Das eigene Kind. Natürlich ist es das
schönste, beste, intelligenteste. Es kann so toll schwimmen, vielleicht, nein,
mit ziemlicher Sicherheit wird es einmal Olympiasieger. Es kann so toll malen,
vielleicht, nein, mit ziemlicher Sicherheit wird es einmal den Turner-Preis
gewinnen. Es kann so toll rechnen, vielleicht, nein, mit ziemlicher Sicherheit
ist es hochbegabt.
Hooligan-Eltern: Zu viel Ehrgeiz, zu viel Einmischung, Sonntagszeitung, 21.8. Kommentar von Andrea Bleicher
Eltern sind Fans ihres Nachwuchses. Das ist
gut so. Vorwärts, Team Kind! Aber wie im Sport gibt es ihn genauso im
Familienleben: den Unterschied zwischen einem eifrigen Unterstützer, der auch
bei Niederlagen motivierend zur Seite steht. Und einem Hooligan.
Hooligan-Eltern wollen den Erfolg ihres
Kindes erzwingen. Sie schüchtern ein, suchen den Konflikt, sind besessen davon,
das Fantasiebild des perfekten Sohns, der perfekten Tochter durchzusetzen. Sie
wollen Siege erstreiten, den Gegner in die Knie zwingen.
Als Gegner haben sie die Lehrer ausgemacht.
Die haben nicht nur mit ständig ändernden Lehrplänen zu tun und immer neuen
Diskussionen über den Sinn von Frühfranzösisch. Sie müssen sich jetzt in
Crashkursen zu Juristen weiterbilden. Wie Staatsanwälte führen sie Aktendossiers,
um auf mögliche Rekurse vorbereitet zu sein. Alles kann zum Streitfall werden:
Noten, Aufsätze, Ferientage, das Projekt eines Schülers, der Pflanzen wachsen
lässt.
Dass die Lehrerinnen und Lehrer das Kind
realistisch beurteilen – die wahrscheinliche Erklärung scheint klagefreudigen
Eltern fern. Sie erwarten zu viel. Und sind selbst zu viel. Zu viel
Einmischung. Zu viel Ehrgeiz. Ihre Obsession mit der Schulkarriere ihrer Kinder
hat die Klassenzimmer zu juristischen Kampfzonen gemacht.
Die Lehrer brauchen die Unterstützung der
Eltern. Die Schule ist kein Dienstleister, der gefälligst das Produkt
«vollkommenes Kind» zu liefern hat. Und die Eltern keine Kunden, die das Recht
darauf haben.
Vernunft lässt sich nicht erzwingen. Aber man
kann daran appellieren. Sich dem Wettbewerb um das tollste aller tollen Kinder
versagen. Aufhören zu prahlen und ständig Leistungen zu vergleichen. Der
4-Jährige kann noch nicht schreiben? Gut so. Die 13-Jährige hat keine Klasse
übersprungen? Na und? Eltern können Druck rausnehmen, in der Hoffnung, dass
andere dem Beispiel folgen.
Darum bekenne ich: Meine Kinder sind nicht
perfekt. Sie sind nicht hochbegabt. Sie haben keine ausserordentlichen Talente.
Sie sind durchschnittlich. Sie sind normal. Sie sind grossartig.
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