Die Kernaufgabe der
Lehrpersonen, das Unterrichten, wird in die Ecke gedrängt. Protokolle,
jede Menge Formulare für Absenzen, Beobachtungen, Prüfungsdokumentationen und
Schülerbeurteilungen gehen vor. Arbeitsbeschaffungen am laufenden Band
beherrschen die «unterrichtsfreie Zeit». Eine aufgeblähte Datenhortung füllt
die Server, hauptsächlich wohl zur Befriedigung bürokratischen Strebens. Dazu
kommen Fragebögen, die akribisch ausgewertet werden müssen,
Mitarbeitergespräche, wo «Zielvereinbarungen» formuliert werden …
Kontrollwahn beherrscht unsere Schulen, Blog Südostschweiz, 10.2. von Fritz Tschudi
Die neue Personalführungsstrategie sucht die
Lehrpersonen zu entkernen, indem faktisch jede substanzielle Mitsprache der
Lehrerschaft bei Weiterbildungsthemen unterdrückt wird. Weiter scheinen
Maulkörbe und Denkverbote für Lehrerinnen und Lehrer salonfähig zu werden. In
diese Richtung weist jedenfalls ein Arbeitspapier des Erziehungsdepartement
EKUD an die Schulleitungen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Bündner
Lehrplans 21. Warum dieses Papier unter die Geheimhaltungsstufe «vertraulich»
fällt, entzieht sich meiner Kenntnis, müsste aber hellhörig machen. Dass in den
Köpfen der LP21-Verantworlichen die Versagensangst umgeht, ist offenkundig und
dürfte einiges erklären.
Die Lehrer-Persönlichkeit wird schon in der
Pädagogischen Hochschule systematisch in ihrer fundamentalen und ideologischen
Ausrichtung auf unbedingte Gehorsamkeit und den Befehlsempfang optimiert. Die
Beschädigung ist nachhaltig und mit einiger Wahrscheinlichkeit irreversibel.
Die Teilnehmer einer Veranstaltung des linken
Thinktanks «Denknetz» bemängelten, niemand wolle, dass die Basis die Schule
gestalte. Ein Lehrer kündigte, weil er sich durch die Hierarchie entmündigt
gefühlt habe. Ein anderer berichtete von Bewerbungsgesprächen für eine
Schulleitungsstelle: Die Bewerber wurden gefragt, ob Sie bereit seien,
Entscheidungen gegen den Willen Ihrer Lehrpersonen durchzusetzen.
Alle Macht den
Schulleitungen
Schulleitungen sind heute standardmässig
installiert. Sie bildet das lokale Machtzentrum, welches seinerseits von der
übergeordneten Hierarchie knallhart gelenkt wird. Schulleitungen sind das
Bindeglied zu den staatlichen Stellen, beurteilen die Lehrpersonen, planen
Projekte, haben Verfügungshoheit über beinahe alles Alltägliche. Darin
enthalten ist auch vieles, was eigentlich in den selbstgesteuerten
professionellen Bereich der Lehrpersonen fallen müsste: Teamarbeitsbedarf,
zusätzliche Arbeitsbeschaffungen, Beurteilung von Weiterbildungsangeboten, die
Wahl des Unterrichtsprinzips und der Unterrichtsmethoden …
Christina Rothen, Erziehungswissenschaftlerin an
der Uni Zürich, sieht das so: «Es ist widersprüchlich, die Lehrerausbildung
professionalisieren zu wollen und gleichzeitig eine neue Hierarchiestufe
einzuführen, die die Selbstbestimmung der Lehrerinnen und Lehrer untergräbt.
Sie können ihre Arbeit nicht selbst gestalten, wenn sie einer Hierarchie
gegenüber loyal sein müssen», und weiter: «Ich denke, dass sich als Folge
dieser Entwicklung auch andere Leute für den Lehrerberuf entscheiden als
früher. Solche, die sich in Hierarchien wohlfühlen.» (Zitate WOZ)
Zwangsjacken für die
Volksschullehrer
Eigentlich ist die Sache klar: «Gute Lehrer sind
nicht nur begleitende Beobachter, sondern vor allem auch geschickte
Aktivatoren», sagt Michael Felten, «erwartend, erklärend, ermutigend,
einfordernd. Folglich kann guter Unterricht gar nicht anders als
lehrerzentriert sein. Im Zentrum steht der Pädagoge – für den allerdings seine
Schüler im Zentrum stehen.»
Was aber tun, wenn Aktivisten aus den «Heiligen
Hallen», immer noch dem Dogma des selbst gesteuerten Lernens frönen? Oder wenn
man als gut indoktrinierter Lehrer einem Schulleiter untersteht, der bei der
irrgläubigen Qualitätsanalyse punkten möchte? Jeder Lehrer ist aber gehalten,
diejenigen Unterricht zu wählen, mit dem er seine Bildungsaufgabe möglichst gut
und vor allem authentisch einlösen kann.
