Experimentieren, ausprobieren lassen:
Das ist offenbar effizienter als direkt eine Lösung zu präsentieren, wie erste
Resultate einer Studie mit über 6000 Schülerinnen und Schülern zeigen. Und:
Besonders Mädchen profitieren von forschendem Unterricht.
Besonders Mädchen profitieren von forschendem Unterricht, Bild: SRF
Wenn Schulklassen forschen, profitieren die Mädchen, SRF 3.2. von Thomas Gantenbein
Im heutigen Unterricht werden viele
Lehr- und Lernformen angewendet. Der Frontalunterricht mit dozierendem Lehrer
und Schülerinnen und Schüler, die still und brav zuhören, hat vielerorts
offenen Unterrichtsformen Platz gemacht. Der Nachwuchs soll zuerst eigene
Fragen stellen und selbst nach Lösungswegen für ein Problem suchen. Forschendes Lernen: So lautet das
Stichwort. Denn Kinder sind von Natur aus neugierig und die meisten von ihnen
gehen den Dingen gerne auf den Grund. Nur – lernen sie auch besser, wenn sie
forschend lernen? Das untersucht derzeit Fachmann Ralph Schuhmacher von der ETH
Zürich mit einer mehrjährigen.
Ein Teil der Schüler erhält im Rahmen
der Untersuchung in der Primarschule naturwissenschaftlichen
«Forschungsunterricht». Deren Testwerte vergleicht Schuhmacher mit
Schulklassen, die keine solchen Experimente gemacht haben. Erste
Zwischenresultate der Langzeitstudie liegen nun vor.
Physikerfolge bei Mädchen
Auffallend ist: Besonders Mädchen
profitieren von forschendem Unterricht. «Die Mädchen sind sonst laut anderen
Untersuchungen an Physik eher uninteressiert und schneiden in Tests tendenziell
schwächer ab», sagt Schuhmacher, «bei unserer Studie haben in jenen Klassen mit
forschendem Lernen Knaben und Mädchen gleich profitiert.»
Bei jenen Klassen, die forschend
lernten, zeigten Mädchen in den Nachtests also gleich gute Resultate wie
Knaben. Dass Jungen und Mädchen im gleichen Mass vom Physikunterricht
profitieren, ist normalerweise nicht der Fall. «In der Sekundarstufe I und II
gibt es viele Schülerinnen, die in anderen Fächern tolle Noten haben», erklärt
der Forscher, «aber in Physik schlechte Noten.»
Warum genau Mädchen der Unterricht mit
Forschung stärker nützt, weiss man noch nicht. Dass der positive Effekt des
forschenden Lernens allein auf das Experimentieren zurückzuführen sei, glaubt
Schumacher aber nicht: «Es geht darum, dass man es schafft, an das Vorwissen
der Schülerinnen und Schüler anzuschliessen», sagt er, «der Punkt ist, dass man
nicht mit einem Thema einsteigt und sagt ‹Heute machen wir das Thema Druck›,
sondern dass man in ein Thema über eine Fragestellung einsteigt, die anregt.»
Forschend lernen – gut für Mathe
Unabhängig vom Geschlecht stellt
Schumacher zudem fest: Naturwissenschaftliches Experimentieren im Unterricht an
der Primarschule wirkt sich auch in anderen Fächern positiv aus.
«Transfer-Effekt» nennt der Fachmann das. So zeigten die Schülerinnen nach physikalischen
Experimenten zu Dichte und Auftrieb auch in der Mathematik eine bessere
Leistung: etwa beim Thema Proportionalität, wo es, ähnlich den vorausgegangenen
Versuchen, um das Verhältnis zweier veränderlicher Grössen ging.
Konkrete Frage, nur eine Variable
Doch Kinder einfach mal
experimentieren lassen und alles wird gut – so einfach ist die Welt nicht. Für
den Lernerfolg braucht es laut Schuhmacher klare Strukturen und Regeln. Am
Anfang steht jeweils eine konkrete Fragestellung. Und die Schüler müssen darauf
achten, im Experiment jeweils nur eine Variable, einen einzelnen Faktor zu
ändern. Nur so ist es brauchbares Experiment, das auch zu neuen Erkenntnissen
führt.
Werden Schülerinnen und Schüler, die
in der Primarschule regelmässig experimentieren, dereinst eher einen
naturwissenschaftlichen Beruf wählen? Das schliesst der ETH-Forscher zwar nicht
aus – doch es geht ihm nicht darum, mehr Naturwissenschaftler oder Ingenieure
zu produzieren. «Das wäre vielleicht ein Nebeneffekt», sagt Schuhmacher,
«primär geht es darum, die naturwissenschaftliche Allgemeinbildung zu
verbessern.»
Es gibt nichts neues unter der Sonne, ausser der Verteufelung des Klassenunterrichts mit den Nazi-Jargon "Frontalunterricht". Physikunterricht war schon vor 50 Jahren im Klassenunterricht mit Experimentieren verbunden. Auch damals mussten zuerst die Grundlagen gelegt werden. "Kinder einfach mal experimentieren lassen und alles wird gut" ist das Dogma des "selbstgesteuerten Lernen" im LP21 und daran glaubt kein ernsthafter Forscher.
AntwortenLöschen