Unternehmen und Verbände sind in der Schule immer stärker präsent. Der
Lehrerverband kämpft mit einem neuen Verhaltenskodex gegen das Problem.
Firmen machen sich in Schweizer Schulen breit, 20 Minuten, 11.10. von F. Lindegger
Am 3. November ist Tag der Pausenmilch. «360'000
Schulkinder und Lehrpersonen in der ganzen Schweiz erhalten einen Becher Milch
kostenlos und werden über Milch informiert», heisst es zum Anlass auf der
Website Swissmilk, hinter der die Schweizer Milchproduzenten stehen. Die
Milchproduzenten nutzen den Anlass, um den Schülern die Vorzüge der Milch
anzupreisen. Auch Lehrer und Eltern erhalten Infoblätter.
Wie Swissmilk drängen unzählige Firmen, Verbände
oder Bundesämter in die Schulen. «Etwas Magisches passiert, wenn Apple-Produkte
im Unterricht genutzt werden», heisst es etwa auf der Website von Apple, wo die
unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten der Geräte für die Schule aufgezeigt
werden. Samsung stattet ganze Schulhäuser gratis mit Tablets und anderen
Gadgets aus. Aldiverteilt seit neustem Taschen mit
Obst und Pflüschfiguren.
Gesponsertes Unterrichtsmaterial
Doch auch die Unterrichtsmaterialien selbst stammen
teilweise von Firmen oder Verbänden. Das Unternehmen LerNetz etwa entwickelt
unter anderem im Auftrag von Firmen Lehrmittel. Auf Kiknet.ch können Lehrer
gratis vorbereitete Lektionen mit Arbeitsblättern und anderen Materialien
herunterladen, die von Firmen gesponsert wurden.
Die Erdölvereinigung ist dabei etwa
«Kompetenzpartner» für die Unterrichtseinheit Erdöl, die sich an
Oberstufenschüler richtet. Zum Thema Fliegen gibt es Material für sämtliche
Stufen, das in Zusammenarbeit mit der Fluggesellschaft Swiss erstellt wurde.
Auf jeder Seite prangt ein Flugzeug samt Logo der Airline. Die Arbeitsblätter
zum Thema Kakao zieren das Logo des Schokoladeproduzenten Cailler.
«Lehrperson muss entscheiden»
Die Absicht der Firmen und Verbände ist klar: Sie
möchten entweder ihre Ansichten in den Unterricht einfliessen lassen oder dafür
sorgen, dass Kinder und Jugendliche schon sehr früh eine Beziehung zur Marke
aufbauen.
«Schulen werden bombardiert mit Broschüren von Firmen,
Branchenverbänden oder Umweltorganisationen», sagt Jürg Brühlmann vom
Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz zu 20 Minuten. Er sieht vor allem
die Markenwerbung kritisch. «Sobald Logos im Spiel sind, wird es heikel.» Klar
geregelt sei der Umgang mit gesponsertem Material aber nicht. «Jeder Kanton,
jede Gemeinde hat eigene Richtlinien.» Letztlich müssten aber immer die
Lehrpersonen entscheiden, ob und wie sie solche Informationen im Unterricht
einsetzten, so Brühlmann.
Verhaltenskodex soll helfen
Das Problem, dass Firmen und Verbände den
Unterreicht beeinflussen, werde in Zukunft eher noch zunehmen, ist Brühlmann
überzeugt. «Die Schulen sind immer mehr von Abbaumassnahmen betroffen, sodass
Mittel im Lehrplan fehlen.» Firmen reagierten schnell und würden entsprechendes
Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellen.
Um dem Problem Einhalt zu gebieten, arbeite der
Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz zusammen mit Unternehmen an einem
Verhaltenskodex für gesponsertes Unterrichtsmaterial. Firmen könnten sich dann
verpflichten gewisse Regeln einzuhalten. «Der Kodex regelt beispielsweise, dass
Firmen zurückhaltend mit dem Gebrauch von Logos umgehen sollen», so Brühlmann.
Ende Jahr soll der Verhaltenskodex erstmals vorgestellt werden.
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