«Aber die verdammten Bildungsreformer,
diese Landplage, wollen die Lehrer abschaffen; die würden ja selbst Einstein
nach Hause schicken, weil es undemokratisch ist, sich von Einstein Physik
erklären zu lassen, so von oben herab.» (Harald Martenstein)
Wollen wir die «ideale» Lehrperson nach dem Wunsch
der Bürokraten, die einfach macht, was ihr aufgetragen wird, die keine Fragen
stellt und keine Mitentscheidungsrechte beansprucht? Nein! – Es liegt im
Interesse aller Beteiligten, wenn selbstbewusste Lehrpersonen
Aufmüpfigkeit zeigen, beispielsweise um die Schattenseiten des LP21
hartnäckig aufzuzeigen oder bei Denk- und Meinungsäusserungsverboten auf die
Übergriffigkeit solchen Tuns klar und deutlich hinzuweisen.
Harte Vorwürfe an die
Lehreraus- und Weiterbildung
Lehrerbildung in Vielfalt, respektvoll auf
Augenhöhe war einmal. Heute machen die Propagandisten und Workshopper mit ihrer
Klientel kurzen Prozess: Es gilt die «indoktrinäre Belehrung». Die
verordnete Alternativlosigkeit hinterlässt bei Denkenden jede Menge Frust.
Manche Ausbildner wirken als Expertokraten (nicht zu verwechseln mit Experten),
es sind oft folgsame, fleissige Beamte, Verordner, Aufpasser, Verbieter, und
vor allem Konformisten. Nur über die eigene erfolgreiche Unterrichtstätigkeit
breitet sich meistens der Mantel des Schweigens. Exponenten des EKUD lieben
aber verständlicherweise Auftritte, in denen sie ungestört von Gegenargumenten
in Visionen schwelgen und «informieren» können.
Am Pranger steht der freie Geist des mündigen
Bürgers. Menschen, die sich nicht geistig bevormunden lassen wollen, welche
Reformelemente hinterfragen, die nicht bereit sind dem lapidaren Gefasel über
dauergepredigte (aber nie bewiesene) Chancen zu folgen.
Der lebendige freie Geist lebt ganz grundlegend von
den guten persönlichen Beziehungen in den Schulhausteams. Das ist nicht anders
wie bei den Kindern, die sie unterrichten. Die Hierarchie fürchtet darum
Seilschaften wie der Teufel das Weihwasser. Das mit gutem Grund: Es bildet sich
unter günstigen Bedingungen ein vertrauensbasiertes «Wir-Gefühl» unter den
Lehrerpersonen. Dieses generiert Selbstwert und Selbstsicherheit, welche nur
durch einsichtige Argumentation, nicht aber durch plumpe Indoktrination
beeinflusst werden kann. Das ist unerwünscht.
Die Strategie der Indoktrination baut auf die
geschürten Ängste. Wenn dieser Ansatz In der Lehrerbildung weiterhin Schule
macht, droht der Sumpf eines beruflichen Totalitarismus. Am Ende stünde
folgerichtig die hemmungslose Indoktrination der Kinder durch ihre Lehrer. Das
sind Perspektiven, über welche die Schulträgerschaft, aber auch die
Öffentlichkeit aufgeklärt werden müsste.
Auf die heutige Lehrer(weiter)bildung und die
Informationskultur passen fast alle Elemente der folgenden Definition:
Indoktrination ist eine besonders vehemente,
keinen Widerspruch und keine Diskussion zulassende Belehrung. Dies geschieht
durch gezielte Manipulation von Menschen durch gesteuerte Auswahl von
Informationen, um ideologische Absichten durchzusetzen oder Kritik
auszuschalten. …Dabei werden die (scheinbar) positiven Seiten des Systems
überhöht, während kritische oder missliebige Informationen unterdrückt werden.
Ein wesentliches Merkmal bzw. eine zentrale Methode
der Indoktrination ist die Propaganda. Die Form der Informationsdarbietung ist
hier einseitig verzerrt, die Gesamtheit der verfügbaren Informationen wird
zensiert, die der Ideologie widersprechenden Angaben werden zurückgehalten,
deren Äusserung mit diskreten Benachteiligungen oder konkreten Strafen bedroht.
(nach Wikipedia)
Den moralischen Schlusspunkt dieses Beitrags setzt
der Dozent und Gründungsmitglied der Pädagogischen Hochschule Zug, Carl Bossard: «John Hatties empirische Befunde zeigen
es überdeutlich: Eine wirksame Bildungspolitik müsste mehr an den Menschen
glauben und weniger an Systeme und Strukturen. Gute Lehrerinnen, gute Lehrer
mit humaner Energie und fachlicher Leidenschaft sind der Kern der Schule. … Es
gibt sie (noch) in jedem helvetischen Schulhaus.»
Fritz Tschudi war langjähriger Sekundarlehrer in
Chur.
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