11. Dezember 2015

Linke Opposition gegen Schulreformen

Lange Zeit meldeten sich vor allem SVP-Politiker zu Wort, um gegen die laufenden Schulreformen zu opponieren. Jetzt schalten sich immer mehr Linke in die Debatte ein. So nimmt eine Gruppierung von SP-Politikern, links­liberalen Professoren und Lehrern in einer 30-seitigen Streitschrift unter dem Titel Einspruch Stellung – unter dem 20-köpfigen Autorenteam sind mehrere Basler: SP-Ständerätin Anita Fetz, der ehemalige Kleinklassenlehrer, Roland Stark, SP-Grossrat und Gymnasiallehrer Daniel Goepfert und Anton Hügli, eigentlich Solothurner, jedoch Lehrbeauftragter am Philosophischen Seminar der Uni Basel. Auch die Federführung der Oppositionsschrift hat ein Basler inne: der Sekundarlehrer Alain Pichard; er lebt jedoch schon länger in Biel und sitzt dort als Vertreter der Grünliberalen im Stadtrat. Von ihm stammt die Initiative zum lehrplankritischen Memorandum «550 gegen 550».











Basler SP-Front gegen Schulreformen, Basler Zeitung,10.12. von Franziska Laur

Die neue Broschüre nimmt nicht zuletzt den Abbau der Lehrer-Kompetenzen und den neuen Lehrplan als «Steuerungsmodell» der Schule aufs Korn. So kritisiert Hügli, dass steuernde Eingriffe der tiefere Sinn des neuen Lehrplans 21 mit seiner «abstrusen Zerstückelung der Hundertschaften von aufgelisteten Schlüsselkompetenzen in immer kleiner werdende Teilkompetenzen» seien. Legitimiert werde alles unter Berufung auf eine Scheingerechtigkeit, die schweizweit gleiche Prüfungsergebnisse und gleiche Noten verspricht. Hügli schreibt: «Statt von der angeblichen Gerechtigkeit zu schwärmen (...), lenkt man den Blick besser auf den Preis, den man für diese Entwicklung zahlt.» Dies seien unter anderem die Verhinderung jeder öffentlichen Diskussion über das, was uns in Schule und Unterricht wichtig sein soll.

Streit um die Frühsprachen
Anita Fetz stellt in ihrem Beitrag (erschienen auch in der Zeit) fest, dass mit Harmos das Schulleben nicht einfacher, wie vom Volk gewünscht, sondern komplizierter geworden ist. «Die Kantone geben einander wegen des Streits um die Frühsprachen aufs Dach, und nebenbei hat eine überambitionierte Bürokratenmaus einen Dokumentenberg geboren, der das Matterhorn vor Neid erblassen lässt.»

Tatsächlich sind die wesentlichen Punkte von Harmos nicht erfüllt – im Gegenteil, die Frühspracheneinführung hat zu einer Verkomplizierung geführt. So beginnt beispielsweise der Kanton Aargau mit Frühenglisch, die beiden Basel jedoch mit Frühfranzösisch. Das hat zur Folge, dass Rheinfelder Kinder, die mit ihrer Familie nach Muttenz zügeln, zwei Jahre zu wenig Französisch-Unterricht haben.

«Eine schweizweite oder auch nur sprachregionale Annäherung, wie wir sie wollten, sieht anders aus. Eine Vereinfachung auch», schreibt Anita Fetz und folgert: «Harmos in der heutigen Form ist gescheitert. Und zwar daran, dass das Fuder mit der Kompetenzausrichtung und mit viel bürokratischem Fleiss überladen wurde.»
SP-Grossrat Daniel Goepfert hingegen hadert mit der Lehrkräfteausbildung für die Sekundarstufe I. «Auf eine kurze Formel gebracht: Es wird zu viel Theorie und zu wenig fachbezogene Ausbildung angeboten», stellt er fest.

Horrende Kosten einsparen
So geniesse in der Nordwestschweiz eine Französisch- oder Englischlehrkraft nur noch vier Stunden Fachunterricht während vier Semestern. Das seien insgesamt 224 Stunden, während es bis vor Kurzem noch 550 Stunden gewesen seien. Der grosse Rest verteile sich auf Erziehungswissenschaften, Fachdidaktik, berufspraktische Studien sowie Abschlussarbeiten, die meist nicht fachspezifisch seien.

Roland Stark konstatiert in Bezug auf den Kanton Basel-Stadt, der als erster den Lehrplan 21 schon eingeführt hat: «Ein Erziehungsdirektor mit überragenden kommunikativen Fähigkeiten, desinteressierte Parteien, narkotisierte Medien und handzahme Gewerkschaften halfen mit, dass im Kanton Basel-Stadt selbst einschneidende bildungspolitische Veränderungen störungsfrei und ohne kontroverse Debatte beschlossen werden konnten.» Und er stellt fest: «Nun scheint aber der Wind zu drehen, der Elfenbeinturm der Schulbürokratie bekommt erste Risse.»

Und als letzter Einspruch-Schreiber aus der Region Basel soll der Geschichtslehrer Georg M. Geiger zu Wort kommen: «Die leicht erhöhte Mobilität der Wohnbevölkerung in unserem Land lässt sich durch national definierte Lernstandards und dank Lehrkräften, die es gewohnt sind, binnendifferenziert und individualisiert zu unterrichten, bestens auffangen. Die restlichen Strukturanpassungen und die damit verbundenen horrenden Kosten kann man sich getrost sparen. Und schon gar nicht muss das historisch gewachsene föderale Bildungswesen als Ganzes ge- schlissen werden.»


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