Eine Umfrage
zeigt: In der Schweiz gibt es eine hohe Zustimmung für das Einfrieren von
Schulausgaben. Die Schüler protestierten mit einem Rap. «Zrugg id Steiziit»
heisst der Song der Winterthurer Kantonsschule Im Lee, der sich gegen
Sparmassnahmen an den Schulen richtet. Eine andere Schule in Zürich pferchte
kürzlich am Tag der offenen Tür 30 Schüler in ein Klassenzimmer – als
Demonstration, dass grössere Klassen kein taugliches Mittel seien, um
Bildungskosten zu senken. Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt: Die
Stimmungsmache ist fehl am Platz.
Volk will Bildungskosten beschränken, Sonntagszeitung, 24.1. von Nadja Pastega
An den
Schweizer Schulen herrschen luxuriöse Bedingungen. Es wurde in den letzten
Jahren üppig investiert. Die Ausgaben für die obligatorische Schule sind in
zehn Jahren von 12,3 Milliarden auf 14,6 Milliarden Franken gestiegen – und
das, obwohl die Zahl der Volksschüler gesunken ist. Gemessen an der Schülerzahl
und teuerungsbereinigt, fällt das Ausgabenwachstum noch krasser aus: Demnach
kostet die Volksschule heute real jährlich über 3 Milliarden Franken mehr als
vor zehn Jahren, hat Stefan Wolter, Bildungsökonom der Universität Bern,
berechnet. Das heisst: Die Ausgaben pro Schüler sind so hoch wie noch nie. «In
der Volksschule sind die Kosten explodiert», sagt Wolter.
Ein Volksschüler kostet 20000 Franken pro
Jahr
Nun, da
viele Kantone rote Zahlen schreiben, soll Schluss sein mit dem Geldsegen. Auch
die Schulen müssen sparen. Dagegen gibt es lautstarken Protest der
Lehrerverbände, sie warnen bereits vor «Raubbau» an der Bildung. Jetzt erhält
die Debatte von anderer Seite neuen Schub: Ökonom Wolter hat im Rahmen einer
breit angelegten bildungspolitischen Umfrage des Swiss Leading House on the
Economics of Education der Universitäten Bern und Zürich untersuchen lassen,
wie das Schweizervolk zu Finanzfragen steht. Das Fazit: Die Schweizer
Bevölkerung will das Ausgabenwachstum bei der Bildung stoppen.
Bei der
repräsentativen Erhebung, die das Link-Institut durchführte, wurden 6000
Schweizerinnen und Schweizer befragt. Sie hatten zu entscheiden, ob die
Ausgaben für die Volksschule weiter steigen, gleich bleiben oder sinken sollen.
Die Befragten wurden in vier Gruppen zu je 1500 Personen aufgeteilt und
unterschiedlich informiert. Die erste Gruppe bekam keine Zusatzinformationen.
Gruppe 2 erhielt den Hinweis, dass ein Volksschüler in der Schweiz
durchschnittlich 20000 Franken pro Jahr koste. Der dritten Gruppe präsentierte
man die Gesamtkosten von 180000 Franken pro Schüler für neun Schuljahre. Gruppe
4 wurde darüber informiert, dass es die gesamten Steuererträge eines durchschnittlichen
Steuerzahlers über einen Zeitraum von 16 Jahren braucht, um einem einzigen
Schüler die gesamte obligatorische Schulzeit zu finanzieren. Ergebnis: Nur in
der ersten Gruppe gab es eine leichte Mehrheit für höhere Bildungsausgaben. In
den anderen drei Gruppen, die über die tatsächlichen Kosten der Volksschule
aufgeklärt wurden, kehren sich die Mehrheitsverhältnisse um: Rund 60 Prozent
wollen, dass die Ausgaben eingefroren werden oder gar sinken sollen – und das
unabhängig davon, welche Information zu den wahren Bildungsausgaben sie
erhielten.
«In der
Bevölkerung herrscht offenbar ein eklatanter Informationsnotstand», sagt
Wolter. «Sobald man die Befragten über die heutigen Verhältnisse aufklärt,
sinkt die Zustimmung zu mehr staatlichen Ausgaben, und die Bereitschaft, zu
sparen, steigt.» Wäre die Bevölkerung gut über das Bildungswesen informiert, so
Wolter, dürften sich keine oder nur geringe Veränderungen der Präferenzen
manifestieren. Das zeige, dass die Unterstützung für Bildungsausgaben zum Teil
auf der Annahme beruhe, «dass die Ressourcenausstattung schlechter sei, als sie
tatsächlich ist».
Wie die
Umfrage weiter zeigt, gibt es Unterschiede nach politischer Präferenz. Die
Zustimmung für steigende Bildungsausgaben ist auf der linken Seite deutlich grösser:
Eine Mehrheit der Befragten will noch mehr Geld in die Volksschule pumpen – das
gilt auch für jene, die über die heutigen Kosten informiert wurden.
Der Lehrerverband Schweiz widerspricht
vehement
Dagegen
steigt die Zustimmung für einen Marschhalt bei den Bildungsausgaben bei jenen
Personen, die sich der politischen Mitte oder dem rechten Parteienspektrum
zuordnen, auf einen Anteil von bis zu 63 respektive 73 Prozent. Klar ist: Wegen
der Finanzklemme in den Kantonen müssen auch die Schulen sparen. 20 der 21 vom
Lehrerverband Schweiz (LCH) angefragten Kantone wollen die Bildungsausgaben
insgesamt um 500 Millionen Franken senken. Das führt aber nur zum Teil dazu,
dass weniger Geld ausgegeben wird. Oft heisst «sparen», dass das geplante
Ausgabenwachstum reduziert wird.
Der
Lehrerverband LCH wehrt sich kategorisch gegen Sparmassnahmen an der
Volksschule. «Wir erkennen derzeit kein Sparpotenzial», sagt Zentralsekretärin
Franziska Peterhans. «Die Zitrone ist ausgepresst. Wer jetzt Ressourcen
wegnimmt, der betreibt ganz klar Abbau und beschädigt die Qualität der Schule.»
Das sieht Ökonom Wolter anders: «Mit Blick darauf, dass die Ausgaben in den
letzten zehn Jahren um drei Milliarden Franken gestiegen sind, sollte es
machbar sein, wenn man jetzt 500 Millionen sparen muss.» Pisa zeige zudem,
«dass sich die Qualität in dieser Zeit nicht deutlich verbessert hat».
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