Darf eine Lehrerin mit
Kopftuch zum Unterricht erscheinen? Müssen auch Hindus oder jüdische Schüler am
christlichen Religionsunterricht teilnehmen? Und darf ein muslimischer Schüler
während des Fastenmonats Ramadan dem Sporttag fernbleiben? Anlässlich des
Beginns des Schuljahres 2016/17 gibt die Erziehungsdirektion des Kantons Genf
eine Broschüre zum Thema Religion und Schule heraus. Das rund 30-seitige, mit
Karikaturen des Genfer Zeichners Zep gespickte Dokument «Laizismus an der
Schule» wurde am Freitag
den Medien vorgestellt.
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He, Frau Lehrerin, Kevin zeigt den Hinduismus in protziger Art und Weise! Bild: Zep
Die Religion aus dem Klassenzimmer verbannen, NZZ, 20.8. von Andrea Kucera
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Das Büchlein soll dem Genfer Lehrpersonal gemäss den Worten von
Erziehungsdirektorin Anne Emery-Torracinta in einem politisch aufgeheizten Klima
als Leitfaden im Umgang mit schwierigen Situationen dienen. Mit anderen Worten:
Die Broschüre soll unter anderem verhindern, dass es in Genf zu einer ähnlichen
Affäre wie in Therwil im Kanton Basel-Land kommt. Dort verweigerten zwei jugendliche
Schüler muslimischen Glaubens ihrer Lehrerin den Händedruck, was vom
zuständigen Schulleiter toleriert wurde.
Die Broschüre ruft
zunächst in Erinnerung, dass in Genf der Laizismus gilt, also das Gebot der
Konfessionslosigkeit des Staates. Für die öffentliche Schule bedeutet dies:
Religion hat im Klassenzimmer nichts zu suchen. Zwar gelte dieser Grundsatz
seit langem, doch habe in den letzten Monaten die Verunsicherung beim
Lehrpersonal zugenommen, sagte Emery-Torracinta. Die Debatte, was Laizismus
genau bedeutet, wird dieser Tage im Übrigen nicht nur in Bezug auf die Schule
geführt, sondern mit zunehmender Heftigkeit auch innerhalb des Genfer Grossen
Rates, der diesen Herbst ein neues
Laizismusgesetz verabschieden soll. Eine der kontrovers diskutierten
Fragen lautet: Ist es mit der Neutralität des Staates vereinbar, wenn die
Kassierin eines kantonalen Museums mit Kopftuch zur Arbeit erscheint? Die einen
plädieren für Toleranz gegenüber Andersgläubigen und sagen Ja. Die andern sind
für eine konsequente Auslegung der Neutralität und finden Nein. Letztere sehen
sich nicht selten mit dem Vorwurf der Islamfeindlichkeit konfrontiert.
Keine Extrawürste
Doch zurück ins Klassenzimmer: Ausschlaggebend für die
Herausgabe der neuen Broschüre war kein Vorfall im Zusammenhang mit der
Integration muslimischer Kinder, sondern der Entscheid der Erziehungsdirektion
im Frühling 2015, die Aufführung der Kinderoper «Arche Noah» durch Genfer
Schulkinder zu unterbinden. Es sei mit
dem Laizismus nicht vereinbar, hiess es als Begründung, wenn Kinder im Rahmen
des Unterrichts ein Lied singen müssten, das einem Gebet gleichkomme.
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