11. Juni 2016

Basler Vorstoss zum Fremdsprachenunterricht

Wissenschaftliche Erkenntnisse (vgl. Studie Simone Pfenninger) zeigen auf, dass das frühere Erlernen einer Fremdsprache in der Schule nicht besser erreicht wird, wenn nicht bestimmte Rahmenbedingungen gegeben sind, insbesondere eine zeitlich ausreichend intensive Befassung mit der Sprache, z.B. im Rahmen von Immersionsunterricht (d.h. Unterricht, der in der Fremdsprache gehalten wird) oder Intensivierung der Stundentafel auf der Sekundarstufe. Als Kind früher eine Sprache zu lernen ist nach wissenschaftlichem Stand eben nicht immer besser, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Anzug Katja Christ 8glp) für dringliche Anpassungen im Frühfremdsprachenunterricht, Kanton Basel-Stadt, 8.6.


Neu werden im Kanton Basel-Stadt zwei Fremdsprachen bereits auf der Primarstufe gelehrt. Die gesamte Anzahl Unterrichtsstunden (im Vergleich zu vor Harmos) wurde jedoch nicht ausgedehnt, sondern beibehalten bzw. sogar leicht reduziert. Dadurch wurde das Lernen der Fremdsprache zwar vorverschoben, zugleich aber die Intensität des Lernens stark reduziert (was vielen nicht bekannt ist). Aus wissenschaftlicher Sicht ist dies problematisch. Dazu kommt, dass das neu eingeführte Lehrmittel „mille feuilles“ im Prinzip genau die fehlende Intensität des Unterrichts benötigt, um wirksam die Sprache erlernen zu können (als so genanntes „Sprachbad“). Zudem ist mit dem neuen Lehrmittel auf Primarstufe und der reduzierten Intensität trotzdem sicher zu stellen, dass die scharfen Lernziele der nachfolgenden Sekundar- und Gymnasialstufe erreicht werden (Wortschatz, Grammatik etc.), was im aktuellen Setting nach Stand der Wissenschaft unsicher ist.
Der Regierungsrat hat sich bislang geweigert, diese einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu akzeptieren, geschweige denn mögliche Massnahmen im Fremdsprachenunterricht daraus abzuleiten. Zudem entstand in den letzten Jahren Unruhe in der betroffenen Elternschaft, die sich in lebhaften Diskussion mit der Lehrerschaft, Schulleitungen, in Foren, in Schulräten usw. äussert. In anderen Kantonen ist die Diskussion schon weiter. Es formieren sich Aktivitäten gegen das Lehrmittel oder für seine Weiterentwicklung oder gar politische Initiativen zum Ausstieg aus der Frühfremdsprache resp. dem Verschieben der zweiten Fremdsprache auf die Sekundarstufe.

Die Anzugstellenden wollen beim Regierungsrat erwirken, sich dringlich mit dem Thema und den wissenschaftlichen Erkenntnissen fundiert zu befassen. Er soll prüfen und berichten:

1. wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Frühsprachenunterricht zu bewerten sind und im Schulalltag umgesetzt werden können;

2. ob er mit Blick auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse nach Abschluss des Projekts Passepartout im Jahre 2018 beim aktuellen Lehrmittel „mille feuilles“ bleiben will resp. sich nicht ein Wechsel des Lehrmittels aufdrängt oder ob er die Vorgabe der Lehrmittelwahl lockern könnte (Lehrmittelfreiheit wie z.B. auch bei Privatschulen und öffentlichen Schulen anderer Kantone möglich);

3. wie mit Blick auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Rahmen von Harmos und der aktuellen Regelung von zwei Frühfremdsprachen eine Verbesserung der Lerneffizienz mit dem aktuellen Lehrmittel erreicht werden kann, vor allem so, dass die Kinder effektiv mit Erfolg Französisch lernen. Er prüft dabei insbesondere:

a) Die Einführung von Immersionsunterricht (Voraussetzung für das „Sprachbad“);
b) Intensivierung des Unterrichts ab der Sekundarstufe;
c) Intensivierung des Unterrichts in der Primarstufe (z.B. Ausdehnung des Sprachbads mit Projekt-/ Intensivwochen in der ersten Fremdsprache, wenn Immersion keine Lösung ist);
d) frühe spielerische Einbindung einer aufbauenden Grammatik in der ersten Fremdsprache;
e) zusätzlich alltagsgerechte Themenwahl (Wortschatz) im Fremdsprachenunterricht. Dies damit eine Identifikation mit der Sprache und Kultur überhaupt möglich ist;
f) Überarbeitung des bestehenden Lehrmittels „mille feuilles“ im Sinne eines sinnvollen alltagsrelevanten Wortschatzes und aufbauender Grammatik (z.B. Deklination der häufigsten Verben nicht erst auf Sek.stufe);
g) ob die Voraussetzungen der Lehrpersonen, welche die Frühfremdsprache unterrichten dürfen, angepasst werden müssten.


4. ob im Rahmen von Harmos Handlungsspielraum besteht, die zweite Fremdsprache in der Primarstufe zu reduzieren und ab der Sekundarstufe zu intensivieren zugunsten der Intensivierung der ersten Fremdsprache in der Primarstufe oder ob die Konkordatskantone zusammen eine Anpassung des Harmos-Konkordats in dem Sinne anstreben könnten, den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend die 2. Fremdsprache aus der Primarstufe zu verbannen.

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