden, um unsere Ziele zu erreichen.»
Kompromisslose Starke Schule
Zeitsprung.
Vergangenen Donnerstag reichte die Starke Schule ihre neuste Initiative ein –
ihr mittlerweile zwölftes Volksbegehren. Dieses Mal möchte das Komitee
erreichen, dass in den Stufenlehrplänen der Volksschulen «ausschliesslich
Stoffinhalte und Themen» vorkommen und keine Kompetenzen wie im Lehrplan 21.
Doch weshalb sind noch immer Initiativen nötig, jetzt, da Gschwind regiert? Die
Antwort ist einfach: Gschwind möchte, dass «die Schulen zur Ruhe kommen» und
strebt tragfähige Kompromisse an, die Starke Schule hingegen will laut Olsson
«die gesamte Unterrichtsphilosophie des Lehrplans 21 bekämpfen». Ohne
Kompromisse.
Das passt nicht
zusammen. Gegenüber der bz nimmt Gschwind Abstand: «Offenbar braucht das
Komitee Starke Schule noch mehr Zeit, um zu verstehen, dass ein Miteinander
besser ist als ein Gegeneinander.» Schliesslich hätten 21 Kantone den Lehrplan
gemeinsam erarbeitet, der auf Kompetenzen basiert und die Methodenfreiheit der
Lehrer garantiere. «Mit diesem starken gemeinsamen Weg sollten wir sorgsam und
respektvoll umgehen», so Gschwind.
Die
Stoffinhalts-Initiative hält die FDP-Bildungsdirektorin für schlicht
überflüssig, da eine ähnliche Motion schon im Landrat überwiesen wurde. Für das
Komitee hingegen ist es das Volksbegehren, das den Lehrplan 21 und dessen
Philosophie definitiv begraben könnte, weil ihm ohne verpflichtende Kompetenzen
die Basis entzogen würde. Bloss: Das Komitee dürfte die Wirkung überschätzen.
«Diese Ansicht teile ich keineswegs», enttäuscht Gschwind die Hoffnung der
Starken Schule, dass ohne Kompetenzen automatisch auch selbstorganisiertes
Lernen und Lernlandschaften verschwinden müssten.
Gschwind tadelt das Komitee
Sollten sich
Lernlandschaften verbreiten – zur Zeit gibt es bloss Pilotprojekte in Pratteln
und Frenkendorf –, behält sich Olsson weitere Initiativen vor, wie sie der bz
sagt. Doch das könnte für Gschwind das Fass endgültig zum Überlaufen bringen.
Denn die Bildungsdirektorin hält klipp und klar fest: «Sollten weitere
Initiativen gegen den Lehrplan 21 folgen, widerspricht dies dem Ziel
zahlreicher Anspruchsgruppen aus dem Bildungswesen – so auch meinem
persönlichen Ziel –, dass die Schulen endlich zur Ruhe kommen.» Die anderen
Gruppen zögen trotz unterschiedlicher Meinungen an einem Strang. «Dass sich das
Komitee diesem konstruktiven Weg noch nicht anschliessen will, bedaure ich
sehr.»
Diese Kritik
Gschwinds reiht sich nahtlos ein in mehrere Unmutsbekundungen der letzten
Monate. Schon im Juni warnte sie etwa davor, zu den Stoffinhalten des Lehrplans
eine Initiative zu lancieren. Dies sei «nicht zielführend», kritisierte sie in
der bz. Damals wiegelte Wiedemann ab, dass die Chancen, dass man die Initiative
lanciere, bloss bei 50:50 stünden. Nur einen Monat später stand sie im
Amtsblatt. Und im November 2015 tadelte Gschwind das Komitee dafür, sich mit
politischer Werbung per Massenversand an die Baselbieter Lehrerschaft zu
wenden.
Gschwind
versucht also schon länger, auf Distanz zu ihren Wahlhelfern zu gehen. Doch die
Starke Schule lässt sie nicht aus ihren Fängen. Zu sehr hat das Komitee
Gschwind vor den Wahlen als Heilsbringerin für die Baselbieter
Bildungslandschaft hochstilisiert. Einzugestehen, dass es doch grundlegende
Differenzen gibt, käme einem Gesichtsverlust gleich. Auch an der
Pressekonferenz vergangenen Donnerstag versäumte es Olsson nicht, Gschwind über
den grünen Klee zu loben. Dank ihres Einsatzes hätte die Schweizer
Erziehungsdirektorenkonferenz ihre Haltung geändert und den Kantonen mehr
Freiraum in der Umgestaltung des Lehrplans 21 zugestanden. Und nur deswegen
könne das Komitee nun die Initiative zum Ausstieg aus dem Harmos-Konkordat
zurückziehen (bz berichtete).
