30. September 2016

"Unhaltbarer Übergriff"

Diesen Dienstag um 17.22 Uhr erhielt ein Basler Lehrer eine E-Mail mit dem Betreff «Umfrage» zugeschickt. Da ihn die Nachricht über den kantonalen Bildungsserver des Basler Erziehungsdepartements (edubs) auf seiner Geschäftsadresse erreichte, ging er wohl von einer internen Mitteilung seines Arbeitgebers aus. Doch das war nicht der Fall. Als Absender stellte sich vielmehr die Starke Schule Baselland heraus. Jene Widerstandsbewegung also, die im Baselbiet dem früheren Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP) mit ihrer Opposition gegen die Umsetzung der Schulreformen das Fürchten lehrte – und im Juni mit einer Volksinitiative die Einführung von Sammelfächern verhinderte.
Befeuert durch ihre Erfolge ist die Starke Schule nun offensichtlich entschlossen, ihr Wirkungsfeld auf die Stadt auszudehnen. Im elektronischen Brief an die Basler Lehrkräfte wird zur Teilnahme an einer Umfrage aufgefordert. Gebeten wird um Rückmeldungen zu vier umstrittenen bildungspolitischen Aspekten. «Befürworten Sie, dass bereits auf der Primarstufe zwei Fremdsprachen unterrichtet werden?», heisst es etwa. Die Fragesteller wollen weiter wissen, was von den neuen Lehrmitteln «Milles feuilles» oder «New World» gehalten wird, wie die Beurteilung zu Sammelfächern wie «Räume, Zeiten, Gesellschaften» ausfällt und ob das «selbstorganisierte Lernen» (dieses ist vorgesehen im Lehrplan 21) Unterstützung findet.
Baselbieter Schulkritiker attackieren Christoph Eymann, Basler Zeitung, 30.9. von Christian Keller


Im Versand wird nicht mit Kritik am Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann (LDP) gespart. Unter seiner Führung als Präsident der nationalen Erziehungsdirektorenkonferenz seien die Schulen weiter auseinandergedriftet. Von der Absicht, die Schulsysteme der Kantone einander anzugleichen, sei wenig übriggeblieben. «Harmos, gemessen an ihrem ursprünglichen Ziel, ist gescheitert. Geblieben sind einschneidende Reformen, welche die Methodenfreiheit der Lehrpersonen signifikant einschränken, verbunden mit einem deutlichen Bildungsabbau.»

Daten für Umfrage «missbraucht»
Es liegt auf der Hand, dass das Vorgehen der Baselbieter Schulkritiker in der Stadt wie eine Kriegserklärung verstanden wird. Auf Anfrage der BaZ fällt die Reaktion Eymanns denn auch gepfeffert aus.

«Es handelt sich um einen Übergriff, den ich nicht akzeptieren kann. Es kann nicht angehen, dass die internen E-Mail-Adressen unserer Lehrerinnen und Lehrer – ohne Rücksprache mit dem Erziehungsdepartement – für tendenziöse Umfragen missbraucht werden.» Ihm sei es ohnehin ein Rätsel, wie die Daten in fremde Hände gelangen konnten.
Der LDP-Regierungsrat will die Attacken gegen seine Bildungspolitik nicht auf sich sitzen lassen. «Das Schreiben strotzt vor Unterstellungen und leicht nachweisbaren Falschinformationen.» Mit den Themen «Selbstorganisiertes Lernen» oder «Sammelfächer» habe sich die Erziehungsdirektorenkonferenz – entgegen den Behauptungen der Starken Schule – gar nie befasst, geschweige denn Beschlüsse dazu gefällt. Eymann zur BaZ: «Peinlich für ein Komitee, das sich ständig als Sittenwächter aufspielt, wenn es nicht einmal weiss, welche Tätigkeiten die Erziehungsdirektorenkonferenz ausübt.» Auch die pauschale Aussage, wonach in Basel ein «Bildungsabbau» stattgefunden habe, entbehre jeder Grundlage.

Man erkenne «nichts Tendenziöses» daran, die Lehrpersonen nach ihrer Meinung zu befragen, findet hingegen Saskia Olsson, die Geschäftsleiterin der Starken Schule. Auch die Verwendung der E-Mail-Adressen sei unproblematisch, zumal diese «alle öffentlich zugänglich» seien. Angriffig zeigt sich Vorstandsmitglied und Landrat Jürg Wiedemann (Grüne-Unabhängige). Er stelle «interessante» Unterschiede zwischen den beiden Halbkantonen fest. «Während die Baselbieter Bildungs- ministerin Monica Gschwind die Meinungsvielfalt offen fördert, versucht ihr Basler Amtskollege bikantonale Bildungsdiskussionen abzuwürgen.»

Wie Eymann erklärt, sei es für ihn in Ordnung, wenn Vertreter der Starken Schule «an Podiumsdiskussionen in Basel ihre Haltung zum neuen Frühfranzösisch-Lehrmittel ab Blatt ablesen, wie ich es einmal erlebt habe». Die jetzt erfolgte Einmischung in basel-städtische Belange verbitte er sich aber.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen