Der hohe Leistungsdruck in der
Sekundarschule lässt Schulrechts-Experte Peter Hofmann ein düsteres Bild
zeichnen.«Wir laufen Gefahr, dass eine Generation von Kindern
unter dem Leistungsdruck und überzogenen Erwartungshaltungen zusammenbricht»,
warnte er kürzlich.
Im Schnitt vier Prüfungen pro Woche, Bild: Colourbox
"Mein Sohn bricht regelmässig zusammen", 20 Minuten, 26.1. von B. Zanni
Hofmann legt den Finger damit auf
einen wunden Punkt: Zahlreiche Leser-Feedbacks zeigen, dass die Oberstufe
Schüler und Eltern ans Limit bringt. 20 Minuten hat mit Betroffenen geredet.
Keine Pause für den Kopf
«Ich habe oft Kopfschmerzen und muss
Tabletten nehmen», sagt der 12-Jährige Elias Halter*, der die erste Sek in
Rümlang besucht. Auch schlafe er schlecht und sei müde. «Ich muss meinen Kopf
dauernd anstrengen.» Elias berichtet, es stehe fast jeden Tag eine Prüfung an.
Jeden Abend müsse er lernen. «Und die Lehrer geben jeden Tag Hausaufgaben auf
viele andere Tage auf», klagt er. Viel Zeit kosteten ihn die Ufzgi in Deutsch
und Geschichte. «Manchmal müssen wir ganze Texte von Hand abschreiben.»
Wegen der Schule bleibt die Freizeit
auf der Strecke. «Ich gehe fast nie nach draussen. Das Fussballtraining musste
ich aufgeben.» Selbst in den Ferien könne er kaum ausspannen. «In der zweiten
Woche muss ich dann schon wieder für Prüfungen lernen.»
«Ich habe meinem Sohn schon die
Aufgaben gemacht»
Seine Mutter leidet mit. «Mein Sohn
hat regelmässige Zusammenbrüche. Dann weint er nur noch», sagt sie. Er schreibe
pro Woche im Schnitt vier Prüfungen. «Ich sitze mit ihm zwei bis drei Stunden
an den Ufzgi, manchmal bis zehn Uhr abends – obwohl er ein durchschnittlicher Schüler
ist.»
Die Mutter sagt, sie habe für ihren
Sohn auch schon die Aufgaben erledigt. «Es macht doch keinen Sinn, von Hand
eine zwölfseitige Zusammenfassung über ein Buch zu schreiben.» Die Schule
belastet das Familienleben. Skifahren am Wochenende sei nicht möglich. «Die
Freizeitaktivitäten mit der Familie sind auf ein Minimum geschrumpft.»
«Ich schlafe in der Schule fast ein»
Auch Sekschüler in höheren Klassen
haben zu kämpfen. Vor allem in der Zeit vor der Zeugnisabgabe sei es sehr
hektisch, sagt der 15-jährige Pascal Grob* aus Appenzell-Innerrhoden. «Letzte
Woche habe ich sicher etwa 15 bis 20 Stunden für Prüfungen gelernt.» Und
zweimal pro Woche sitze er bestimmt bis zehn Uhr abends an den Hausaufgaben.
«Am nächsten Tag bin ich dann oft so müde, dass ich im Unterricht fast
einschlafe.»
Oft stehe am Montag eine
Geschichtsprüfung an. «Denke ich am Freitag daran, dass ich am Sonntag wieder
üben muss, liegt mir das auf dem Magen.» Der Zweitsekschüler räumt ein, schon
mehr gelitten zu haben. «Kürzlich haben Schulkameraden beim Lehrer reklamiert.
Seither haben wir etwas weniger Stress.»
«Die Schüler müssen sich zuhause mehr
erarbeiten»
Lehrervertreter bestätigen den
erhöhten Druck in der Sek. «Die Schüler müssen sich zuhause mehr erarbeiten,
weil in der Schule die Zeit knapp ist», sagt Jürg Brühlmann, Geschäftsführer
des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen und Lehrer. Dazu zählten selbständige
Arbeiten wie Gruppenarbeiten, Vorträge, Projekte, schriftliche Arbeiten,
Rollenspiele und Recherchen im Internet. «Im Unterricht sind andere Kompetenzen
wie das Üben von Sozialkompetenz oder sinnliches Erarbeiten von Lernstoff
gefragt.»
Weiter führt Brühlmann an, viele
Eltern wollten ihr Kind ins Gymnasium schicken. «Jede Sek, die wenige Schüler
ins Gymi bringt, gilt als schlecht.» Zudem erwarteten die Lehrmeister von den
angehenden Lehrlingen immer mehr.
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