Um
die 40 Eltern und Lehrpersonen versammelten sich am Mittwochabend im
Mehrzweckraum des Schulhauses Döltschihalde, um die Podiumsdiskussion zwischen
den beiden Kantonsräten und Bildungsexperten Matthias Hauser (SVP) und Ralf
Margreiter (Grüne Partei) zu verfolgen. Moderator und Elternratspräsident Klaus
Ammann eröffnete das Gespräch mit der Präsentation von Zahlen zur aktuellen
Situation der Bildung im Kanton Zürich – eingeführt mit der Bemerkung, dass
nackte Zahlen wohl der Interpretation bedürfen. Diese überliess er den beiden
Kontrahenten auf dem Podium, welche die Vorgabe dankbar aufgriffen.
Matthias Hauser (SVP) und Ralf Margreiter (GP) kreuzten am 3. Februar die Klingen, Bilder: SVP ZH und GP ZH
Zwischen "Mikromassnahmen" und Systemkritik, Elternrat am Uetliberg, 8.2. von Gisela Unterweger
SVP-Kantonsrat
Matthias Hauser ging auf die in den letzten Jahren stetig wachsenden
Pro-Kopf-Ausgaben des Kantons Zürich für Bildung ein. Diese liegen im
nationalen Vergleich zwar unter dem Durchschnitt, Hauser griff als
Vergleichswert aber auf die Pro-Kopf-Ausgaben der OECD-Länder zurück, welche
wesentlich tiefer liegen würden. Dies nicht allein wegen der hohen Löhne für
Lehrpersonen, sondern wegen schlecht kontrollierter Ausgaben. Ralf Margreiter
dagegen verwies darauf, dass die steigenden Kosten von System- und
Strukturveränderungen im Bildungswesen verursacht würden, und nicht durch eine
unkontrollierte Explosion der Ausgaben. So sei die Sanierung der
Beamtenversicherungskasse BVK sehr teuer gekommen, ebenso die Zuständigkeit des
Kantons für sonderpädagogische Massnahmen. Ausserdem lenkte Margreiter den
Blick auf die Einnahmenseite, wo die noch viel krassere Entwicklung in die
umgekehrte Richtung stattfinden würde: Durch die vielen Steuererleichterungen
würden im Kanton Zürich jährlich über eine Milliarde Franken fehlen. Hauser
konterte mit der Feststellung, dass Steuersenkungen eben die Anzahl
Steuerzahlender – also das Steuersubstrat – erhöhen würden, was unter dem
Strich zu positiven finanziellen Entwicklungen führe. Margreiter bezeichnete
darauf die Tendenz zu Steuererleichterungen als „faktenresistente
Politik“, denn gerade das Beispiel der Stadt Zürich mit ihrem vergleichsweise
hohen Steuersatz zeige, dass deswegen mitnichten ein Exodus von
Vermögensmillionär/innen stattfinden würde.
Was kann man denn
streichen?
Die
Frage, welche Leistungen des Bildungswesens – vor allem im Bereich Volksschule
– denn überhaupt reduziert werden könnten, ohne grossen Schaden anzurichten,
wurde ebenfalls kontrovers diskutiert. Matthias Hauser verwies darauf, dass
eine Liste mit Kürzungen im Aufgabenbereich von Regierungsrätin Silvia Steiner
liege. Im März würden die Vorschläge präsentiert. Lehrerinnen und Lehrer wie er
würden zwar nicht gefragt, er persönlich hätte aber schon ein paar Ideen. So
könnte die Fachstelle für Schulbeurteilung ersatzlos gestrichen werden, bei der
eidgenössischen Zusammenarbeit, beim Lehrplan 21 und bei der Bildungsstatistik
gebe es ebenfalls Sparpotenzial. Das Schulentwicklungsprogramm QUIMS (Qualität
in multikulturellen Schulen), das zur Erhöhung der Chancengleichheit beitragen
solle, habe sich nicht bewährt und könnte ebenfalls abgeschafft werden.
