In
der Thurgauer Zeitung vom 11. Oktober 2016 wird im Artikel „Revolutionär im
Deutschunterricht" das Lehrmittel "Die Sprachstarken“ über den Klee gelobt und
als Umsetzung des Lehrplans 21 deklariert. Aus
der Praxis kann ich jedoch bezeugen, dass viele erfahrene Kolleginnen und
Kollegen kaum oder nur ungern mit diesem Lehrmittel arbeiten. Es
zerhackt die Lehrinhalte, schränkt die Methodenfreiheit ein, vernachlässigt das
Üben und degradiert die Lehrperson zum Coach, indem sämtliche Arbeitsaufträge
direkt im Schülerbuch abgedruckt sind.
Ungerechtfertigte Lobeshymne auf "Die Sprachstarken", 11.10. von Elsbeth Schaffner
Aufgrund
meiner Erfahrung auf der Unterstufe, beurteile ich das Lehrmittel in vielen
Teilen als nicht altersgerecht. Grammatik und Rechtschreibung wird in
Trainingseinheiten völlig losgelöst von Inhalten behandelt. Isolierte Übungen
werden mit Regeln und Merksätzen verbunden, die den meisten Unterstufenkindern
nicht im Gedächtnis bleiben.
Im
Gegenteil: Weil sie das kindliche Gemüt nicht mit ansprechenden,
bedeutungsvollen Inhalten ansprechen, verkommen die Übungen zu reinen
Beschäftigungseinheiten.
In
den Kapiteln Lesen, Sprechen und Schreiben wird vorgeschrieben, wie im
Unterricht mit Sprache experimentiert werden soll. Gegen sprachliches
Experimentieren und Erfahrungsammeln soll man sich nicht grundsätzlich aussprechen.
Aber das Lehrmittel "Die Sprachstarken" gibt viele Themen vor, die
dem Zeitgeist folgen und die von den Lehrern und Eltern sehr unterschiedlich
beurteilt werden.
Ob
Jugendserien wie "Tintenherz" oder Modeströmungen wie
"Tattoos" durch das Deutschlehrmittel verpflichtend auf die gleiche
Art im Unterricht bearbeitet werden soll, müsste zur Diskussion gestellt
werden. Es stellt sich die Frage, ob die Kriterien, nach denen die in den
"Sprachstarken" berücksichtigten Texte und Autoren ausgewählt wurden,
alle durch den Lehrplan 21 vorgegeben werden.
Da
dies laut dem erwähnten Artikel der Fall ist, sind die von den Kollegen
kritisierten Mängel am Lehrmittel "Die Sprachstarken", vermutlich
Mängel am Konzept Lehrplan 21. Die Umsetzung von Kompetenzmodellen, bei denen
die Inhalte lediglich Vehikel der angestrebten Kompetenzen sind, führt dazu,
dass die Inhalte zufällig und der Auswahl durch die Lehrmittelproduzenten
überlassen sind.
Das
ist vermutlich das Kernproblem des Lehrplans 21. Die Inhalte, die in der Schule
vermittelt werden, werden aus der Hand gegeben, indem man sich lediglich auf
die Kompetenzen einigt, die erreicht werden sollen.
Sprache
lässt sich aber nicht auf Kompetenz reduzieren. Sprache ist immer Inhalt.
Sprachlicher Ausdruck kann nicht durch Erforschen erworben werden, weil die
Menge der sprachlichen Daten derart gross ist, dass immer eine Auswahl
getroffen werden muss. Die Auswahl bedarf einer Grundlage, die auf der
jeweiligen Kultur und dem Wunsch nach deren Weitergabe beruht. Es stellt sich
deshalb die Frage, ob der Lehrplan 21 unserer Kultur gerecht wird.
Laut
Lehrplan 21 werden kulturelle Inhalte eher der "Wissensvermittlung"
zugeordnet und damit dem Zerfall ausgesetzt. Beispielsweise wird auch die
Schweizer Geschichte nur punktuell und exemplarisch aufgegriffen, um damit
Kompetenzen wie "erkennen von Machtstrukturen" zu erwerben.
Von
einer Diskussion, die solche Fragen zulässt, ist weit und breit nicht zu
spüren. Deshalb empört mich umso mehr, wenn ich erfahre, wie Behörden und
Schulleiter mit Steuergeldern derzeit im Kanton Thurgau Propaganda für den
Lehrplan 21 betreiben. In den Lehrerzimmern werden offenbar Flyer
aufgelegt und diverse Veranstaltungen angekündigt. Schulleiter, Lehrer und
Behördenmitglieder werden aufgefordert, Leserbriefe zu schreiben.
In
den Schuleinheiten führen die Schulleiter den Lehrplan 21 bereits de facto ein:
Er steht im Focus von Lehrerweiterbildungen und verordneter Teamarbeit (Auch im
Kanton St. Gallen und im Kanton Aargau!).
Im
Gegensatz dazu wird das Komitee für eine gute Thurgauer Volksschule zurückgebunden
und bei jeder Gelegenheit schlecht gemacht.
Die Medien müssen hier korrigierend eingreifen, sonst ist die
Meinungsbildung im Hinblick auf die kommende Abstimmung nicht gewährleistet.
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