Doch Gschwind
zerpflückt dieses Argument gleich selbst: «Bereits bei der Auftragserteilung
zum Lehrplan 21 haben die Kantone eine Vorlage bestellt, die sie den kantonalen
Bedürfnissen anpassen können.» Die Kantone waren also schon immer in der
Umsetzung frei. Gar nichts hält Gschwind davon, sich instrumentalisieren zu
lassen: «Ich bin unabhängig und gehe meinen eigenen Weg.»
Ist
alles bloss Taktik?
Die Starke
Schule lässt sich dadurch nicht abschrecken. Für Wiedemann ist der Fall klar:
«Monica Gschwind muss sich als Regierungsrätin von der Starken Schule loslösen
und vorhandene Differenzen betonen, damit sie den Reformstopp gezielter
durchsetzen kann. Das ist sicher ein kluges Vorgehen von ihr.» Will heissen:
Gschwind braucht die Extremposition der Starken Schule taktisch, um in den
Verhandlungen mit den reformfreundlichen Kräften der SP Kompromisse schliessen
zu können. «Das hat bislang erstaunlich gut geklappt», freut sich Wiedemann.
Er betont, dass
es in den bildungspolitischen Kernfragen bloss wenige Differenzen zwischen ihm
und Gschwind gäbe. Und er gibt Einblick in die Zusammenarbeit: «Monica Gschwind
wollte die Harmos-Ausstiegsinitiative vom Tisch haben. Dieses Anliegen haben wir
ihr mit dem Rückzug erfüllt. Auch sonst hat sie durchaus Einfluss auf die
Starke Schule.» Wiedemann sagt überdies, dass er trotz einzelner
Meinungsunterschiede noch nie ein negatives Gespräch mit Gschwind hatte.
Parteikollege
erklärt Dilemma
Ist die Beziehungskrise
also bloss ein Kabarett, eine Täuschung der Öffentlichkeit, um getrennt, aber
eigentlich mit vereinten Kräften die Reformen zu stoppen? «Das ist bloss
Wunschdenken der Starken Schule», sagt Heinz Lerf. Der Liestaler Landrat
beobachtet die Situation als Parteikollege Gschwinds und in der
Bildungskommission. Zwar gebe es tatsächlich Parallelen in der Bildungspolitik,
sonst hätte Gschwind nicht in mehreren Initiativkomitees der Schulreformgegner
mitgemacht (siehe Kasten rechts oben). «Handlanger der Starken Schule ist sie
aber sicher nicht», stellt er fest. Ihr Unmut darüber, dass das Komitee mit den
vielen Initiativen ihre Bemühungen torpediere, Ruhe in die Schulen zu bringen,
sei keinesfalls gespielt.
Die Kernfrage
lautet für Lerf: «Braucht Monica Gschwind wirklich einen ‹Partner›, der ihr
derart dazwischenfunkt?» Seine persönliche Antwort ist eindeutig: «Eigentlich
müsste man die Beziehung auf Eis legen.» Doch das sei für Gschwind nicht so
einfach. «Sie befindet sich im Zwiespalt, weil das Komitee bei ihrer Wahl
mithalf», ist Lerf überzeugt. Deshalb wolle sie keinen vollständigen Bruch.
Auch bestünde sonst die Gefahr, dass das Komitee mit einer
Jetzt-erst-recht-Haltung mit noch mehr Aktivismus reagieren könnte.
Tatsächlich
möchte Gschwind die Starke Schule nach wie vor einmal pro Quartal treffen: «Im
Bildungswesen findet zunehmend eine Annäherung unter den verschiedenen
Anspruchsgruppen statt. Ich bleibe dabei: Miteinander zu handeln ist besser als
gegeneinander zu sein. Natürlich werde ich deshalb mit dem Komitee weiterhin
gerne sprechen und argumentieren, wenn es um ein politisches Geschäft geht.»
Das versteht auch Lerf. Doch hält er fest: «Folgen noch weitere Störfeuer der
Starken Schule, sollte Monica Gschwind den Bruch irgendwann in Kauf nehmen.»
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