25. September 2016

Wissenschaft unterwirft sich politischem Diktat

Der Streit um das Frühfranzösisch ist symptomatisch für das Verhältnis von Bildungspolitik und Bildungsforschung hierzulande. Auf der einen Seite beschränkt sich das Interesse der EDK seit Jahren darauf, von der Wissenschaft Zustimmung für die eigenen Reformprojekte zu erhalten. Kritische Stimmen werden totgeschwiegen, jadiffamiert. Gleichzeitig wird überschätzt, was eine einzelne Studie über die komplexe Wirklichkeit in Schule und Unterricht auszusagen vermag. Die Bemerkung des EDK-Präsidenten, wonach es im Bildungsbereich derzeit «zu viele Studien» gebe, ist angesichts des Forschungsbedarfs im schweizerischen Bildungswesen schlicht unverständlich.
Leserbrief, NZZaS, 25.9. von Walter Herzog


Auf der anderen Seite gilt leider auch umgekehrt, dass nicht wenige Bildungsforscher den Erwartungen der Bildungspolitik nachkommen und der neuesten EDK-Reform unkritisch das Wort reden. Wenn sich «über hundert Fachleute» für zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe aussprechen, dann tun sie dies nicht, weil sie dazu empirische Belege vorlegen könnten, sondern weil sich ihre politische Haltung in der Fremdsprachenfrage mit derjenigen der EDK deckt. Geradezu absurd ist die Ansicht, die Wissenschaft könne den Fremdsprachenunterricht erst dann seriös untersuchen, wenn er sich in allen Kantonen «eingependelt» hat. Aus Sicht der Bildungsforschung wäre es ideal, wenn wir kantonale Unterschiede hätten, da sich nur so methodisch kontrolliert vergleichen liesse, welcher Weg zum Erwerb von zwei Fremdsprachen der erfolgreichere ist. Dies müsste auch die Haltung der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) sein, aber leider unterwirft auch sie sich dem politischen Diktat der EDK.

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