30. Mai 2016

Der Computer als Wegbereiter des individuellen Lernens

Roland Wittwer ist Medienpädagoge und Berater für Schulen in Weinfelden TG. Im Interview äussert er sich zum Unterricht mit Computern.
"Die Entwicklung muss man akzeptieren", Bild: Samuel Trümpy
Dank Computer in eigenem Tempo lernen, Migros Magazin, 30.5. von Thomas Vogel












Roland Wittwer, was bringt ein intensiver und früher Einsatz von Computern im Unterricht?
Computer im Unterricht fördern individuelles und selbst gesteuertes Lernen, das ist ein Mehrwert gegenüber dem traditionellen Unterricht. Denn nicht jeder Schüler kommt mit dem gleichen Lernmodell und im gleichen Lerntempo zugange. Das wird aber beim herkömmlichen Unterricht vorausgesetzt. Mit dem Computer kann jeder gezielter den Lernstoff im eigenen Tempo lernen.

Wenn alles am Computer gelernt werden kann, ist demnach der Lehrer überflüssig?
Auf keinen Fall. Es braucht Lehrpersonen, um Fragen und Unsicherheiten zu klären, die Schüler anzuleiten und zur Lernkontrolle.

Ab welchem Alter sehen Sie den Einsatz von E-Learning?
Reines E-Learning erachte ich auf Primarschulstufe als ungeeignet. Es findet dabei zu wenig Auseinandersetzung unter den Lernenden statt. E-Learning kann jedoch den Unterricht ergänzen.

Alle starren heute nur noch auf ihr Handy, schauen sich Youtube-Filme an oder sind auf WhatsApp. Ist das die Zukunft unserer Kinder?
Diese Entwicklung muss man akzeptieren, und sie lässt sich kaum mehr umkehren. Fachleute müssen Eltern in der Medienerziehung unterstützen und Ängste ausräumen.

Werden so Kinder nicht zu Medienjunkies getrimmt?
Natürlich darf man die Kinder nicht nur einseitig auf die Nutzung digitaler Medien trimmen. Eine sinnvolle Freizeitgestaltung ausserhalb der digitalen Welt muss sein. Aber das ist bei den heutigen Kindern, den sogenannten «digital natives», weniger ein Problem. Sie wachsen mit der Technik auf und können sie natürlicher in den Alltag integrieren.

Was, wenn Eltern nicht möchten, dass ihr Kind mit so viel Smartphone- und Tabletkonsum aufwächst?
Es braucht ein Umdenken der Eltern. Man muss akzeptieren, dass Kinder heute anders kommunizieren, als man es früher tat. Das bedeutet nicht, dass es schlechter ist. Tablets, Smartphones und Internet sind heute in fast allen Haushalten vorhanden. Also müssen Eltern lernen zu akzeptieren, dass ­Kinder diese Dinge einsetzen – und zwar so, wie sie es für praktisch erachten. Auch zum Lernen.

Die Projektschule Arth-Goldau praktiziert das System «Bring your own Device» (BYOD), also jeder Schüler arbeitet mit einem privaten Gerät. Was halten Sie davon?
Da fast jeder Haushalt mit solchen Geräten ausgerüstet ist, bietet sich das BYOD-Modell geradezu an. So bleiben die Kosten für die Schule trotz beschränktem Lebenszyklus der Geräte überschaubar. Der Nachteil ist, dass verschiedene Systeme wie Android, iOS oder Windows unter einen Hut ­gebracht werden müssen.

Erhöht der Einsatz privater Geräte nicht die Gefahr von Betrugsversuchen bei Prüfungen?
Das steht und fällt mit den Lehrern und der eingesetzten Infrastruktur. Klar beinhalten persönliche Geräte bei Prüfungen ein Missbrauchsrisiko. Durch spezielle Software an Schulcomputern, können Systeme und Webseiten jedoch eingeschränkt und überwacht werden.

Gibt es bald zwei Klassen von Schulen – die einen mit, die anderen ohne Gadgets?
Nein, denn der neue Lehrplan 21 beinhaltet das Lernen mit digitalen Medien. So werden für alle dieselben Voraussetzungen geschaffen.



1 Kommentar:

  1. Die digitalen Experten gehen in Stellung auf beziehen sich natürlich auf den Lehrplan 21. Dieser sorgt dafür, dass künftig alle Schulen digital hochgerüstet werden und dass die Schüler gezielt im eigenen Lerntempo voranschreiten.
    Hier öffnet sich ein weiteres Konfliktfeld: Es ist meines Wissens nicht bewiesen, dass die Kinder mit Computer besser lernen als ohne. Es scheint eher das Gegenteil zuzutreffen. Auch die Kosten sind nicht ausgewiesen.
    Die Stoffvermittlung wird an den Computer weitergereicht. Die Lehrerrolle beschränkt sich auf technische Unterstützung und das Überprüfen der Lernziele. Damit kann dann der Fachunterricht an den PH noch weiter gekürzt werden.
    Den besorgten Eltern muss nur noch die Angst genommen werden.
    Das obige Interview ist ein Musterbeispiel, wie die Schule von "Experten" umgekrempelt wird: planlos und ohne die Auswirkungen zu bedenken.

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