Bis zu 34 Lektionen pro Woche drücken
die Schüler der Oberstufe in der Schweiz die Schulbank. Danach sind mehrere
Stunden Hausaufgaben und Lernen für Prüfungen angesagt. Hinzu kommen
Musikunterricht und Sport. Bei Peter Hofmann, Schulrechts-Experte und Leiter
der Fachstelle Schulrecht GmbH, läuten die Alarmglocken. «Wir laufen Gefahr,
dass eine Generation von Kindern unter dem Leistungsdruck und überzogenen
Erwartungshaltungen zusammenbricht», warnt er in der Zeitschrift «Bildung
Schweiz».
Im Oberstufenalter leisteten
Jugendliche oft mehr als in einer Lehre, prangert er an. Damit verstiessen die
Schule und die Gesellschaft laut dem Schulrechtler gar gegen die
UN-Kinderrechtskonvention. Diese verlangt, dass bei allen Massnahmen, die
Kinder betreffen, das Wohl der Kinder vorrangig zu berücksichtigen sei.
Oberstufen-Schüler stark unter Druck. Bild: Getty Images
Der hohe Leistungsdruck macht die Schüler krank, 20 Minuten, 25.1. von B. Zanni
Auch Lehrervertreter bestätigen, dass der Schuldruck gross ist. «Wir haben eine
anforderungsreiche Schule, die gute Resultate bringt, und betreiben keine
Kuschelpädagogik», sagt Beat Zemp, Präsident des Dachverbands Lehrerinnen und
Lehrer Schweiz (LCH). Sicher nicht alle, aber ein Teil der Schüler sei an der
Belastungsgrenze angekommen.
Psychologen sind vermehrt mit
erschöpften Jugendlichen konfrontiert. «Nervosität, Ängstlichkeit, Sorgen und
depressive Störungen haben bei Oberstufenschülern zugenommen», sagt Urs Kiener,
Kinder- und Jugendpsychologe bei Pro Juventute. Er verweist zudem auf eine
Studie mit Schülern der Stadt Zürich. «Knapp die Hälfte gab an, regelmässig
Schmerzmedikamente etwa gegen Kopf- und Rückenschmerzen zu konsumieren.»
Auch Jugendpsychologe Allan Guggenbühl
erlebt oft überlastete Schüler. «Sie haben Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder
den Schulverleider», sagt er. Er stellt fest, dass die Leistungsnachweise zu
schaffen machen. «Die Schüler haben das Gefühl, sie müssten permanent Output produzieren.»
Sie müssten sich nicht nur in Prüfungen, sondern auch mit aufwendigen Arbeiten
beweisen. «Das selbständige Lernen, das als grosser Fortschritt angepriesen
wird, ist zum Teil ein Schuss nach hinten.»
«Prüfungen am Montag sind ein No-go»
Peter Hofmann sieht dringenden
Handlungsbedarf. Der Lehrplan 21 habe die Chance verpasst, die Lektionen
spürbar zu reduzieren. «Wir überlasten die Schüler zeitlich und verplanen ihre
Kindheit.» Er fordert, dass die Schüler am Wochenende weder Hausaufgaben erledigen
noch sich auf Prüfungen für den Montag vorbereiten müssen. «Der Montag als
Prüfungstag ist ein absolutes No-go. Es löst bei den Jugendlichen, aber auch
der ganzen Familie unnötigen Stress aus!» Auch das Jugendparlament St.
Gallen-Appenzell verlangte, dass die Anzahl der Prüfungen an den Schulen pro
Tag und Woche begrenzt wird.
Beat Zemp zeigt dafür ein gewisses
Verständnis. Nähmen die Lektionen, Freifächer, Hausaufgaben und
Prüfungsvorbereitung pro Woche 45 Stunden oder mehr ein, sei das deutlich zu
viel. «Die obere Grenze für die Sekundarstufe liegt bei 42 Stunden», so der
LCH-Präsident. Leide die Mehrheit einer Klasse unter zu vielen Prüfungen oder
Hausaufgaben, müsse sie mit der Lehrperson nach Lösungen suchen.
Zemp betont aber auch, dass die Schule
durchaus streng sein dürfe und müsse. «Wir sind keine Larifari-Gesellschaft,
sondern ein fleissiges Volk.» Eine gewisse Härte bereite die Schüler optimal
auf das Berufsleben vor.
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