11. Januar 2016

Baselbiet stimmt im Juni über Lehrplan 21 ab

Der Kanton Baselland ist der erste Deutschschweizer Kanton, der sich darauf einstellt, dass der Lehrplan 21 möglicherweise nie in Kraft tritt: Mit der Sistierung der neuen Stundentafel kurz vor Weihnachten hat der Bildungsrat der Opposition gegen den Lehrplan  21 Rechnung getragen. Im kommenden Juni wird Baselland als erster Kanton über das nationale Kompetenzen-Verzeichnis für die Primar- und Sekundarschulen abstimmen – ein demokratischer Vorgang, den die Bildungsbürokraten, die hinter dem Lehrplan stehen, stets vermeiden wollten. Der Urnengang im Baselbiet ist von nationaler Bedeutung, denn er könnte landesweit Signalwirkung haben.
Baselland stellt Weichen in Richtung Schule ohne Lehrplan 21, Basler Zeitung, 11.1. von Thomas Dähler

Der Basler Erziehungsdirektor und LDP-Nationalrat Christoph Eymann, der die Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK) präsidiert, zeigte sich denn auch in seinen öffentlichen Reaktionen enttäuscht darüber, dass die beabsichtigte Einführung einer gemeinsamen Stundentafel für die Sekundarschulen der beiden Basel in Liestal gestoppt wurde. Die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz war sogar bereits nach einem lehrplankritischen Artikel der Sonntagszeitung im vergangenen November nervös: Auf ihrer Homepage verbreitet sie seither die Falschmeldung, alle Vorstösse gegen den Lehrplan 21 seien in den Kantonen «von den Parlamenten mit deutlichen Mehrheiten abgelehnt» worden. Im Baselbieter Landrat jedenfalls war das Gegenteil der Fall.
Widerstand im Baselbiet
Der Protest gegen den Lehrplan 21 hatte seinerzeit bereits im Baselbiet begonnen – ironischerweise in jenem Kanton, der einst die Harmonisierung der Volksschulen in der Schweiz initiiert hatte. Im Baselbiet lancierte das Komitee Starke Schule Baselland im Februar 2014 die erste kantonale Volksinitiative. Das Volksbegehren «Ja zum Austritt aus dem überteuerten und gescheiterten Harmos-Konkordat» verfolgte das Ziel, die Übernahme des Lehrplans 21 im Kanton zu verhindern. Es hat inzwischen national eine regelrechte Lawine von Nachahmern losgetreten: In zehn weiteren Kantonen wurden seither ebenfalls Volksinitiativen lanciert. Damit wird immer wahrscheinlicher, dass in den kommenden Jahren in der Schweiz nahezu flächendeckend über den Lehrplan 21 an der Urne abgestimmt wird.
Absehbar ist inzwischen auch, dass im Baselbiet gleich mehrere Entscheide zu den Baselbieter Schulen an der Urne fallen (vgl. Box). Abstimmungsreif ist neben der Gesetzesvorlage des Landrats zum Lehrplan 21, mit der die Entscheidungskompetenz vom Schulrat zum (bürgerlichen) Landrat wechseln soll, auch die Gesetzesrevision «Verzicht auf kostentreibende Sammelfächer», mit der die im Lehrplan 21 stipulierte Fusion der Schulfächer Geschichte und Geografie, Chemie, Physik und Biologie sowie Hauswirtschaft und Wirtschaft der Riegel geschoben würde.
Offen ist, was mit der ursprüng­lichen Initiative für den Harmos-Austritt passiert. Regierungsrätin Monica Gschwind hat bereits bekräftigt, dass sie einen Austritt vermeiden will. Verlaufen am 5. Juni die Abstimmungen über den Lehrplan 21 und die Sammelfächer im Sinne der Lehrplan-Kritiker, erhält die Bildungsdirektorin ein gutes Argument gegen den Harmos-Austritt. Wäre der Lehrplan 21 bereits verworfen, entfiele aber das wichtigste Argument für den Austritt.
Öffentliche Diskussion zu spät
Es rächt sich, dass in der Schweiz erst eine öffentliche Diskussion über den Lehrplan 21 geführt wurde, als dieser bereits ausgearbeitet und der Übergang von einem Lehrplan mit Schulstoff zu einem mit Kompetenzen bereits in Stein gemeisselt war. Die durchgeführten Vernehmlassungen haben zwar noch zu Korrekturen geführt.
Doch der Einheitslehrplan wird dennoch landesweit von einer militanten Gegnerschaft von links bis rechts bekämpft. National gegen den Lehrplan 21 aufgetreten sind vor allem zwei landesweit koordinierte Gruppierungen, links angeführt vom Bieler Sekundarlehrer und GLP-Stadtrat Alain Pichard und vom Zürcher Kantonsschullehrer und Erziehungswissenschaftler Beat Kissling (Broschüre Einspruch), rechts von der Zürcher Lehrerin Andrea Bischof und vom Zürcher alt SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer (Aktion Bildungs-Kompass). Prominente Gegner auf dem nationalen Parkett sind etwa Professor Allan Guggenbühl, Politologin Regula Stämpfli, Ständerätin Anita Fetz (SP, BS), Publizist Beat Kappeler, Nationalrätin Verena Herzog (SVP, TG) und Nationalrat Peter Keller (SVP, NW).
Kantonale Vetos zum Lehrplan 21 stehen nicht im Widerspruch zu den 2006 verabschiedeten Bildungsartikeln in der Bundesverfassung. In Art. 61ff.werden Qualität und Durchlässigkeit vorgeschrieben, werden Schuleintrittsalter, Schulpflicht, Bildungsstufen und Abschlüsse harmonisiert, ist aber nirgends ein gesamtschweizerischer Lehrplan verankert. Auffällig ist, dass der Lehrplan 21 auf dem politischen Parkett von vielen zwar hingenommen, politisch aber kaum aktiv verteidigt wird. Wirklich engagiert verteidigen ihn nur die Erziehungsdirektoren, angeführt von EDK-Präsident Eymann und von Christian Amsler, dem Schaffhauser Präsidenten der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz.


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