Erziehungsdirektor gesteht Fehler ein, Basler Zeitung, 3.3. von Franziska Laur
Schon am Dreispitz waren
die Busse voll mit Pädagogen und vor der St. Jakobshalle rieben sich um acht
Uhr morgens einige den Schlaf aus den Augen, bevor sie sich zur Gesamtkonferenz
ins Innere drängten. Doch dort verscheuchte fetzige Musik zu einer Diashow die
letzte Schlaftrunkenheit. Und bevor die lärmige Action für Murren sorgte,
ergriff Gaby Hintermann, Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz, charmant
das Wort und begrüsste ihre Lehrerkollegen.
«Ich
setze mich für eine Schule ein, in die man gerne geht», sagte sie. Doch man
habe schwierige Jahre hinter sich. Sie plädierte dafür, die Fünf gerade sein zu
lassen. Auch in Bezug auf die Noten müsse ein Spielraum möglich sein und man
könne nicht alle Schüler über einen Kamm scheren. «Eine gute Schule ist nicht,
wenn alle am Ende eines Schuljahrs genau das Gleiche durchgenommen haben,
sondern wenn auch Raum blieb, um auf individuelle Voraussetzungen einzugehen»,
sagte sie.
Hintermann
sprach auch den Druck an, der permanent geäussert würde. «Ich höre oft, dass
die Schule mehr leisten soll. Dass wir in Basel besser werden müssten.
Gleichzeitig haben wir einen Integrationsauftrag zu erfüllen – das heisst,
die Schule wird immer heterogener.» Doch anstatt dass es mehr Geld gebe, werde
bei den Schulen gespart.
Zum
Schluss richtete sie ihre Worte direkt an den anwesenden Erziehungsdirektor
Christoph Eymann. Ihre Kolleginnen und Kollegen würden sich nach all den
Umwälzungen sehnlichst etwas mehr Ruhe wünschen. «Ruhe vor weiteren
Grossprojekten und Aufträgen von aussen, damit man im Inneren wieder etwas
ansäen, aufbauen und entwickeln kann.» Dazu erschien auf dem Diaprojektor ein
Gedicht, das eine Lehrperson verfasst hat:
D Basler Schuel kocht
alles neu.
Dank Harmos hämer jetzt e
Brei,
wo ewig überlaufe duet.
Siess isch är nit. Und au
nit guet.
Mit Qualität het das nümm
z due.
I wünsch uns allne wider
Rueh
und aine, wo mit ganz viel
Muet
dä Dampfkochtopf abstelle
duet!
Lehrmittel nicht vorhanden
Eymann
zeigte in seiner Ansprache, die übrigens die letzte an einer kantonalen
Schulkonferenz ist, da er Ende Jahr abtritt, denn auch viel Verständnis für die
Nöte der Pädagogen. Die Belastungen wie auch die Unsicherheiten seien aufgrund
der Reformen in den vergangenen Jahren tatsächlich enorm gestiegen. Und er
räumte Fehler ein: «Doch wir werden bestrebt sein, besser zu werden.»
So
ist beispielsweise das Anmeldeprozedere für die neue Sekundarschule
schiefgelaufen. Zahlreiche Eltern wehrten sich gegen die Zuteilung ihrer
Kinder. Dazu überschritten bei Schulbeginn fast die Hälfte aller 21 Sek-Klassen
des P-Zugs die vorgegebene maximale Klassengrösse von 25 Kindern um bis zu drei
Kinder. Auch gibt es für die neuen Sammelfächer des Lehrplans 21 noch keine Lehrmittel.
Die Verlage warten zu, bis auch Bern und Zürich den neuen Lehrplan umsetzen.
Eymann
gab jedoch seiner Dankbarkeit Ausdruck, dass die Lehrpersonen trotz allen
widrigen Umständen nicht lediglich Dienst nach Vorschrift machen, sondern
mithelfen würden, die Fehlerkette zu durchbrechen. Er wies darauf hin, dass
nicht nur die Schule im Umbruch sei, sondern die ganze Gesellschaft. So bleibe
der Schule nichts anderes übrig, als darauf zu reagieren. Er sprach die
Informationstechnologie und die Mobiltelefonie an, die nicht zuletzt schulische
Probleme wie Ablenkung oder Mobbing generieren würden.
Eymann
liess es sich nicht nehmen, in seiner letzten Rede vor 2000 Lehrkräften auch
Bonmots zu zitieren. So habe ihm ein Pädagoge einmal gesagt, er würde ein
Elterngespräch mit folgenden Worten beginnen: «Wenn Sie mir versprechen, dass
Sie nicht alles glauben, was Ihr Kind Ihnen über die Schule erzählt, verspreche
ich Ihnen, dass ich nicht alles glaube, was Ihr Kind über Ihr Familienleben
erzählt.»
Warnung von Eymanns Lehrer
Und
Eymann schloss sein Referat mit einer Mahnung seines ehemaligen Deutschlehrers.
Falls jemals einer aus der Klasse Erziehungsdirektor werden sollte, dürfe er
sein Referat an der Schulkonferenz keinesfalls, wie es einmal einer getan
hatte, mit den Worten beginnen: «Ich habe den Saal schon voller gesehen und ich
habe den Saal schon leerer gesehen. Aber so voller Lehrer habe ich ihn noch nie
gesehen.» Eymann gestand, er getraue sich nun zum Schluss seiner Karriere als
Erziehungsdirektor, diese kleine Episode zu erzählen. Sie sorgte für viel
Gelächter im Saal.
Zum
Abschluss des offiziellen Teils präsentierte Gaby Hintermann eine Resolution.
Einstimmig beschloss die kantonale Schulkonferenz, dass für die
Klassenleitungsfunktion auf allen Schulstufen eine angemessene zeitliche
Entlastung vom Unterricht erfolgt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen