11. Juni 2016

Eymann krebst zurück

Der nach seinen rufschädigenden Äusserungen gegen die Studie der Zürcher Wissenschafterin Simon Pfenninger in die Kritik geratene EDK-Präsident Christoph Eymann krebst zurück. Zwar kann er sich noch immer nicht zu einer Entschuldigung durchringen, hält aber gegenüber dem Basler Schulblatt fest, dass seine Kritik nicht der Studie und schon gar nicht der Verfasserin gegolten habe.
"Diese Behauptungen sind für mich ein gröberes Foul", Basler Schulblatt Juni 2016, Interview von Peter Wittwer


Anders als gegenwärtig im Nachbarkanton Basel-Landschaft ist Basel-Stadt kaum etwas von einer Fundamentalopposition gegen die Richtung zu spüren, in die sich die Schulen in der Aera Eymann entwickelt haben. Im langsam anlaufenden Wahlkampf wurden aber in politischen Vorstössen von Katja Christ (Grünliberale) und einer Kolumne der FDP- Vizepräsidentin Nadine Gautschi in der BaZ Vorwürfe laut, die der abtretende Vorsteher des Erziehungsdepartementes nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen mag. Im Interview mit der Schulblatt-Redaktion nimmt Christoph Eymann Stellung zu kritischen Fragen zu den verschiedenen Unterrichtsmodellen auf der Sekundarstufe I, zum Fremdsprachenunterricht und zu den «klassischen Managementfehlern», die dem ED beim Einsatz der beträchtlichen Mittel für die Volksschule unterlaufen sein sollen.

Basler Schulblatt: Der Wagen der Volkschule stecke im Morast, weil die Ideen und Konzepte als Zugpferde davon galoppiert sind, wirft ihnen FDP-Vizepräsidentin Nadine Gautschi in einer BaZ-Kolumne vor. Das ist eine ziemlich drastische Schilderung.

Christoph Eymann: Dieser Vorwurf ist für mich nicht nachvollziehbar und eine Frechheit gegenüber allen Lehrpersonen, die mit viel Engagement dafür sorgen, dass an den Basler Schulen täglich ein Unterricht stattfindet. Ich verstehe, dass sich Eltern mit schulpflichtigen Kindern stark für den Schulalltag interessieren. Es ist aber nicht dienlich, aufgrund eigener Erlebnisse gleich das gesamte Schulsystem schlecht zu reden. Wer leichtfertig behauptet, die Volksschule stecke im Morast fest, begeht ein gröberes Foul und versucht sich – mit teilweise widersprüchlichen Argumenten – auf Kosten anderer zu profilieren.

Was für Widersprüche sprechen Sie an?

Gerade die FDP hat es sich ja auf die Fahne geschrieben, die Schulen von unnötiger Bürokratie zu entlasten. Da mutet es absurd an, dass deren Vizepräsidentin in der Kolumne eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse der Reformvorgänge an der Volksschule fordert. Um das seriös zu leisten, bräuchte es sicher nicht weniger, sondern mehr Evaluationen und Analysen, die die Schulen neben dem Unterricht zusätzlich belasten würden. Für die Grossratswahlen hat die FDP den Slogan «Mehr Unterricht, weniger Lernbericht» erfunden – da frage ich mich: will die FDP tatsächlich keine Beurteilungen der Schulleistungen mehr? 

Was stehen sie zur Forderung, insbesondere an den Primarschulen müsse die Anzahl der Lehr- und Fachpersonen hinterfragt und die Wirksamkeit der Fördermassnahmen grundsätzlich überprüft werden?

Da muss ich ganz klar sagen, dass die Albert Anker-Idylle mit dem Dorfschullehrer, der allein für den ganzen Unterricht von 40 oder noch mehr Kindern zuständig ist, den Verhältnissen an den Basler Schulen unmöglich gerecht werden kann. Mit der vom Grossen Rat beschlossenen Schulreform, die übrigens auch von der FDP unterstützt worden ist, braucht es an der um zwei Jahre verlängerten Primarschule das Zusammenspiel von Spezialisten im Schulzimmer. Wenn wir nicht wollen, dass diese Ressourcen bereit gestellt werden, dann ist die integrative Volksschule nicht umsetzbar.

Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet die FDP sich vor diesen Wahlen bildungspolitisch so zum Fenster hinauslehnt?