Margreiter bezeichnete Hausers Vorschläge als „Mikromassnahmen“, welche bei
einem Total von 1.8 Milliarden Ausgaben nicht einschenken würden. Er verwies
darauf, dass in der Volksschule die Kosten pro Schüler nicht steigen würden.
Jedes Jahr würden alle Leistungsgruppen des Bildungswesens der gleichen Frage
unterzogen: Wo kann man kürzen? Im Bildungsbereich werde längst nicht jede
Begehrlichkeit umgesetzt, im Gegenteil: Sobald diese ein etwas grösseres Format
hätten, würden sie zerpflückt. Er verwies nochmals darauf, dass die Steuererleichterungen
von gestern das Problem von morgen seien.
Gegen
Ende der Diskussion wurden schliesslich etwas weniger unvereinbare Töne
angeschlagen. Es ging um die Frage der Sonderpädagogik, welche im Kanton
besonders markant zu Buche schlägt. Margreiter gab zu bedenken, dass hier
vermutlich falsche Anreize wirksam seien: Die momentan praktizierte integrative
Förderung in den Regelklassen führe dazu, dass auch Massnahmen beschlossen
würden, welche nicht zwingend gut begründet seien. Denn die einzelne Schule
kosten diese Massnahmen nichts. Die Abschaffung der Kleinklassen sei zwar aus
guten Gründen erfolgt, aber um die Anreize zu senken, sei vermutlich eine Quote
für die integrierte Förderung nötig. Auch Hauser befand, dass er zwar als
Lehrer die Unterstützung durch die integrierte Förderung durchaus schätze und
dass diese sehr entlastend wirke. Letztlich sei es aber zu niederschwellig
organisiert und deshalb würde er die Kleinklassen wieder einführen. Dann hätte
man nur die wirklich schwierigen Fälle aus der Regelklasse verbannt, aber mit
den anderen – die heute vielleicht Förderung erhalten würden – könnte man
weiterhin in der Regelklasse arbeiten.
Integrationspunkte statt
PISA-Punkte
Schliesslich
betraf einer der letzten Punkte die Frage der gesellschaftlichen Aufgaben der
Volksschule. Hauser wies abermals darauf hin, dass nicht jeder Franken mehr die
Qualität des Bildungswesens steigere. Dies zeige der Vergleich mit anderen
Ländern, die mit tieferen Pro-Kopf-Ausgaben sehr gute Bildungsresultate
erzielen würden. Margreiter griff diesen Punkt auf und bemerkte, dass diese
Länder aber auch eine vergleichsweise homogene Bevölkerungsstruktur aufweisen
würden. Die Schweiz dagegen ist eine Migrationsgesellschaft. Und eine
wesentliche Aufgabe der Schule, die sie in der Schweiz auch gut erfülle, sei
die Integration. Die Volksschule trage sehr viel dazu bei, einen gemeinsamen
Weg zu finden.
Die
ans Gespräch anschliessende Diskussion mit den anwesenden Eltern und
Lehrpersonen drehte sich um die auf dem Podium entwickelten Ausführungen,
schwenkte zwischendurch zur Frage der Maturandenquote und der Länge der
gymnasialen Ausbildung, konkretisierte sich aber auch in Hinblick auf die
Situation in der Stadt Zürich. So fiel etwa die Frage, wie sich neue
Sparmassnahmen auf die Stadt Zürich auswirken würden, oder auch, wie man als
Eltern die Sparmassnahmen denn ganz konkret spüren würde. Hier ergaben sich
mehrere Antworten: Faktisch würden vermutlich die Klassengrössen steigen, und
es würde weniger Halbklassen- und Gruppenunterricht geben. Diese Aussagen – ob
sie sich nun bewahrheiten oder nicht – gaben der zuvor eher auf abstrakteren
politischen Linien verlaufenden Diskussion plötzlich eine konkrete und fassbare
Wendung. Eine, die aus Elternperspektive auch die Situation der eigenen Kinder
in ihrem schulischen Alltag in Erinnerung rief. Die rege Diskussion wurde
mit Beteiligung der beiden Podiumskontrahenten beim anschliessenden Apéro
fortgesetzt.
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