Er ist
gekommen, um die Rheinecker Oberstufe umzukrempeln: Schulleiter Stefan Gander
will ein neues Konzept erarbeiten, damit die Schule trotz sinkender Schülerzahl
tragbar bleibt. Eine Bilanz nach dem ersten Semester im Amt.
Der Unternehmer im Lehrer, St. Galler Tagblatt, 26.1. von Seraina Hess
Herr
Gander, Stadtrat Gilbert Lapp sagte zu Beginn Ihrer Anstellung, Sie seien ein
Querdenker, dem es gelingen werde, an der Oberstufe Rheineck einiges zu
verändern. Weshalb sind Sie der Mann dafür?
Stefan
Gander: Das hängt mit meiner Schulgeschichte zusammen. Ich habe bisher mehrere
innovative Schulen gegründet und begleitet. Dazu gehören unter anderem das SBW
Haus des Lernens in Herisau, die Neue Stadtschule St. Gallen, aber auch die
Freie Schule Anne-Sophie in Berlin.
Was reizt
einen mehrfachen Schulgründer an einer überschaubaren Oberstufe wie Rheineck?
Gander:
Die Ausgangslage. Durch den Volksentscheid gegen den Beschulungsvertrag mit
Thal steht fest, dass die Oberstufe bestehen bleibt. Deshalb ist gefragt, was
ich gerne tue: Eine Schule weiterentwickeln und an neue Gegebenheiten anpassen
– in diesem Fall an die sinkende Schülerzahl.
Welches
Bild von der Oberstufe haben Sie nach einem Semester?
Gander:
Die Schule ist vergleichbar mit einem sehr erfolgreichen Traditionsunternehmen,
das einen guten Ruf geniesst. Das war schon am ersten Arbeitstag spürbar: Der
Respekt und die Begrüssungs-Kultur ziehen sich durch alle Ebenen. Bemerkenswert
ist auch, wie stark die Schule auf Anschlusslösungen der Schüler ausgerichtet
ist. Zu diesem Zeitpunkt haben bereits 97 Prozent der Drittklässler eine
Lehrstelle oder einen Platz an einer weiterführenden Schule. Das ist der
Verdienst meines Vorgängers und seines Teams.
Traditionsunternehmen
klingt nach Erfolg, aber auch nach vielen alten Gewohnheiten. Gibt es
Schulbereiche, in denen dringend etwas unternommen werden muss?
Gander:
Dazu gehört vor allem die Informatik, die sowohl die Infrastruktur als auch den
Unterricht betrifft. Hier wurde eindeutig zu wenig getan. Die Anschaffung von
Laptops, die neue Lernformen ermöglichen, ist bereits geplant. Auch die
Umgestaltung von Schulräumen wird vermutlich auf uns zukommen.
Weshalb
braucht es eine Umgestaltung der Schulzimmer?
Gander:
Das hängt vom Unterrichtsmodell ab, das die Oberstufe wählen wird. Ich habe
schon an Schulen gearbeitet, in denen man in Grossraumbüros unterrichtete: An
der Stehbar erklärte ich den Schülern den Satz des Pythagoras; sobald sie die
Theorie verstanden haben, arbeiteten sie selbständig weiter.
Ist ein
Modell wie dieses in Rheineck denkbar?
Gander:
Wie sich die Oberstufe entwickeln wird, ist noch nicht klar. Das Lehrerteam und
die Schulkommission werden demnächst Schulen im Appenzellerland und im Thurgau
besichtigen, die ähnlich klein sind und funktionieren. Erste Veränderungen
könnten sich aber schon im Sommer abzeichnen.
Wie
könnten diese aussehen?
Gander:
Fest steht, dass wir die starken Elemente der Schule behalten möchten –
schliesslich wurde die Oberstufe im Herbst 2014 von den Rheineckern quasi
gewählt. Welche Schule kann das schon von sich behaupten?
Dennoch
stehen anscheinend völlig neue Schulformen zur Debatte, die Sie bisher vor
allem in Privatschulen eingeführt haben. Ist man in Rheineck offen genug dafür?
Gander:
An den Schulen im Kanton St. Gallen sind die meisten neuen Lern- und
Unterrichtsformen noch nicht vertreten, was sich mit dem Lehrplan 21, der viele
neue Türen öffnet und deshalb eine grosse Chance birgt, ändern dürfte. Klar, in
den Privatschulen habe ich ganz nach meinen pädagogischen Grundsätzen
gehandelt, nun suchen wir eine nachhaltige Lösung, mit der alle leben können.
Es nützt niemandem, in Rheineck ein Modell einzuführen, das in Zürich gut
ankäme. Aber die Schulkommission weiss, wen sie mit mir gewählt hat.
Die Schulkommission
will nicht nur neue Unterrichtsformen, sondern ein Modell, das Kosten spart.
Wie soll das gelingen?
Gander:
Es geht nicht nur ums Sparen, sondern um die Umverteilung von Ressourcen. Das
können wir durch zwei Extreme schaffen.
Wie?
Gander: Entweder,
wir werden im klassischen Sinne eine so starke Schule, dass es uns gelingt,
Schüler aus umliegenden Gemeinden abzuwerben – der gute Ruf ist ja schon da,
und erst vor ein paar Jahren gab es noch Jugendliche aus Lutzenberg, die die
Rheinecker Oberstufe besucht haben. Oder aber wir entwickeln uns extrem
innovativ: Wir lösen alte Strukturen auf und entfernen uns vom
Schulklassen-Denken.
Innovation,
Nachhaltigkeit, Entwicklung – ihre Wortwahl gleicht der eines Unternehmers.
Weshalb wurde doch das Bildungswesen zu Ihrer Berufung?
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