11. Dezember 2015

Frauenberuf mit Folgen

Wer als Lehrkraft an einer Primarschule tätig ist, arbeitetoffiziell in einem «frauenspezifischen» Beruf. Dies hat das Bundesgericht ineinem Urteil vom 1. Dezember verkündet. Hintergrund war die Klage einer Aargauer Lehrerin, die eine generelle Lohn­diskriminierung geltend machte. Das Verwaltungsgericht war zuvor nicht auf die Klage eingetreten, da es sich um einen geschlechtsneutralen Job handle. Nach dem Spruch aus Lausanne muss das Verwaltungsgericht sich nun erneut mit dem Fall beschäftigen.









Bringt der Bundesgerichts-Entscheid mehr Lohn für Primarlehrer? Bild Bz Basel
Lehrerinnen, Weltwoche, 50/2015 von Philipp Gut

Die Lehrerverbände haben erfreut auf das Urteil reagiert. Das «Scheinargument», es könne gar keine Diskriminierung vorliegen, da der Lehrberuf keinen Frauenberuf darstelle, sei vom Tisch, schwärmte Zentralpräsident Beat Zemp. Bei allem Respekt vor dem höchsten Gericht und dem höchsten Lehrer der Schweiz: Es mutet sonderbar an, einzelne ­Berufszweige per Richterbeschluss in ein ­Geschlechterkorsett zu zwängen. Hat die Emanzipationsbewegung nicht genau gegen solche Kategorien und Schubladen gekämpft?
Ich war selbst als Primarlehrer tätig, damals waren drei von drei Vollzeitlehrern Männer. Die Verhältnisse haben sich rasch und radikal ver­ändert. Es stimmt, dass heute vier Fünftel der Lehrpersonen auf der Primarstufe weiblich sind. Sie wählen diesen Beruf aus freien Stücken. Dem Arbeitgeber, den Kantonen, ­deshalb eine Diskriminierungsabsicht zu unterstellen, ist abstrus. Was folgt als Nächstes? Vielleicht administrierte Höchstpreise für ­Lippenstift?
Man könnte das Urteil auch zum Anlass nehmen, um etwas tiefer zu schürfen – und etwa die Frage stellen, weshalb die Frauen derart überhandgenommen haben. Ein Hauptgrund liegt darin, dass der angeblich diskrimi­nie­rende Arbeitgeber Bedingungen bietet, die auf Frauen wie ein Magnet wirken: Jobsharing und Teilzeitjobs à discrétion.
Ironischerweise hat eben diese Anziehungskraft zu Beeinträchtigungen der Unterrichtsqualität geführt: Den Kindern fehlen aufgrund der ständig wechselnden Lehrerinnen die für ihre Entwicklung wichtigen Bezugspersonen.So läuft im Kanton Zürich der Schulversuch «Fokus Starke Lernbeziehungen» mit dem Ziel, die Anzahl Lehrkräfte pro Klasse wieder zu reduzieren. Auch andere Kantone wie Bern oder Baselland geben Gegensteuer. Doch so einfach wird das nicht gehen: In Zürich mangelt es bereits für den blossen Versuch an Lehrerinnen, die sich zu hundert Prozent engagieren wollen.


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