3. März 2016

Uneinigkeit über Stärkung der Mint-Fächer

Soll das Zürcher Untergymnasium mit Lateinobligatorium eine naturwissenschaftliche Schwester bekommen? Ja, sagt eine Kommission des Kantonsrats - und ist sich doch nicht einig.













Ein neuer Typ Untergymnasium soll mehr Mathematiker und Naturwissenschafter hervorbringen, Bild: Gaetan Bally
Einmal Mathe, immer Mathe, NZZ, 3.3. von Walter Bernet

Die Klage über den Nachwuchsmangel in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (Mint) ist zwar nicht mehr ganz jung, aber keineswegs verebbt. Gegenmassnahmen wurden in den letzten Jahren auf allen Ebenen der Bildung entwickelt - vom Physik-Kit für Kindergärten bis zur verbesserten Information über Studiengänge und zur Gewinnung von Gymnasiastinnen für bis anhin männerlastige Fachgebiete. Fast alle Gymnasien haben in den letzten Jahren die Mint-Fächer gestärkt.

Das löchrige Ofenrohr
Geblieben ist eine unverrückbare Bastion: das Langgymnasium. Diese im Kanton Zürich tief verankerte Institution der Begabtenförderung setzt in den ersten beiden Klassen nach wie vor auf die bildende und das analytische Denken schärfende Kraft des Lateinunterrichts, wenn die 7 oder 8 Wochenstunden Latein von früher auch einem ausgeglichenen Verhältnis zur Mathematik gewichen sind. Soll diesem altsprachlich geprägten Untergymnasium eine mathematisch-naturwissenschaftlich geprägte Konkurrenz zur Seite gestellt werden? Und könnte diese tatsächlich etwas bewirken im Kampf gegen den Mangel an einschlägigen Fachleuten?

Am Montag wird der Kantonsrat über ein Postulat debattieren, das genau dies verlangt. Dagegen gibt es gute Gründe. Als Ofenrohr-Argument bezeichnet Theo Wirth, früher Fachdidaktiker für alte Sprachen, einen davon: Erfahrungen mit solchen Klassen in Zug und Luzern zeigten, dass daraus am oberen Ende nicht mehr Naturwissenschafter und Ingenieure hervorgingen, weil die Schüler wie durch seitliche Rauchaustritte aus einem Ofenrohr längst vorher in einfachere Profile wechselten. In der Kommission für Bildung und Kultur (KBIK) herrscht aber die Meinung vor, das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium sei einen Versuch wert. Allerdings gehen die Meinungen darüber, wie breit dieser Versuch anzulegen wäre, ziemlich weit auseinander.

Eine Kommissionsminderheit aus FDP, GLP, GP, CVP, EVP und AL stützt die Ansicht der Regierung, dass ein Versuch, der im Untergymnasium anstelle von Latein mehr Unterricht in Mint-Fächern anbietet und in ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium mündet, sich auf einen einzigen Mittelschulstandort beschränken sollte. Weitergehende Versuche würden sich zu stark auf das Gesamtsystem mit Sekundarschule und Berufsbildung auswirken und bedürften grundsätzlicherer Überlegungen, begründet Marc Kummer, der Chef des Mittelschul- und Berufsbildungsamts, die Haltung der Regierung. Probleme könnten sich beispielsweise ergeben, weil aus den Sekundarschulen an ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium wechselnde Schüler schlechtere Voraussetzungen als speziell geförderte Gymnasiasten mitbrächten.

Für die Kommissionsmehrheit aus SVP, SP und EDU, aus deren Reihen das Postulat ursprünglich stammt, ist dieses Vorgehen zu eng. Das Resultat wäre in ihrer Sicht eine «Eliteklasse», die nur für die Besten zugänglich wäre. Wie KBIK-Präsident Moritz Spillmann (sp., Ottenbach) sagt, würde nur ein breiterer Versuch eine wirkliche Förderung im Mint-Bereich ermöglichen. Auch er und mit ihm die Kommissionsmehrheit ist allerdings der Meinung, dass ein Versuch an mehreren Standorten den Einbezug aller Akteure, namentlich auch der Sekundarschule, voraussetzte.

Rämibühl in den Startlöchern

Für einen Versuch interessiert haben sich bisher das Mathematisch-Naturwissenschaftliche Gymnasium (MNG) und das Realgymnasium (RG) Rämibühl. Beide wären an einem gemeinsamen Versuch, an dem das RG das Untergymnasium, das MNG als Kurzgymnasium die Fortsetzung übernähme, interessiert. Nach Medienberichten über die Idee eines auf einen Standort beschränkten Versuchs vor einem guten Jahr haben sich RG-Rektorin Ursula Alder und MNG-Rektor Daniel Reichmuth zusammengesetzt und einen Vorschlag auf der Basis von zwei Klassen vorbereitet, bei dem die Informatik einen der wesentlichen Pfeiler darstellen würde. Entschieden sei noch nichts, sagen Reichmuth und Alder. Man warte gespannt auf die Debatte im Kantonsrat. Vorbereitet sind die Rämibühl-Schulen für beide Szenarien. Als Mitglied der Schulleiterkonferenz Mittelschulen hält Alder es aber für einen klugen Schachzug, den Versuch auf einen Standort zu beschränken, damit das austarierte System im Kanton nicht beeinträchtigt werde.

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