12. Dezember 2015

Eingriff in Glaubens- und Gewissensfreiheit

Das Bundesgericht spricht sich gegen das Kopftuchverbot der Schulgemeinde St. Margrethen aus. Ein bosnisches Mädchen darf somit weiterhin mit Kopftuch den Unterricht besuchen.













Vier von fünf Richtern gegen Kopftuchverbot, Bild: Petra Orosz
Ein allgemeines Kopftuchverbot an Schulen geht zu weit, NZZ, 12.12. von Katharina Fontana


Das Bundesgericht hält ein allgemeines Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen für nicht gerechtfertigt. Es stellt sich mit seinem Urteil hinter ein heute 14-jähriges muslimisches Mädchen aus St. Margrethen und dessen Eltern. Der Fall hat in den letzten zwei Jahren für viel Aufsehen gesorgt. 2013 erschien das bosnische Mädchen nach den Sommerferien, begleitet von der Mutter, mit dem sogenannten Hijab in der Schule und teilte mit, es werde fortan nur noch mit dem islamischen Kopftuch am Unterricht teilnehmen. Danach folgte ein Hin und Her: Die Schule stellte sich auf den Standpunkt, dass dies nicht zulässig sei, da die Ordnung der Schulgemeinde das Tragen von Kopfbedeckungen jeglicher Art - Caps, Wollmützen, aber auch Kopftücher - während des Unterrichts untersage. Das Mädchen ging daraufhin während einiger Monate nicht mehr zur Schule, bis das St. Galler Verwaltungsgericht eingriff und ihm erlaubte, bis zum Abschluss des Verfahrens mit dem Kopftuch am Unterricht teilzunehmen.

Auch in der Sache selber gab das Verwaltungsgericht den Eltern schliesslich recht - anders als zuvor das Bildungsdepartement - und erlaubte dem Mädchen, das islamische Kopftuch in der Schule zu tragen. Dagegen erhob die Schulgemeinde St. Margrethen in der Folge Beschwerde beim Bundesgericht.


In einer öffentlichen Sitzung hat sich das Bundesgericht am Freitag nun erstmals zur Zulässigkeit eines Kopftuchverbots für Schülerinnen geäussert. Vier der fünf Richter der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vertraten die Auffassung, dass die von der Schulgemeinde St. Margrethen vorgebrachten Argumente nicht überzeugten. Das Kopftuchverbot könne im konkreten Fall weder mit der Schuldisziplin noch mit dem Religionsfrieden noch mit der Gleichberechtigung von Mädchen und Knaben gerechtfertigt werden. Die Schülerin könne dem Unterricht auch mit dem Kopftuch folgen, so die Bundesrichter. Es gebe keine Hinweise dafür, dass sie in der Schule für ihren Glauben werbe oder dass sie von ihren Eltern unter Druck gesetzt werde und nur deshalb das Tuch trage. Der Eingriff in ihre Glaubens- und Gewissensfreiheit sei aus diesen Gründen nicht gerechtfertigt. In der Diskussion wurde auch betont, dass es nicht der Schweizer Tradition entspreche, alles Religiöse in den privaten Bereich zu verdrängen. Statt das Tragen religiöser Symbole zu verbieten, solle die Schule vielmehr Toleranz lehren, hiess es.

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