Der Kanton Baselland ist
der erste Deutschschweizer Kanton, der sich darauf einstellt, dass der Lehrplan
21 möglicherweise nie in Kraft tritt: Mit der Sistierung der neuen Stundentafel
kurz vor Weihnachten hat der Bildungsrat der Opposition gegen den Lehrplan 21
Rechnung getragen. Im kommenden Juni wird Baselland als erster Kanton über das
nationale Kompetenzen-Verzeichnis für die Primar- und Sekundarschulen abstimmen
– ein demokratischer Vorgang, den die Bildungsbürokraten, die hinter dem
Lehrplan stehen, stets vermeiden wollten. Der Urnengang im Baselbiet ist von
nationaler Bedeutung, denn er könnte landesweit Signalwirkung haben.
Baselland stellt Weichen in Richtung Schule ohne Lehrplan 21, Basler Zeitung, 11.1. von Thomas Dähler
Der Basler
Erziehungsdirektor und LDP-Nationalrat Christoph Eymann, der die
Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK) präsidiert, zeigte sich denn auch in
seinen öffentlichen Reaktionen enttäuscht darüber, dass die beabsichtigte
Einführung einer gemeinsamen Stundentafel für die Sekundarschulen der beiden
Basel in Liestal gestoppt wurde. Die Deutschschweizer
Erziehungsdirektoren-Konferenz war sogar bereits nach einem lehrplankritischen
Artikel der Sonntagszeitung im vergangenen November nervös: Auf
ihrer Homepage verbreitet sie seither die Falschmeldung, alle Vorstösse gegen
den Lehrplan 21 seien in den Kantonen «von den Parlamenten mit deutlichen
Mehrheiten abgelehnt» worden. Im Baselbieter Landrat jedenfalls war das
Gegenteil der Fall.
Widerstand im Baselbiet
Der Protest gegen den
Lehrplan 21 hatte seinerzeit bereits im Baselbiet begonnen – ironischerweise in
jenem Kanton, der einst die Harmonisierung der Volksschulen in der Schweiz
initiiert hatte. Im Baselbiet lancierte das Komitee Starke Schule Baselland im
Februar 2014 die erste kantonale Volksinitiative. Das Volksbegehren «Ja zum
Austritt aus dem überteuerten und gescheiterten Harmos-Konkordat» verfolgte das
Ziel, die Übernahme des Lehrplans 21 im Kanton zu verhindern. Es hat inzwischen
national eine regelrechte Lawine von Nachahmern losgetreten: In zehn weiteren
Kantonen wurden seither ebenfalls Volksinitiativen lanciert. Damit wird immer
wahrscheinlicher, dass in den kommenden Jahren in der Schweiz nahezu flächendeckend
über den Lehrplan 21 an der Urne abgestimmt wird.
Absehbar ist inzwischen
auch, dass im Baselbiet gleich mehrere Entscheide zu den Baselbieter Schulen an
der Urne fallen (vgl. Box). Abstimmungsreif ist neben der Gesetzesvorlage des
Landrats zum Lehrplan 21, mit der die Entscheidungskompetenz vom Schulrat zum
(bürgerlichen) Landrat wechseln soll, auch die Gesetzesrevision «Verzicht auf
kostentreibende Sammelfächer», mit der die im Lehrplan 21 stipulierte Fusion
der Schulfächer Geschichte und Geografie, Chemie, Physik und Biologie sowie
Hauswirtschaft und Wirtschaft der Riegel geschoben würde.
Offen ist, was mit der
ursprünglichen Initiative für den Harmos-Austritt passiert. Regierungsrätin
Monica Gschwind hat bereits bekräftigt, dass sie einen Austritt vermeiden will.
Verlaufen am 5. Juni die Abstimmungen über den Lehrplan 21 und die Sammelfächer
im Sinne der Lehrplan-Kritiker, erhält die Bildungsdirektorin ein gutes
Argument gegen den Harmos-Austritt. Wäre der Lehrplan 21 bereits verworfen, entfiele
aber das wichtigste Argument für den Austritt.
Öffentliche Diskussion zu
spät
Es rächt sich, dass in der
Schweiz erst eine öffentliche Diskussion über den Lehrplan 21 geführt wurde,
als dieser bereits ausgearbeitet und der Übergang von einem Lehrplan mit
Schulstoff zu einem mit Kompetenzen bereits in Stein gemeisselt war. Die
durchgeführten Vernehmlassungen haben zwar noch zu Korrekturen geführt.
Doch der Einheitslehrplan
wird dennoch landesweit von einer militanten Gegnerschaft von links bis rechts
bekämpft. National gegen den Lehrplan 21 aufgetreten sind vor allem zwei
landesweit koordinierte Gruppierungen, links angeführt vom Bieler
Sekundarlehrer und GLP-Stadtrat Alain Pichard und vom Zürcher
Kantonsschullehrer und Erziehungswissenschaftler Beat Kissling (Broschüre
Einspruch), rechts von der Zürcher Lehrerin Andrea Bischof und vom Zürcher alt
SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer (Aktion Bildungs-Kompass). Prominente Gegner auf
dem nationalen Parkett sind etwa Professor Allan Guggenbühl, Politologin Regula
Stämpfli, Ständerätin Anita Fetz (SP, BS), Publizist Beat Kappeler,
Nationalrätin Verena Herzog (SVP, TG) und Nationalrat Peter Keller (SVP, NW).
Kantonale Vetos zum
Lehrplan 21 stehen nicht im Widerspruch zu den 2006 verabschiedeten
Bildungsartikeln in der Bundesverfassung. In Art. 61ff.werden Qualität und
Durchlässigkeit vorgeschrieben, werden Schuleintrittsalter, Schulpflicht,
Bildungsstufen und Abschlüsse harmonisiert, ist aber nirgends ein
gesamtschweizerischer Lehrplan verankert. Auffällig ist, dass der Lehrplan 21
auf dem politischen Parkett von vielen zwar hingenommen, politisch aber kaum
aktiv verteidigt wird. Wirklich engagiert verteidigen ihn nur die
Erziehungsdirektoren, angeführt von EDK-Präsident Eymann und von Christian
Amsler, dem Schaffhauser Präsidenten der Deutschschweizer
Erziehungsdirektoren-Konferenz.
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