Wer als Lehrkraft an einer Primarschule tätig ist, arbeitetoffiziell in einem «frauenspezifischen» Beruf. Dies hat das Bundesgericht ineinem Urteil vom 1. Dezember verkündet. Hintergrund war die Klage einer
Aargauer Lehrerin, die eine generelle Lohndiskriminierung geltend machte. Das
Verwaltungsgericht war zuvor nicht auf die Klage eingetreten, da es sich um
einen geschlechtsneutralen Job handle. Nach dem Spruch aus Lausanne muss das
Verwaltungsgericht sich nun erneut mit dem Fall beschäftigen.
Bringt der Bundesgerichts-Entscheid mehr Lohn für Primarlehrer? Bild Bz Basel
Lehrerinnen, Weltwoche, 50/2015 von Philipp Gut
Die Lehrerverbände haben
erfreut auf das Urteil reagiert. Das «Scheinargument», es könne gar keine
Diskriminierung vorliegen, da der Lehrberuf keinen Frauenberuf darstelle, sei
vom Tisch, schwärmte Zentralpräsident Beat Zemp. Bei allem Respekt vor dem
höchsten Gericht und dem höchsten Lehrer der Schweiz: Es mutet sonderbar an,
einzelne Berufszweige per Richterbeschluss in ein Geschlechterkorsett zu zwängen. Hat die
Emanzipationsbewegung nicht genau gegen solche Kategorien und Schubladen
gekämpft?
Ich war selbst als
Primarlehrer tätig, damals waren drei von drei Vollzeitlehrern Männer. Die
Verhältnisse haben sich rasch und radikal verändert. Es stimmt, dass heute
vier Fünftel der Lehrpersonen auf der Primarstufe weiblich sind. Sie wählen
diesen Beruf aus freien Stücken. Dem Arbeitgeber, den Kantonen, deshalb eine
Diskriminierungsabsicht zu unterstellen, ist abstrus. Was folgt als Nächstes?
Vielleicht administrierte Höchstpreise für Lippenstift?
Man könnte das Urteil
auch zum Anlass nehmen, um etwas tiefer zu schürfen – und etwa die Frage
stellen, weshalb die Frauen derart überhandgenommen haben. Ein Hauptgrund liegt
darin, dass der angeblich diskriminierende Arbeitgeber Bedingungen bietet,
die
auf Frauen wie ein Magnet wirken: Jobsharing und Teilzeitjobs à
discrétion.
Ironischerweise hat eben
diese Anziehungskraft zu Beeinträchtigungen der Unterrichtsqualität geführt:
Den Kindern fehlen aufgrund der ständig wechselnden Lehrerinnen die für ihre
Entwicklung wichtigen Bezugspersonen.So läuft im Kanton Zürich der Schulversuch
«Fokus Starke Lernbeziehungen» mit dem Ziel, die Anzahl Lehrkräfte pro Klasse
wieder zu reduzieren. Auch andere Kantone wie Bern oder Baselland geben
Gegensteuer. Doch so einfach wird das nicht gehen: In Zürich mangelt es bereits
für den blossen Versuch an Lehrerinnen, die sich zu hundert Prozent engagieren
wollen.
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