Diesen Dienstag um 17.22
Uhr erhielt ein Basler Lehrer eine E-Mail mit dem Betreff «Umfrage»
zugeschickt. Da ihn die Nachricht über den kantonalen Bildungsserver des Basler
Erziehungsdepartements (edubs) auf seiner Geschäftsadresse erreichte, ging er
wohl von einer internen Mitteilung seines Arbeitgebers aus. Doch das war nicht
der Fall. Als Absender stellte sich vielmehr die Starke Schule Baselland
heraus. Jene Widerstandsbewegung also, die im Baselbiet dem früheren Bildungsdirektor
Urs Wüthrich (SP) mit ihrer Opposition gegen die Umsetzung der Schulreformen
das Fürchten lehrte – und im Juni mit einer Volksinitiative die Einführung von
Sammelfächern verhinderte.
Befeuert durch ihre
Erfolge ist die Starke Schule nun offensichtlich entschlossen, ihr Wirkungsfeld
auf die Stadt auszudehnen. Im elektronischen Brief an die Basler Lehrkräfte
wird zur Teilnahme an einer Umfrage aufgefordert. Gebeten wird um Rückmeldungen
zu vier umstrittenen bildungspolitischen Aspekten. «Befürworten Sie, dass
bereits auf der Primarstufe zwei Fremdsprachen unterrichtet werden?», heisst es
etwa. Die Fragesteller wollen weiter wissen, was von den neuen Lehrmitteln
«Milles feuilles» oder «New World» gehalten wird, wie die Beurteilung zu
Sammelfächern wie «Räume, Zeiten, Gesellschaften» ausfällt und ob das
«selbstorganisierte Lernen» (dieses ist vorgesehen im Lehrplan 21)
Unterstützung findet.
Baselbieter Schulkritiker attackieren Christoph Eymann, Basler Zeitung, 30.9. von Christian Keller
Im Versand wird nicht
mit Kritik am Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann (LDP) gespart. Unter
seiner Führung als Präsident der nationalen Erziehungsdirektorenkonferenz seien
die Schulen weiter auseinandergedriftet. Von der Absicht, die Schulsysteme der
Kantone einander anzugleichen, sei wenig übriggeblieben. «Harmos, gemessen an
ihrem ursprünglichen Ziel, ist gescheitert. Geblieben sind einschneidende
Reformen, welche die Methodenfreiheit der Lehrpersonen signifikant
einschränken, verbunden mit einem deutlichen Bildungsabbau.»
Daten für Umfrage
«missbraucht»
Es liegt auf der Hand,
dass das Vorgehen der Baselbieter Schulkritiker in der Stadt wie eine
Kriegserklärung verstanden wird. Auf Anfrage der BaZ fällt die Reaktion Eymanns
denn auch gepfeffert aus.
«Es handelt sich um
einen Übergriff, den ich nicht akzeptieren kann. Es kann nicht angehen, dass
die internen E-Mail-Adressen unserer Lehrerinnen und Lehrer – ohne Rücksprache
mit dem Erziehungsdepartement – für tendenziöse Umfragen missbraucht werden.»
Ihm sei es ohnehin ein Rätsel, wie die Daten in fremde Hände gelangen konnten.
Der LDP-Regierungsrat
will die Attacken gegen seine Bildungspolitik nicht auf sich sitzen lassen.
«Das Schreiben strotzt vor Unterstellungen und leicht nachweisbaren
Falschinformationen.» Mit den Themen «Selbstorganisiertes Lernen» oder
«Sammelfächer» habe sich die Erziehungsdirektorenkonferenz – entgegen den
Behauptungen der Starken Schule – gar nie befasst, geschweige denn Beschlüsse
dazu gefällt. Eymann zur BaZ: «Peinlich für ein Komitee, das sich ständig als
Sittenwächter aufspielt, wenn es nicht einmal weiss, welche Tätigkeiten die
Erziehungsdirektorenkonferenz ausübt.» Auch die pauschale Aussage, wonach in
Basel ein «Bildungsabbau» stattgefunden habe, entbehre jeder Grundlage.
Man erkenne «nichts
Tendenziöses» daran, die Lehrpersonen nach ihrer Meinung zu befragen, findet
hingegen Saskia Olsson, die Geschäftsleiterin der Starken Schule. Auch die
Verwendung der E-Mail-Adressen sei unproblematisch, zumal diese «alle
öffentlich zugänglich» seien. Angriffig zeigt sich Vorstandsmitglied und
Landrat Jürg Wiedemann (Grüne-Unabhängige). Er stelle «interessante»
Unterschiede zwischen den beiden Halbkantonen fest. «Während die Baselbieter
Bildungs- ministerin Monica Gschwind die Meinungsvielfalt offen fördert,
versucht ihr Basler Amtskollege bikantonale Bildungsdiskussionen abzuwürgen.»
Wie Eymann erklärt, sei
es für ihn in Ordnung, wenn Vertreter der Starken Schule «an
Podiumsdiskussionen in Basel ihre Haltung zum neuen Frühfranzösisch-Lehrmittel
ab Blatt ablesen, wie ich es einmal erlebt habe». Die jetzt erfolgte
Einmischung in basel-städtische Belange verbitte er sich aber.
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