Die FDP hat offensichtlich die Bildung entdeckt. Ein Indiz dafür ist für mich auch die von den Jungfreisinnigen lancierte Volksinitiative für mehr Politikunterricht an den Schulen. Dabei werden zwei Tatsachen übersehen: Den Politik-Unterricht gibt es bereits, einfach nicht als so bezeichnetes Schulfach und es ist gefährlich, die Schule mit Volksinitiativen steuern zu wollen. Klar, mehr Politikunterricht tönt gut. Aber auch mehr Musikununterricht. Oder mehr Französischsstunden. Die stundentafel ist eine sehr anspruchsvolle Angelegenheit, die man nicht mit Volksinitiativen verändern sollte. Wohin das führen kann, sieht man in unserem Nachbarkanton, wo die diversen Volksinitiativen eine Verunsicherung der Schule bewirkt haben und kaum noch jemand den Überblick hat. Immerhin ist die FDP noch nicht so weit wie vor einigen Jahren, als auf Plakatwänden verkündet wurde, das Beste an den Basler Schulen seien die Pausen. Es gäbe bessere Tummelplätze für die basel-städtische FDP, zum Beispiel das Gespräch mit ihren Parteilkolleginnen und -kollegen im Landrat über die Uni-Finanzierung…

Als Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz haben sie das Passepartout-Konzept verteidigt. Hohe Wellen geschlagen hat vor allem, dass sie eine Langzeitstudie, in der die Wirksamkeit des frühen Erlernens vom Fremdsprachen bezweifelt wird, als «offensichtlich qualitativ nicht genügend» bezeichnet haben. Was hat sie dazu bewogen und halten sie an dieser Einschätzung fest?

Dazu muss ich ganz klar sagen, dass meine Kritik nicht auf die Studie und schon gar nicht deren Verfasserin zielt, sondern auf die Argumentation, zu der die Studie dienen soll gemäss Basler Zeitung. In Einklang mit dem Bildungsforscher Stefan Wolter bin ich überzeugt, dass die Studie keine schlüssigen Antworten liefert, ob die mit dem Projekt Passepartout angestrebten Ziele erreicht werden können. Bis die auf 2018 vorgesehene Evaluation des Projekts vorliegt, kann man natürlich vieles behaupten und sich über die Tauglichkeit der Lehrmittel streiten. Damit dies nicht nur auf Stammtisch-Niveau geschieht, werden wir noch vor den Sommerferien Info-Abende organisieren, an denen Eltern Antworten auf kritische Fragen zu den verwendeten Lehrmitteln bekommen.  

Braucht es nach ihrer Einschätzung nach Beendigung des Projekts Anpassungen, wie dies die grünliberale Grossrätin Katja Christ in einer Interpellation fordert?

Auf diese Frage kann und will ich erst antworten, wenn die Resultate der Evaluation vorliegen. Es bringt wenig, wenn die Grünliberale Partei eine Umfrage bestellt mit dem Ziel, die Lehrmittel schlecht darzustellen. Ich stelle natürlich fest, dass viele Eltern sich damit schwer tun, dass ihre Kinder eine Fremdsprache an der Schule ganz anders erlernen und die Lehrmittel anders daherkommen, als sie es gewohnt sind. Der Fokus hat sich klar weg von einer von Beginn weg korrekten Grammatik und Rechtschreibung zu besserem Hörverständnis und der Fähigkeit verschoben, sich schon früh mit Fremdsprachigen unterhalten zu können. Bei Ausflügen von Primarschulklassen zum Beispiel in den Jura funktioniert das, so weit ich das mitbekommen habe, recht gut. Wenn es sich nach unserer seriösen Evaluation zeigen sollte, dass es Anpassungen braucht, werden wir die sicher machen.

In einer schriftlichen Anfrage kritisiert Katja Christ, dass es an den Sekundarschulen unterschiedliche Unterrichtsmodelle gibt, in die Schülerinnen und Schüler zum Teil gegen ihren Willen eingeteilt werden.


Ich finde es richtig und wichtig, dass die Sekundarschulen die Freiheit haben, selbst wählen zu können, wie sie die Ziele erreichen wollen, die der Lehrplan 21 vorgibt. Das Schulgesetz ist unlängst vom Grossen Rat dahingehend geändert worden. Die Initiative zu den verschiedenen Unterrichtsmodellen ging von den Schulen und nicht vom ED aus und ich sehe keinen Grund, hier zu intervenieren. Der Vorstoss zeigt mir, wie verwöhnt wir in der Schweiz sind. Ein Teil der Eltern meint, an der Volksschule den Schulinhalt für ihre Kinder bis ins letzte Detail nach ihren Wünschen zusammensetzen zu können. Das ist nun halt mal nicht so. Ich bin überzeugt und die Erfahrung zeigt, dass viele Eltern aus einer gewissen zeitlichen Distanz sehen, dass die Einteilung an einen anderen als Standort als den, den sie gewünscht haben, ihren Kindern nicht geschadet, sondern häufig sogar genutzt hat.  

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