Die bundesrätliche Intervention zum Frühfranzösisch ist der
falsche Weg. Gefragt wäre Begeisterung.
Zwängerei auf Kosten der Kinder, Tages Anzeiger, 6.7. von Arthur Rutishauser
«Der Bundesrat ist der Ansicht,
dass staats- und bildungspolitische Gründe harmonisierte Vorgaben zum
Unterricht der Landessprachen erfordern»: Damit rechtfertigt Bundesrat Alain
Berset sein Eingreifen im Sprachenstreit. Bern will den Kantonen vorschreiben,
sie müssten bereits in der Primarschule eine der Landessprachen als
Fremdsprache unterrichten.
Es gab wohl noch selten
eine schwächere Begründung für eine zentralstaatliche Massnahme – und erst noch
auf Kosten der Kinder. Noch seltener war der vorgeschlagene Weg weniger
zielführend. Damit keine Missverständnisse entstehen: Es soll hier keineswegs
vertreten werden, dass man künftig in Schulen kein Französisch mehr lernt. Im
Gegenteil: Ein Grossteil der Absolventen der Sekundarschule muss die Sprache
beherrschen.
Nur der Weg, der laut Bundesrat dazu führen soll – der ist
völlig falsch. In französischer Zentralstaatsmanier versucht man das Pferd von
hinten aufzuzäumen. Nämlich, indem man nicht etwa darauf hinwirkt, dass
Lernziele im ganzen Land erreicht werden, sondern indem man eine unsinnige
Vorgabe erlässt – egal, ob sie erfolgreich ist oder nicht. Das heisst: Künftig
sollen die Kantone zu den Guten gehören, die ab der 5. Primarschulklasse zwei
Stunden pro Woche Französisch für obligatorisch erklären. Wer das nicht tut,
der bricht das Gesetz. Ob die Schüler danach auch die Sprache sprechen können,
ist egal.
Im Kanton Zürich fahren Behörden in der Frage seit den
80er-Jahren einen Zickzackkurs. Erst wurde spielerisches Lernen propagiert,
dann plötzlich war «English first» die Devise, und seit dem Schuljahr 2007/08
benoten wir das Können der Schüler im Französisch ab der 5. Klasse. In dem
Sinne zählen wir zu den «Guten». Nur: Für die Aufnahmeprüfung ins
Langzeitgymnasium ist Französisch trotzdem nicht relevant. Und dass die Kinder
heute besser Französisch sprechen als vor 30 Jahren, das wird wohl niemand
ernsthaft zu behaupten wagen.
Im Gegenteil: Alle wissenschaftlichen Studien haben ergeben,
dass ein früher Beginn beim Französischunterricht nicht zu besseren Resultaten
führt. Vielmehr zeigt sich, dass nach kurzer Zeit in der Sekundarschule die
Unterschiede zwischen Schülern mit und ohne Vorkenntnisse kaum ins Gewicht
fallen. Und vor allem: Die Lernerfolge im Französischen sind geradezu
katastrophal, egal, nach welchem System gelehrt wird. Das bestätigte letztmals
eine Studie der Uni Freiburg. Daraus ging hervor, dass gerade mal 3,4 Prozent
der Achtklässler die Lernziele erreichten, wenn es darum ging, Französisch zu
sprechen. Beim Lesen und Schreiben waren es immerhin 30 Prozent. Im Englischen
erreichten zwei Drittel beide Lernziele. Bei der Motivation gaben zwei Drittel
der Schüler an, sie würden gerne Englisch lernen, im Französischen gerade mal
ein Drittel. Auch die Motivation der Französischlehrer war viel geringer als
die der Englischlehrer.
Es braucht neue Wege, wie man die Schüler und die Lehrer wieder
für das Französisch begeistert. Und vor allem, wie kriegen wir es hin, dass die
Lehrerfolge den gesteckten Zielen entsprechen? Hier führt eher der gesunde
Menschenverstand zum Ziel als Dogmen. Wenn man eine Sprache lernt, sollte dies
in einer möglichst hohen Intensität erfolgen – mit anderen Lernenden, die
gleich weit sind. Das heisst in der Praxis: nicht zwei Alibistunden ab der 5.
Klasse, sondern lieber sechs Stunden in der Sekundarschule. Und dort nicht in
gemischten Klassen, sondern niveaugleich mit dem Ziel, dass die Schüler sich
mit ihren Kollegen in Genf unterhalten können. Ob sie dann alle Ausnahmen des
Subjonctif kennen, ist sekundär, aber dass sie motivierter werden, die zweite
Landessprache zu erlernen, primär.
"Künftig sollen die Kantone zu den Guten gehören, die ab der 5. Primarschulklasse zwei Stunden pro Woche Französisch für obligatorisch erklären. Wer das nicht tut, der bricht das Gesetz. Ob die Schüler danach auch die Sprache sprechen können, ist egal." Rutishauser bringt die Fremdsprachendebatte auf den Punkt!
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