Kochen und Einkaufen gehört zum Programm, Bild: Facebook
"Bei uns bekommen Kids eine Pause von allem", 20 Minuten, 2.1. von Nadine Ellis
Sie sind zwischen 7 und 14 Jahre alt,
stören massiv in der Schule oder gefährden sich oder ihr Umfeld – bis es dann
heisst: 12 Wochen Schulausschluss. Kinder, die vom Unterricht ausgeschlossen
worden sind, werden unter anderem in der 2004 eröffneten Waldschule
Kerbholz28 in Frieswil
betreut.
Die Waldschule hat seither 114 Kinder
betreut und unterscheidet sich von klassischen Time-out-Klassen. Auch sie
fördern zwar Schüler mit Lern- oder Leistungsstörungen oder
Verhaltensauffälligkeiten, werden aber von den Schulgemeinden organisiert und
durchgeführt. In der Time-out-Klasse werden die Kinder daher weiterhin in einem
kleineren Pensum unterrichtet – nicht so in der Waldschule.
Pause von allem – ohne Frontalunterricht
«Bei uns bekommen die Kinder eine
wirkliche Pause von allem», erzählt die pädagogische Leiterin der Schule Alice
Zbinden. Ob bei Regen oder eitel Sonnenschein: Die Kinder verbringen den ganzen
Tag in einem selbstgebauten Camp im Wald. Sie sollen so Abstand vom regulären
Schulunterricht gewinnen können und eine Chance bekommen, die Geschehnisse zu
verarbeiten und auf die Reintegration hinzuarbeiten.
Das Konzept der Waldschule beinhaltet
explizit keinen Frontalunterricht: «Würden wir ihn den Kindern aufzwingen
wollen, würden sie sich dem Stoff verweigern», erklärt Zbinden. Dennoch lernen
die Kinder viel. So rechnen sie etwa ihre Einkäufe fürs Zmittag im Kopf
zusammen oder vermessen neue Bauten für ihr Camp. Auch im Winter sind die
Kinder im Wald aktiv und ziehen nicht etwa in einen Klassenraum: «Wir ziehen
einfach Handschuhe an», sagt Zbinden lachend.
«Mein Leben ist doch schon gelaufen»
Derzeit sind fünf Kinder und
Jugendliche in der Waldschule – es gab aber auch schon Zeiten, in denen die
Klasse leer blieb. Zbinden zeigt sich daher zufrieden, dass das Angebot in den
letzten Jahren immer mehr genutzt worden sei: «Zwar ist die Problematik gleich
gross wie früher, man ist aber sensibler geworden und reagiert schneller»,
erklärt die Pädagogin.
Dank der Auszeit in der Waldschule
soll die Reintegration der Kinder in die Stammklasse gelingen. Doch auch ein
guter Einstieg in die Waldklasse sei enorm wichtig. Jugendliche bräuchten oft
länger, bis sie wieder eine Beziehung eingehen könnten: «Der Schaden bei den älteren
Kindern ist oft gross. Viele sind der Meinung, ihr Leben sei schon gelaufen»,
erzählt die pädagogische Leiterin. Die Arbeit mit den Kleinen hingegen sei
etwas einfacher, da sich die Situationen bei ihnen noch nicht «eingeschliffen»
habe.
Hohe Erfolgsquote
Da die regulären Schulen gut mit der
Waldschule zusammenarbeiten, könnten heute bis zu 95 Prozent der Kinder in die
Stammklasse zurückkehren. «Es wird aber immer wieder Kinder geben, die absolut
nicht in unser Schulsystem passen. Sie müssen individuelle Wege finden», so
Zbinden.
Daher sucht die Waldschule derzeit
nach einer Liegenschaft mit Land und Wald, um das Angebot vergrössern zu
können. «Wir wollen eine Schule werden für jene, die keine Schule im
klassischen Sinn ertragen und auch für jene, die länger als 12 Wochen brauchen,
um wieder in die Spur zu kommen», so Zbinden. «Wir können zudem sagen, dass wir
ein Drittel bis zur Hälfte günstiger sind als Heime oder stationäre
Einrichtungen, denn bei uns fallen teure Therapien weg», erzählt die Leiterin.
Auch daher ist sei die Schule auf Spenden angewiesen.
Die Pädagogin liebt ihren Job: «Es ist
schön, die Kinder lachend und spielend zu sehen und zu erleben, wie sie
aufblühen und sich entwickeln.»
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