An der Appenzeller Landsgemeinde vom 24. April 2016
war der Lehrplan 21 erstmalig in der Schweiz Gegenstand einer kantonalen
Volksabstimmung. Angestossen worden war die Diskussion in Appenzell Innerrhoden
durch die Einzelinitiative «Für eine starke Volksschule» von Paul Bannwart.
Nachdem Erziehungsdirektor und Landammann Roland Inauen dem Initianten
weitreichende Zugeständnisse gemacht hatte, wollte dieser seinen Vorstoss
zurückziehen. Dies war nicht mehr möglich, weil das Landsgemeindemandat – so
heisst in Appenzell Innerrhoden das Abstimmungsbüechli – bereits verschickt
worden war. Deshalb gelangte die Initiative am 24. April doch zur Abstimmung
und wurde nach einer klaren Stellungnahme von Landammann Inauen für die
kantonale Schulhoheit von der Landsgemeinde abgelehnt.
Wir halten uns an die Bundesverfassung, doch auch der Bund sollte
dies tun, Bild: Lutz Wittenberg
Deutliches Bekenntnis zur
Bildungshoheit der Kantone, Lutz Wittenberg, 24.4.
Unter anderem war dem Initianten vom Erziehungsdirektor zugesichert worden, dass in Appenzell Innerrhoden keine Absicht besteht, das selbstgesteuerte oder individualisierte Lernen gegenüber anderen Unterrichtsmethoden zu bevorzugen. Daher würden im Kanton die Schulzimmer auch nicht in sogenannte Lernlandschaften umgestaltet werden, in welchen die Schüler mit Hilfe des Computers oder anderer durch die Lehrperson bereitgestellter Mittel für sich alleine lernen sollen. Auch würden die Lehrpersonen weiterhin für die Klassenführung verantwortlich sein; eine Veränderung der Lehrerrolle in Richtung eines Coachs oder Lernbegleiters sei nicht vorgesehen.
An der
Landsgemeinde bekräftigte der Landammann noch einmal, dass der Lehrplan 21 in
Appenzell Innerrhoden nicht einfach übernommen werde: «Ich möchte an dieser
Stelle noch einmal klar und deutlich sagen, dass der Kanton Appenzell
Innerrhoden den Lehrplan in einer moderaten und eigenständigen Form umsetzen
wird. Aus dem Lehrplan 21 entsteht der Lehrplan Appenzell Innerrhoden, der
unserer Kultur, unserer Tradition und auch den christlichen Grundsätzen
verpflichtet ist.»
Auch die
inhaltlichen Aussagen von Roland Inauen über die zukünftige Gestaltung der
Appenzeller Schule weichen weit vom Lehrplan 21 ab. «Die Einführung einer
Basisstufe – das wäre eine Zusammenlegung vom Kindergarten mit der ersten und
zweiten Klasse – ist bei uns kein Thema. Der Landsgemeindebeschluss von 2008
wird ohne Wenn und Aber respektiert. Das erste Kindergartenjahr bleibt bei uns
freiwillig. Der Kanton Appenzell Innerrhoden wird zudem jährlichen
Standardtests auf eidgenössischer Ebene mit grosser Zurückhaltung begegnen.»
Besondere
Bedeutung auch für andere Kantone haben die Aussagen des Erziehungsdirektors in
Bezug auf den Unterricht der zweiten Fremdsprache, die in Appenzell seit jeher
erst auf der Oberstufe unterrichtet wird. «In der Frage des Französischunterrichts
haben wir schon ein paarmal gesagt, was es zu sagen gibt. Im Gegensatz zu
anderen Kantonen haben wir grosse Erfahrung mit unserem Modell, das in der
dritten Klasse mit Englisch anfängt. Der Start des Französischunterrichts soll
auch in Zukunft erst in der Oberstufe beginnen. Das hat den Vorteil, dass der
Unterricht mit mehr Stunden, viel intensiver und erst noch in homogeneren
Klassen und mit speziell für Fremdsprachen ausgebildeten Lehrerinnen und
Lehrern abgehalten wird. In Artikel 15 Absatz 3 des eidgenössischen
Sprachengesetzes heisst es, dass sich der Bund und die Kantone im Rahmen ihrer
Zuständigkeiten dafür einsetzen, dass die Schüler am Ende der obligatorischen
Schulzeit über Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache und einer
weiteren Fremdsprache verfügen sollen. Der Bund gibt also das Ziel vor, das wir
mit jeder Garantie erreichen.»
Zu diesen
klaren Worten aus Appenzell ist zu bemerken, dass dem Kanton Thurgau, der vor
kurzem entschieden hat, den Beginn der zweiten Fremdsprache wie Appenzell
Innerrhoden auf die Oberstufe zu verlegen, von einzelnen Bildungspolitikern und
sogar von Seiten eines Bundesrates Strafmassnahmen angedroht worden sind. Die
Stellungnahme von Landammann Roland Inauen zu solchen unzulässigen Eingriffen
des Bundes in die kantonale Bildungshoheit liess an Klarheit nichts zu wünschen
übrig. «Der Weg zum Ziel ist aber Sache der Kantone. Darum verstehen wir nicht,
dass der Bund uns jetzt auch den Weg vorschreiben will. Das ist ein massiver
Eingriff in das verfassungsmässige Recht der Kantone. Schliesslich heisst es in
Artikel 62 Absatz 1 unserer Bundesverfassung deutsch und deutlich: ‚Für das
Schulwesen sind die Kantone verantwortlich.’ Daran halten wir uns, und daran soll
sich auch der Bund halten.»
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