NZZ am
Sonntag: Sie sind in der
Deutschschweiz aufgewachsen. Wann haben Sie Französisch gelernt?
Monika Maire-Hefti: Erst in der Oberstufe – und vor allem später
im Welschlandjahr.
Das
hat ja offensichtlich bestens funktioniert. Man fragt sich, warum nun so viel
Aufhebens um das Frühfranzösisch in der Deutschschweiz gemacht wird.
Damals
war es noch eine ganz andere Zeit. Die Fremdsprachen waren generell kein
grosses Thema an den Schulen, und die Konkurrenz durchs Englisch war noch nicht
so gross. Wenn man eine Fremdsprache lernte in der Deutschschweiz, dann in
erster Linie Französisch.
Heute
scheinen die Nerven blank zu liegen, warum?
Weil
sich die Sprachminderheiten im Land zunehmend an die Wand gedrängt fühlen. Es
geht also vor allem um Befindlichkeiten in dieser Frage.
Nun
hat sich Bundesrat Alain Berset in den nationalen Sprachenstreit eingemischt. Er
strebt eine Bundeslösung an – vor allem, um das Frühfranzösisch zu verteidigen.
Das dürfte Ihnen gefallen.
Als
Regierungsrätin bin ich natürlich eine Verfechterin der kantonalen
Souveränität. Darum stehe ich dieser Einmischung kritisch gegenüber. Aber wenn
unsere Sprachkultur und unsere Mehrsprachigkeit aufs Spiel gesetzt werden, muss
der Bund etwas unternehmen. Ich hoffe jedoch, dass wir die Intervention
abwenden können, indem wir uns innerhalb der Erziehungsdirektorenkonferenz auf
einen neuen Kompromiss einigen.
Warum?
Erstens,
weil Schule eine kantonale Angelegenheit ist und keine Sache des Bundes. Und
zweitens, weil mit einer Anpassung des Sprachengesetzes die Gefahr eines
Referendums und damit einer nationalen Abstimmung in der Fremdsprachenfrage besteht.
Wir müssen alles daran setzen, das zu verhindern.
Weshalb
diese Furcht?
Im
Moment ist die Stimmung in Schulfragen ziemlich stark aufgeheizt – vor allem
wegen des Lehrplans 21. Es wird darum schwierig, eine differenzierte Diskussion
zu führen.
Haben
Sie Angst vor einem Nein der Deutschschweiz?
Eine
Abstimmung in der Sprachenfrage könnte verheerende Folgen haben. Die welsche
Schweiz ist in der Minderheit. Darum möchten wir das Risiko nicht eingehen,
dass sich die Deutschschweizer von unserer Sprache ganz abwenden.
Würden
sich umgekehrt die Welschen für das Frühdeutsch entscheiden? Es ist ja auch
nicht gerade ihre Lieblingssprache.
Das
stimmt zwar, doch zeigen die Welschen einen starken Willen, Deutsch zu lernen.
Für sie ist es wichtig, weil sie ein wirtschaftliches Interesse haben.
Was
können Sie tun, um eine Eskalation des Sprachenstreits zu verhindern?
Ich
werde das Thema zuerst mit meinen welschen Kollegen diskutieren, und dann
müssen wir versuchen, innerhalb der Erziehungsdirektorenkonferenz eine Lösung
zu finden. Wenn wir uns auf einen guten Kompromiss einigen können, dem alle
Kantone zustimmen, dann können wir vielleicht auch noch eine Bundesintervention
abwenden. Wir können das Problem aber nur lösen, wenn wir etwas flexibler
werden.
Wie
würde ein solcher Kompromiss aussehen?
Man
könnte den Kantonen mehr Freiheiten geben, wann sie innerhalb der
obligatorischen Schulzeit mit welcher Fremdsprache beginnen. Das ist ja
eigentlich auch nicht so ausschlaggebend. Was aber aus meiner Sicht zwingend
ist, ist, dass alle Schüler bis zum Ende ihrer Schulkarriere ein gewisses
Niveau in der zweiten Landessprache erreichen.
Das
heisst Französisch müsste in der Deutschschweiz nicht mehr unbedingt in der
Primarschule unterrichtet werden?
Oder
Englisch. Das muss man dann thematisieren und diskutieren. Ich will natürlich,
dass Französisch in der Reihenfolge zuerst kommt. Englisch lernen die Jungen
sowieso früher oder später, weil es viel einfacher und allgegenwärtig in der
heutigen Gesellschaft ist.
Mit
welcher Position steigen Sie in die Diskussion mit Ihren Kollegen aus den
anderen Kantonen?
Ich
werde mich dafür einsetzen, dass weiterhin eine zweite Landessprache in der
Primarschule gelehrt werden muss. Dafür könnte Englisch auch erst auf der
Oberstufe unterrichtet werden. Das wäre ein möglicher Kompromiss. Auch darüber
muss man sprechen. Doch alle haben Angst, auf diesem Gebiet innovativ zu sein.
In der Politik sind die Sensibilitäten in der Sprachenfrage gross.
Der
Streit um die Fremdsprachen in der Schule ist ja auch mehr ein politischer als
ein pädagogischer, wie es scheint.
Ja
und nein. Aus pädagogischer Sicht ist es sinnvoll, früh mit Fremdsprachen zu
beginnen und diese auch möglichst intensiv zu lernen. Die Kinder sind dann
freier einer neuen Sprache gegenüber und wenden sie ohne Hemmungen an. Dann
entwickeln sie auch eher eine Liebe zu dieser Fremdsprache. Heute haben die
Welschen keine Freude am Deutschen und die Deutschschweizer keine Freude an
Französisch. Das heisst, dass da noch einiges nicht optimal ist und verbessert
werden kann.
"Aber wenn unsere Sprachkultur und unsere Mehrsprachigkeit aufs Spiel gesetzt werden, muss der Bund etwas unternehmen." Ist das noch zu toppen? Vielleicht mit dieser Aussage: "Englisch lernen die Jungen sowieso früher oder später." Dies im Sinne von: Deutsch können sie ja sowieso und Rechnen lernen sie früher oder später ganz bestimmt auch.
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