27. Januar 2016

Wiederentdeckung des Fronalunterrichts

Bei uns erhalten diejenigen Lehrpersonen die besten Qualifikationen, die möglichst wenig oder gar keinen Frontalunterricht mehr praktizieren. Selbstbestimmte, offene Lernformen, in denen der Lehrer nur die Lernumgebung gestaltet und die Kinder ihre individuell auf sie abgestimmten Aufgaben abarbeiten, sind derzeit in Mode.













Churer Schüler beim Unterricht, Bild: Archiv Südostschweiz
Die Wiederentdeckung des guten, alten Frontalunterrichts, Blog Südostschweiz, 27.1. von Elisabeth Calcagnini


Doch in letzter Zeit traute ich meinen Augen und meinen Ohren nicht mehr. Verschiedene Artikel loben die Vorzüge des hierzulande oft schlecht geredeten Frontalunterrichts. Im Dezember 2015 prognostizierte in der deutschen Tageszeitung «die Welt» Alan Posener das baldige Verschwinden des jahrgangübergreifenden, selbstbestimmten Lernens und der Individualisierung in der Rumpelkammer der Pädagogik. Die lehrerzentrierte Didaktik mit dem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch, die Klassengemeinschaft, das soziale Lernen und die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit werden derzeit von amerikanischen Wissenschaftlern wiederentdeckt.

Bereits vor drei Jahren erschien in der FAZ ein Artikel mit der Aussage, dass in einer gross angelegten Analyse eindeutig nachgewiesen wurde, dass Frontalunterricht, in dem die Schüler mehr zuhören und üben und weniger diskutieren und experimentieren, klar die besseren Lernerfolge bringe als offener Unterricht. Und am 14. Januar 2016 erschien wiederum in der FAZ ein ausgezeichneter Artikel mit der vielversprechenden Überschrift:«Wann machen Sie wieder einmal Frontalunterricht?» Ein engagierter Lehrer beschreibt darin, wie er mit seinen interessierten Schülern in einem Gespräch gemeinsam den Horizont erweitert, ohne sie zu «dominieren» oder gar zu «bevormunden». Diese Qualität lässt sich, wie es bei der Methode des individuellen Lernens üblich ist, durch die schriftliche Beantwortung von Fragen zu einem Text nie erreichen.

Eine Kollegin erzählte mir mit Begeisterung von einer Weiterbildung im Herbst 2015 unter der Leitung der international anerkannten Lehr- und Lernforscherin Prof. E. Stern an der ETH Zürich. Die Dozentin vermittelte, dass zwar momentan das selbstorganisierte Lernen im Trend sei, doch aktuelle Studien kämen zum Schluss, dass die Methode der direkten Instruktion zu besseren Lernergebnissen führe. Je strukturierter ein Unterricht sei, umso effizienter seien die Lernleistungen und auch schwächere Schüler blieben weniger auf der Strecke. Das Selbstlernen sei das Ziel der höheren Schulen, der Weg dahin führe über den lehrergesteuerten Unterricht.

Da müssten ja eigentlich unsere Reformer hellhörig werden und über die Bücher gehen. Sind sich doch bei uns fast alle in einem Punkt einig: Alles ist erlaubt, nur bitte schön Hände weg vom verpönten Frontalunterricht. Munter werden wider alle Vernunft offene Lernformen, altersdurchmischtes oder selbstorganisiertes Lernen propagiert. Und die Lehrpersonen mühen sich mit unglaublichem Aufwand ab, für jedes Kind ein auf seine Fähigkeiten und Bedürfnisse abgestimmtes Lernprogramm zur Verfügung zu stellen.

Die Signale aus der angelsächsischen Welt sind klar: Die Klassengemeinschaft, die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit, das entwickelnde Unterrichtsgespräch werden wiederentdeckt und sind für den Lernerfolg massgebend. Die sogenannt modernen Methoden werden bald in der Versenkung verschwinden.


Genau das will der Widerstand gegen den Lehrplan 21 erreichen. Die Klasse als Gemeinschaft, das Gespräch, die soziale und interaktive Dimension des Lernens und die zentrale Bedeutung der Lehrkraft sollen wieder die tragenden Elemente sein im schulischen Alltag. Hoffen wir also, dass auch bei uns die neue alte Didaktik wieder Einzug halten kann und wir unseren Kindern keine unnötigen Irrwege mehr zumuten.

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