Am 28. Februar dieses
Jahres stimmt die Bevölkerung von Basel-Stadt über die Initiative für freie
Wahlpflichtfächer-Wahl ab. Hinter dem Volksbegehren stehen die kantonalen Sektionen
der Gewerkschaft VPOD, des Verbands Schulmusik, des Fachlehrerverbands der
Bereiche Gestaltung, Bild und Kunst sowie die Freiwillige Schulsynode.
Zur freien Wahl der Wahlpflichtfächer, Basler Zeitung, 3.2. von Barbara Gutzwiller
Die Initianten verlangen
mit ihrem Vorstoss die freie Wahl aller Wahlpflichtfächer für alle Schülerinnen
und Schüler der Sekundarschulen im Kanton Basel-Stadt. Das tönt ziemlich kompliziert
und benötigt einige Erläuterungen. Die Ausgangslage ist folgende: In
Basel-Stadt und Baselland gilt seit August 2015 eine neue Stundentafel vom
Kindergarten bis zum Ende des Gymnasiums. Diese Stundentafel regelt die Anzahl
Lektionen pro Woche und Fach und enthält neben den Pflichtfächern auch
sogenannte Wahlpflichtfächer. Deren Belegung wiederum richtet sich nach dem
jeweiligen Leistungszug.
Die heutige Sekundarschule
ist unterteilt in drei Leistungszüge: der Zug A mit allgemeinen, E mit erweiterten
und P mit hohen Anforderungen. Gemäss dem Entscheid des Erziehungsrats wird den
P-Zug-Absolventen neu vorgegeben, dass eines der beiden Wahlpflichtfächer
entweder «Lingua», also Latein oder Italienisch oder «Mint», also Mathematik,
Informatik, Naturwissenschaft und Technik sein muss. Das zweite Wahlfach kann
aus dem musisch-gestalterischen Bereich ausgesucht werden. Die Wahl der A- und
E-Zug-Absolventen hingegen ist nicht limitiert.
Die Initianten kritisieren
diese Beschränkung der Wahlfreiheit im P-Zug und monieren, die Aufwertung der
Lingua- beziehungsweise Mint-Fächer gehe zulasten des bildnerischen,
technischen und textilen Gestaltens sowie der Musik. Sie verlangen deshalb,
dass die Vorgabe für den P-Zug aufgehoben wird.
Nun – Wahlfreiheit
ist ja grundsätzlich etwas Positives und wird von uns als liberaler
Wirtschaftsverband in aller Regel sogar gefordert. In diesem Fall allerdings
wäre sie der falsche Weg. Die Initianten wollen mit ihrem Anliegen einen
durchdachten Entscheid des Erziehungsrats rückgängig machen.
Dieses Vorhaben und somit
die Initiative muss abgelehnt werden, denn in Übereinstimmung mit der
Wirtschaft und den weiterführenden Schulen beabsichtigt der Erziehungsrat ganz
bewusst eine Stärkung der Mint- und Lingua-Fächer. Diese Priorisierung lässt
sich vor dem Hintergrund der weltweiten Arbeitsmarktentwicklung gut begründen:
Die Gesellschaft der Zukunft verlangt in steigendem Mass das Beherrschen von
naturwissenschaftlichen, technischen und sprachlichen Kompetenzen. Deshalb
bildet deren Förderung bereits seit 2008 einen politischen Schwerpunkt der
Zusammenarbeit im Bildungsraum Nordwestschweiz, dem neben den beiden Basel
auch der Aargau und Solothurn angehören.
Gegen den Fachkräftemangel
Es ist zudem davon
auszugehen, dass die Bewertung in den Fächern der Bereiche Mint und Lingua
strenger ausfallen wird, als im Bereich Gestalten und Musik. Auf diese Weise
kann gewährleistet werden, dass im P-Zug ein hoher Qualitätsstandard eingehalten
wird, was für diesen «Zubringer» für anspruchsvolle Berufsausbildungen von
entscheidender Bedeutung ist. Die Beteuerung der Initianten, auch die
Wahlpflichtfächer Gestalten und Musik könnten leistungsorientiert ausgestaltet
und die Selektion strenger gehandhabt werden, überzeugt hingegen nicht.
Mit einer Stärkung der
Mint-Fächer wird also etwas gegen den Fachkräftemangel getan, der sich gerade
in Wissensbereichen wie Informatik, Physik, Chemie oder Biologie und
verwandten Branchen, wie beispielsweise dem Gesundheitswesen, abzeichnet. Dass
auf diese Weise auch junge Frauen einerseits und Jugendliche aus
bildungsfernen Familien andererseits einen besseren Zugang zu den allgemein als
besonders schwierig geltenden Fächern erhalten, stellt einen willkommenen
Zusatzeffekt dar.
Die Stärkung der beiden
Fachrichtungen Lingua und Mint bedeutet aber nicht gleichzeitig eine Abwertung
der Kunstfächer, denn nach wie vor haben die Absolventen des P-Zugs ein zweites
Wahlpflichtfach aus dem Katalog bildnerisches, textiles oder technisches
Gestalten oder Musik zu wählen. Die diesbezüglichen Befürchtungen der
Initianten sind also unbegründet.
Schliesslich gilt es zu
bedenken, dass die Kompetenzen des Erziehungsrats nicht ohne zwingenden Grund
eingeschränkt werden sollten und die Genehmigung von Einzelvorschriften die
erst kürzlich zwischen den beiden Basel beschlossene Harmonisierung der
Stundentafeln gefährdet und die Koordination erschwert.
Barbara Gutzwiller ist
Direktorin des Arbeitgeberverbandes Basel.
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