Lange Zeit meldeten sich vor allem SVP-Politiker zu Wort, um gegen
die laufenden Schulreformen zu opponieren. Jetzt schalten sich immer mehr Linke
in die Debatte ein. So nimmt eine Gruppierung von SP-Politikern, linksliberalen
Professoren und Lehrern in einer 30-seitigen Streitschrift unter dem Titel Einspruch Stellung – unter dem 20-köpfigen
Autorenteam sind mehrere Basler: SP-Ständerätin Anita Fetz, der ehemalige
Kleinklassenlehrer, Roland Stark, SP-Grossrat und Gymnasiallehrer Daniel
Goepfert und Anton Hügli, eigentlich Solothurner, jedoch Lehrbeauftragter am
Philosophischen Seminar der Uni Basel. Auch die Federführung der
Oppositionsschrift hat ein Basler inne: der Sekundarlehrer Alain Pichard; er
lebt jedoch schon länger in Biel und sitzt dort als Vertreter der Grünliberalen
im Stadtrat. Von ihm stammt die Initiative zum lehrplankritischen Memorandum
«550 gegen 550».
Basler SP-Front gegen Schulreformen, Basler Zeitung,10.12. von Franziska Laur
Die
neue Broschüre nimmt nicht zuletzt den Abbau der Lehrer-Kompetenzen und den
neuen Lehrplan als «Steuerungsmodell» der Schule aufs Korn. So kritisiert
Hügli, dass steuernde Eingriffe der tiefere Sinn des neuen Lehrplans 21 mit
seiner «abstrusen Zerstückelung der Hundertschaften von aufgelisteten
Schlüsselkompetenzen in immer kleiner werdende Teilkompetenzen» seien.
Legitimiert werde alles unter Berufung auf eine Scheingerechtigkeit, die schweizweit
gleiche Prüfungsergebnisse und gleiche Noten verspricht. Hügli schreibt: «Statt
von der angeblichen Gerechtigkeit zu schwärmen (...), lenkt man den Blick
besser auf den Preis, den man für diese Entwicklung zahlt.» Dies seien unter
anderem die Verhinderung jeder öffentlichen Diskussion über das, was uns in
Schule und Unterricht wichtig sein soll.
Streit
um die Frühsprachen
Anita
Fetz stellt in ihrem Beitrag (erschienen auch in der Zeit) fest,
dass mit Harmos das Schulleben nicht einfacher, wie vom Volk gewünscht, sondern
komplizierter geworden ist. «Die Kantone geben einander wegen des Streits um
die Frühsprachen aufs Dach, und nebenbei hat eine überambitionierte
Bürokratenmaus einen Dokumentenberg geboren, der das Matterhorn vor Neid
erblassen lässt.»
Tatsächlich
sind die wesentlichen Punkte von Harmos nicht erfüllt – im Gegenteil, die
Frühspracheneinführung hat zu einer Verkomplizierung geführt. So beginnt
beispielsweise der Kanton Aargau mit Frühenglisch, die beiden Basel jedoch mit
Frühfranzösisch. Das hat zur Folge, dass Rheinfelder Kinder, die mit ihrer
Familie nach Muttenz zügeln, zwei Jahre zu wenig Französisch-Unterricht haben.
«Eine
schweizweite oder auch nur sprachregionale Annäherung, wie wir sie wollten,
sieht anders aus. Eine Vereinfachung auch», schreibt Anita Fetz und folgert:
«Harmos in der heutigen Form ist gescheitert. Und zwar daran, dass das Fuder
mit der Kompetenzausrichtung und mit viel bürokratischem Fleiss überladen
wurde.»
SP-Grossrat
Daniel Goepfert hingegen hadert mit der Lehrkräfteausbildung für die
Sekundarstufe I. «Auf eine kurze Formel gebracht: Es wird zu viel Theorie und
zu wenig fachbezogene Ausbildung angeboten», stellt er fest.
Horrende
Kosten einsparen
So
geniesse in der Nordwestschweiz eine Französisch- oder Englischlehrkraft nur
noch vier Stunden Fachunterricht während vier Semestern. Das seien insgesamt
224 Stunden, während es bis vor Kurzem noch 550 Stunden gewesen seien. Der
grosse Rest verteile sich auf Erziehungswissenschaften, Fachdidaktik,
berufspraktische Studien sowie Abschlussarbeiten, die meist nicht
fachspezifisch seien.
Roland
Stark konstatiert in Bezug auf den Kanton Basel-Stadt, der als erster den
Lehrplan 21 schon eingeführt hat: «Ein Erziehungsdirektor mit überragenden
kommunikativen Fähigkeiten, desinteressierte Parteien, narkotisierte Medien und
handzahme Gewerkschaften halfen mit, dass im Kanton Basel-Stadt selbst
einschneidende bildungspolitische Veränderungen störungsfrei und ohne
kontroverse Debatte beschlossen werden konnten.» Und er stellt fest: «Nun
scheint aber der Wind zu drehen, der Elfenbeinturm der Schulbürokratie bekommt
erste Risse.»
Und
als letzter Einspruch-Schreiber
aus der Region Basel soll der Geschichtslehrer Georg M. Geiger zu Wort kommen:
«Die leicht erhöhte Mobilität der Wohnbevölkerung in unserem Land lässt sich
durch national definierte Lernstandards und dank Lehrkräften, die es gewohnt
sind, binnendifferenziert und individualisiert zu unterrichten, bestens
auffangen. Die restlichen Strukturanpassungen und die damit verbundenen
horrenden Kosten kann man sich getrost sparen. Und schon gar nicht muss das
historisch gewachsene föderale Bildungswesen als Ganzes ge- schlissen werden.»
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