Noch hatte
Bundesrat Alain Berset seine Ausführungen zur Revision des Sprachengesetzes
kaum beendet, da ertönten aus den Kantonen schon erste Referendumsdrohungen. An
seiner Sitzung vom Mittwoch hat der Bundesrat eine Vorlage präsentiert, die die
Kantone dazu zwingen soll, sich an den im Jahr 2004 beschlossenen und später
bestätigten Sprachenkompromiss zu halten. Er lautet: In der ganzen Schweiz
werden in der Primarschule zwei Fremdsprachen unterrichtet. Die erste ab der
dritten Klasse, die zweite ab der fünften (Modell 3/5). Eine der beiden
Sprachen muss eine Landessprache sein.
Raclette reicht nicht, NZZ, 8.7. Kommentar von Daniel Gerny
Schon früh sorgten Zweifel am Erfolg des Frühsprachunterrichts
dafür, dass man sich von diesem Übereinkommen distanzierte. Das Thurgauer
Parlament will aus dem Kompromiss aussteigen und den Französischunterricht in
die siebte Klasse verschieben. Und vielleicht schon im nächsten Jahr
entscheidet im Kanton Luzern das Volk über eine Initiative mit ähnlicher
Stossrichtung. Es ist vor dem Hintergrund dieser Diskussionen verständlich,
dass die Kantone auf ihre Souveränität in Bildungsfragen pochen und Widerstand
ankündigen – zumal sie vor kurzem in einem Brief erneut bestätigt haben, den
Harmonisierungsauftrag der Verfassung zu erfüllen.
Bloss sollte vor lauter Föderalismus und Bildungswissenschaft das
Bewusstsein für die Funktion und die Bedeutung der Landessprachen nicht
abhandenkommen. Auch wenn es nirgends ausgedeutscht wird: Die gegenwärtige
Debatte richtet sich in ihrer Wirkung gegen das Französisch. Es akzentuiert
sich eine Entwicklung, die sich seit Beginn der Fremdsprachen-Harmonisierung
zeigt: Englisch als dominierende Wirtschafts- und Wissenschaftssprache verdrängt
die zweite Landessprache. Es ist weder Zufall, dass die Verschiebung des
Französischunterrichts in Kantonen ohne Sprachgrenze zum Thema wird, noch, dass
die Gegenreaktion aus einem Department unter welschem Vorsitz kommt.
Dabei ist das Französisch schon heute in der Defensive: In Städten
wie Biel gerät die Zweisprachigkeit unter Druck, Politiker ohne rhetorisches
Talent in Deutsch bringen ihre Botschaft auf nationaler Ebene kaum unters Volk,
und Cousins aus unterschiedlichen Landesteilen unterhalten sich lieber in
Englisch. Das ist von Bedeutung, weil Verstehen in einer eigenen Landessprache
mehr bedeutet als das blosse Verständigen in einer für beide fremden Sprache.
Es erfordert das Eingehen auf Rhythmus, Kultur und Temperament des andern – wer
in Italien in den Ferien ist, kennt dieses Gefühl. Ohne diese Verbundenheit
fehlt der Schweiz nicht nur eine Klammerfunktion, sondern auch ein
wirtschaftlicher Trumpf: zum Beispiel bei der Arbeitsmigration, die schon heute
über die Landesgrenzen leichterfällt als zwischen den Sprachregionen.
Das Französisch braucht die Aufmerksamkeit, die das Englisch heute
ohne bildungspolitisches Zutun auf sich zieht. Schülerinnen und Schüler wachsen
dank Youtube, Immersionsklassen oder Expats auf Pausenhöfen und in Sportklubs
weit selbstverständlicher mit Englisch auf als jede Generation zuvor. Das ist
der grösste Trumpf dieser Sprache. Das Gefühl für die Westschweiz aber
schwindet – und beschränkt sich irgendwann nur noch auf Käse. Doch Raclette zu
mögen, reicht nicht aus. Man sollte es dort, wo es herkommt, auch bestellen
können.
"Doch Raclette zu mögen, reicht nicht aus. Man sollte es dort, wo es herkommt, auch bestellen können." Die Verknüpfung von Frühfranz und besseren Sprachkenntnissen ist ja genau das, was nicht klappt. Und das hat offenbar weder Alain Berset noch Daniel Gerny kapiert. Würden diese sich mal die Mühe machen und hinschauen, was unsere Kinder und Jugendlichen nach 7 Jahren Franz können, dann müssten doch auch bei ihnen die Alarmglocken läuten.
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