3. Februar 2016

Initiative zu Wahlpflichtfächern ablehnen

Am 28. Februar dieses Jahres stimmt die Bevölkerung von Basel-Stadt über die Initiative für freie Wahlpflicht­fächer-Wahl ab. Hinter dem Volks­begehren stehen die kantonalen Sek­tionen der Gewerkschaft VPOD, des Verbands Schulmusik, des Fachlehrerverbands der Bereiche Gestaltung, Bild und Kunst sowie die Freiwillige Schulsynode.
Zur freien Wahl der Wahlpflichtfächer, Basler Zeitung, 3.2. von Barbara Gutzwiller


Die Initianten verlangen mit ihrem Vorstoss die freie Wahl aller Wahlpflichtfächer für alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarschulen im Kanton Basel-Stadt. Das tönt ziemlich kompliziert und benötigt einige Erläuterungen. Die Ausgangslage ist folgende: In Basel-Stadt und Baselland gilt seit August 2015 eine neue Stundentafel vom Kindergarten bis zum Ende des Gymnasiums. Diese Stundentafel regelt die Anzahl Lektionen pro Woche und Fach und enthält neben den Pflicht­fächern auch sogenannte Wahlpflichtfächer. Deren Belegung wiederum ­richtet sich nach dem jeweiligen Leistungszug.

Die heutige Sekundarschule ist unterteilt in drei Leistungszüge: der Zug A mit allgemeinen, E mit erweiterten und P mit hohen Anforderungen. Gemäss dem Entscheid des Erziehungsrats wird den P-Zug-Absolventen neu vorgegeben, dass eines der beiden Wahlpflichtfächer entweder «Lingua», also Latein oder Italienisch oder «Mint», also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik sein muss. Das zweite Wahlfach kann aus dem musisch-gestalterischen Bereich ausgesucht werden. Die Wahl der A- und E-Zug-Absolventen hingegen ist nicht limitiert.

Die Initianten kritisieren diese Beschränkung der Wahlfreiheit im P-Zug und monieren, die Aufwertung der Lingua- beziehungsweise Mint-Fächer gehe zulasten des bildnerischen, technischen und textilen Gestaltens sowie der Musik. Sie verlangen deshalb, dass die Vorgabe für den P-Zug aufgehoben wird.

Nun – Wahlfreiheit ist ja grundsätzlich etwas Positives und wird von uns als liberaler Wirtschaftsverband in aller Regel sogar gefordert. In diesem Fall allerdings wäre sie der falsche Weg. Die Initianten wollen mit ihrem Anliegen einen durchdachten Entscheid des Erziehungsrats rückgängig machen.

Dieses Vorhaben und somit die Initiative muss abgelehnt werden, denn in Übereinstimmung mit der Wirtschaft und den weiterführenden Schulen beabsichtigt der Erziehungsrat ganz bewusst eine Stärkung der Mint- und Lingua-Fächer. Diese Priorisierung lässt sich vor dem Hintergrund der welt­weiten Arbeitsmarktentwicklung gut begründen: Die Gesellschaft der Zukunft verlangt in steigendem Mass das Beherrschen von naturwissenschaftlichen, technischen und sprach­lichen Kompetenzen. Deshalb bildet deren Förderung bereits seit 2008 einen politischen Schwerpunkt der Zusammenarbeit im Bildungsraum Nordwestschweiz, dem neben den ­beiden Basel auch der Aargau und Solothurn angehören.

Gegen den Fachkräftemangel
Es ist zudem davon auszugehen, dass die Bewertung in den Fächern der Bereiche Mint und Lingua strenger ausfallen wird, als im Bereich Gestalten und Musik. Auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass im P-Zug ein hoher Qualitätsstandard einge­halten wird, was für diesen «Zubringer» für anspruchsvolle Berufsausbildungen von entscheidender Bedeutung ist. Die Beteuerung der Initianten, auch die Wahlpflichtfächer Gestalten und Musik könnten leistungsorientiert ausgestaltet und die Selektion strenger gehandhabt werden, überzeugt hingegen nicht.

Mit einer Stärkung der Mint-Fächer wird also etwas gegen den Fachkräfte­mangel getan, der sich gerade in Wissensbereichen wie Informatik, ­Physik, Chemie oder Biologie und verwandten Branchen, wie beispielsweise dem Gesundheitswesen, abzeichnet. Dass auf diese Weise auch junge Frauen einerseits und Jugend­liche aus bildungsfernen Familien andererseits einen besseren Zugang zu den allgemein als besonders schwierig geltenden Fächern erhalten, stellt einen willkommenen Zusatzeffekt dar.

Die Stärkung der beiden Fachrichtungen Lingua und Mint bedeutet aber nicht gleichzeitig eine Abwertung der Kunstfächer, denn nach wie vor haben die Absolventen des P-Zugs ein zweites Wahlpflichtfach aus dem Katalog ­bildnerisches, textiles oder technisches Gestalten oder Musik zu wählen. Die diesbezüglichen Befürchtungen der Initianten sind also unbegründet.

Schliesslich gilt es zu bedenken, dass die Kompetenzen des Erziehungsrats nicht ohne zwingenden Grund eingeschränkt werden sollten und die Genehmigung von Einzelvorschriften die erst kürzlich zwischen den beiden Basel beschlossene Harmonisierung der Stundentafeln gefährdet und die Koordination erschwert.
Barbara Gutzwiller ist Direktorin des Arbeitgeberverbandes Basel.


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