11. Oktober 2016

"Revolutionäres" Deutschlehrmittel

Stephan Nänny ist Dozent an der PH Thurgau. Er hat an einem Deutschbuch mitgearbeitet, das den Lehrplan 21 umsetzt. Darin beschreibt er seine experimentellen Unterrichtsmethoden.
Revolutionär im Deutschunterricht, Thurgauer Zeitung, 11.10. von Larissa Flammer


Er ist mit dem Deutschlehrmittel «Die Sprachstarken» durch die Schweiz gereist und hat es in zahlreichen Schulen vorgestellt. Stephan Nänny, Dozent an der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG), hat an dem Lehrmittel mitgearbeitet, das neue Ansätze für den Deutschunterricht enthält. «Es stimmt mit dem Lehrplan Volksschule Thurgau überein», sagt der ehemalige Lehrer. «Die Sprachstarken» aus dem Verlag Klett und Balmer wird in der ganzen Deutschschweiz genutzt. Die Verkaufszahlen seien sehr gut.

In seiner Zeit als Primarlehrer hat Stephan Nänny im Deutschunterricht oft das Lehrmittel beiseite gelegt und in seinem Unterricht Neues ausprobiert. Er war der Meinung, man könne aus dem Unterricht mehr herausholen. Jetzt, mit 59 Jahren, hat Nänny selber ein Lehrmittel mitverfasst. «Wenn jemand unsere Bücher beiseite legt und das Gefühl hat, man könne noch mehr aus dem Unterricht machen, würde ich sehr gerne mit dieser Person darüber diskutieren», sagt er.

Eine Affinität zum Fach Deutsch
Stephan Nänny stammt aus einer Herisauer Lehrerfamilie. Sein Vater und sein Grossvater waren schon Lehrer, seine Frau ist im Schuldienst tätig und auch seine Tochter beschäftigt sich mit Didaktik und Sprachforschung. Nur sein Sohn arbeite nicht im Bildungsbereich. «Die Tätigkeit meines Vaters hat mich geprägt. So bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, das Seminar zu besuchen», sagt Nänny. Er liess sich in Kreuzlingen zum Lehrer ausbilden, danach war er fast 25 Jahre lang in Teufen als Real- und Primarlehrer tätig. Im Laufe dieser Zeit entwickelte er eine Affinität zum Fach Deutsch. «Es ist sehr vielfältig, das muss mich gereizt haben.» Zudem sei Deutsch über das Fach hinweg von Bedeutung. «Sprachliche Fähigkeiten sind für das Lernen in allen Fächern zentral.» Auch privat hat Nänny eine Neigung zur Sprache: «Ich lese sehr gerne. Am liebsten Historisches. Seien es Biographien oder Erzählungen, die sich an historischen Ereignissen orientieren.»
Gegen Ende seiner Lehrtätigkeit in Teufen machte Nänny eine Zusatzausbildung in Fachdidaktik Deutsch und studierte Linguistik. Ab 1999 war er Dozent am Seminar Kreuzlingen, ab 2004 an der neugegründeten PHTG. «Der Wechsel von der Volksschulbildung in die Erwachsenenbildung war eine Herausforderung.» Eine grosse Hilfe dafür waren ihm seine Erfahrungen aus seiner Zeit als Lehrer.

Der Appenzeller ist Anfang November zu einer Preisverleihung eingeladen: für den Worlddidact Award für innovative Bildungslösungen. Das Deutschlehrmittel für das siebte, achte und neunte Schuljahr, das Nänny mitverfasst hat, wird dort ausgezeichnet. Etwas, worauf der Dozent stolz sein kann. «Da steckt viel Herzblut drin.» Elf Jahre lang hat er in einem Team am Lehrmittel gearbeitet. Acht Bücher sind herausgekommen – ab dem zweiten Schuljahr für jede Klassenstufe eines. Nänny wurde angefragt, ob er am neuen Deutschbuch mitarbeiten wolle. Der Sprachwissenschafter Thomas Lindauer erhielt vom Verlag den Auftrag und holte Stephan Nänny mit ins Boot. «Ich habe Lindauer im Studium kennengelernt und ihm von meinem experimentellen Deutschunterricht erzählt. So ist der Kontakt zu Stande gekommen.» Nännys grosser Vorteil war, dass er Erfahrungen aus der Fachdidaktik und aus der Schulpraxis mitbrachte. «Die Inhalte, die ich als Lehrer im Unterricht ausprobiert habe, stehen nun teilweise im Lehrmittel.» 20 Jahre lang werden die Bücher laut Verlag etwa in Umlauf sein. «Schon bald wird sich die Frage nach ersten Überarbeitungen stellen», sagt Nänny.

Neue Ansätze für Grammatikunterricht
«Die Sprachstarken» beschäftigt sich mit den sechs Bereichen des Deutschunterrichts: Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben, Sprachstrukturen sowie Literatur. Eine Aufgabe, die der Dozent entwickelt hat, ist der Vergleich einer Sage in rätoromanischer und in deutscher Sprache. «So erkennen die Schüler die Eigenheiten der eigenen Sprache. Im Alltag denkt man kaum darüber nach.» Dieser Ansatz, das Erforschen der Sprache, sei ein neuer Zugang, den der Lehrplan Volksschule Thurgau verlangt. «Das ist das, was auch ich schon in meinem Unterricht versucht habe.»

Viele Lehrer müssen sich auf das Lehrmittel mit seiner neuen Herangehensweise an die Sprache erst einstellen. «Ich versuche, meinen Studenten die Idee dahinter mitzugeben», so Nänny. Grammatik beispielsweise werde, seit es Schulen gibt, sehr ähnlich unterrichtet. Jetzt gebe es neue Ansätze. «Es könnte eine ähnliche Skepsis aufkommen wie bei der Rechtschreibreform.» Die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern würden oft nur an der Korrektheit in Rechtschreibung und Grammatik gemessen. «Dass dies zu eng gedacht ist, zeigt sich auch im neuen Lehrplan, der die Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten aufzeigt.» Die Aufgaben im neuen Lehrmittel basieren auf Kompetenzmodellen. So werden alle Schüler auf ihrem individuellen Leistungsniveau angesprochen. «Damit werden die Lehrpersonen entlastet, was die primäre Aufgabe jedes Lehrmittels ist.»

Der Dozent ist auch häufig in der Weiterbildung tätig. «Ich versuche den Lehrpersonen zu vermitteln, was wir in jahrelanger Arbeit entwickelt haben.» Die Rückmeldungen seien positiv.

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